...Weiterhin frage ich mich, ob sich religiös erzogene Menschen, also Menschen, die von Kindesbeinen an im christlichen, muslimischen oder jüdischen Glauben erzogen wurden nicht irgendwann einmal die Frage stellen, ob alles, was Ihnen erzählt, vorgebetet, gelehrt wurde auch so richtig ist und wenn man sich die Frage stellt, welche Antwort gibt man sich selbst...

Wie bei vielen Kindern, beginnt dies eigentlich schon mit dem MOment, wo man herausfindet, daß es weder Weihnachtsmann noch Osterhase, noch Storch gibt, und diese Geschichten nur erfunden wurden, damit Kinder an etwas angenehmes glauben können (oder, schlimmer gar, man denkt, daß Erwachsene einen für dumm verkaufen wollten, weil man eben noch jung und naiv ist). Da wird man dann schon mißtrauischer, was andere Sachen betrifft, die man ebenfalls glauben soll und die ähnlich hahnebüchene "Beweise" für ihre Existenz anzeigen. Als nächstes verstößt man dann mal versuchesweise gegen das eine oder andere Gebot, und man sieht, daß nichts passiert.
Irgendwo hört man dann von anderem Glauben oder Wissen und versucht, sich darüber Informationen zu beschaffen. Ich habe so etwa mit 11/12 begonnen, auch kritische Bücher zu Religionen oder Wissenschaften zu lesen. Im Konfirmandenunterricht dann stellte ich dem Pfarrer Fragen und erhielt lediglich dieselben Antworten, die auch in christlicher Literatur zu finden sind. Letztlich habe ich begriffen, daß es keine "Beweise" im Glauben gibt. In den folgenden etwa 10 Jahren habe ich mich dann eingehend mit Religionsgeschichte, Grenz- und Geheimwissenschaften, Sekten und Kulten befaßt und je mehr ich an Informationen erhielt und umso mehr Material ich zum Vergleichen hatte, umso mehr habe ich erkannt, daß die Verheißungen und Regeln stets demjenigen, der sie geschrieben oder verkündet hat, genutzt haben, das war besonders gut bei neueren Sekten (man erinnere sich, die 60/70er waren eine Hoch-Zeit für Sinnsuche in fremden Religionen und der Kreierung neuer Glaubensrichtungen) über die Jahre hinweg zu verfolgen. In den darauffolgenden Jahren habe ich mich immer wieder interesseweise mit diesen Gebieten beschäftigt und auch diverse Angehörige anderer Religionen oder esoterischer Gruppierungen kennengelernt - was mich aber immer wieder in meiner Überzeugung bestätigte. Ich habe mich dann jahrelang mit dem "Community-Building" befaßt und auch für eine virtuelle Gemeinschaft auf Fantasybasis Gesellschafts- und Religionsmodelle entwickelt - und mich und andere immer wieder dabei ertappt, wie man sich beim "Simulieren" schnell mitreißen läßt und geneigt ist, höhere Positionen in einer Glaubenskette zu seinem Vorteile zu interpretieren und nutzen. Später dann habe ich u.a. an der Entwicklung eines Götterkonzeptes einer virtuellen Welt mitgewirkt, das Elemente aus mehreren Glauben in sich vereinte (zusammen mit einer Professorin für vergleichende kulturelle Studien, die selbst umfangreiche eigene Erfahrungen aus verschiedenen Religionen besaß und u.a. in Tibet gelebt hatte, und im Verlauf dieser Zeit mehrere Studien über die gewonnenen Beobachtungen publizierte), und dazu habe ich dann natürlich auch wieder ausgiebig recherchiert und auch Variationen experimentell ausprobiert.
Alle Erfahrungen und Informationen, sowie Gespräche und Beobachtungen zeigten für mich zweifelsfrei immer wieder auf dasselbe, nämlich das der Glauben ein Mittel zum Zweck darstellt, sowohl für diejenigen, die den Glauben schaffen, wie auch für diejenigen, die ihn bewahren und verbreiten, als auch für diejenigen, die ihm anhängen - und zwar für jedes Glied in dieser Kette ein Mittel zu einem anderen Zweck (wie es auch habiba in ihrem Beitrag für die Gläubigen schon andeutete).

Dennoch bin ich noch immer ergebnisoffen orientiert und hinterfrage bei jeder neu gewonnenen Information, ob diese im Widerspruch zum bisher gehörten und erlebten steht - und ich bin durchaus willens, bei entsprechend starken Hinweisen, Teile meines "Glaubensgebäudes" abzuändern. Allerdings, ehrlicherweise, muß ich zugeben, daß dies bei einer Erfahrung von so langer Dauer und Intensität, zunehmend weniger wird, denn langsam aber sicher hat man das meiste, was man hören kann, bereits in derselben oder ähnlichen Form gehört.