Merkel kündigt Kampf gegen Extremismus an
Mittwoch 19. April 2006, 17:22 Uhr




Berlin (dpa) - Nach dem versuchten Mord an einem Deutsch-Äthiopier in Potsdam hat die Bundesregierung eine breit angelegte Suche nach den Tätern und einen intensiven Kampf gegen Recht***tremismus angekündigt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilte den Überfall auf den 37-jährigen Ingenieur als «abscheuliche, brutale und menschenverachtende Tat».

Die Regierung werde eine «angemessene Antwort» auf rechte Gewalt geben. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte, Polizei und Justiz setzten alles dran, um die Täter zu ermitteln. «Wir dulden so etwas nicht.»

In der brandenburgischen


Landeshauptstadt Potsdam wurde die wegen versuchten Mordes ermittelnde Sonderkommission «Charlottenhof» von zwölf auf 25 Beamte aufgestockt. Trotz zahlreicher Hinweise gab es zunächst keine heiße Spur. Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) zeigte sich dennoch zuversichtlich, dass die Täter bald gefasst werden. 90 Prozent aller Gewalttaten würden aufgeklärt. Die Mitschnitte der Stimmen der mutmaßlich zwei Täter, die auf der Handy- Mailbox der Ehefrau des Opfers gefunden worden waren, können im Internet (www.internetwache.de) und über Telefon (0331-28353777) abgerufen werden. Der Mann schwebte nach Auskunft des Klinikums am Mittwoch weiter in Lebensgefahr. Er hat schwere Schädel- und Hirnverletzungen. Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) rief zu Spenden auf.

Merkel zeigte sich erschüttert über den Angriff auf den Familienvater am Ostersonntag. Wie Schäuble begrüßte sie, dass Generalbundesanwalt Kay Nehm wegen des Verdachts der Beeinträchtigung der inneren Sicherheit die Ermittlungen an sich gezogen hat. Die Bundesanwaltschaft geht von einem fremdenfeindlichen Hintergrund aus.

Mit Merkels geäußertem Wunsch, dass das im Bundeshaushalt 2006 verankerte 19-Millionen-Euro-Programm zur Vorbeugung recht***tremer Taten fortgesetzt werden solle, könnte die jüngste Kontroverse in der Koalition über die Finanzierung vom Tisch sein. Ein Sprecher des Familienministeriums sagte, dieses Programm solle auch auf Maßnahmen für Integration junger Migranten und gegen Link***tremismus ausgeweitet werden. «Der Schwerpunkt wird aber weiterhin ganz klar der Recht***tremismus sein.»

Die Grünen und die Linkspartei im Bundestag mahnten aber, wenn das Förderprogramm um islamistischen Extremismus und Link***tremismus erweitert werde, ohne die Gesamtsumme aufzustocken, bedeute dies eine einschneidende Mittelkürzung für zivilgesellschaftliche Initiativen gegen Rechts. Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth warnte vor «Tagesparolen der Regierung». Fremdenfeindlichkeit sei alltägliche schreckliche Realität in Deutschland. Sie schlug die Gründung einer Stiftung mit Millionen-Kapital vor, um die dauerhafte Arbeit der Initiativen gegen Recht***tremismus und Antisemitismus abzusichern.

Die Linksfraktion erklärte: «Die jüngsten integrationspolitischen Auseinandersetzungen, bei denen manche Politiker verschärfte Sanktionen fordern, begünstigen zumeist eine Atmosphäre, in der sich rechte Gewalttäter als vermeintliche Vollstrecker eines ungeäußerten Volkswillens aufspielen können.»

In einer Forsa-Umfrage für den Nachrichtensender n-tv stuften drei Viertel (74 Prozent) der 1007 am Dienstag Befragten Fremdenfeindlichkeit und Recht***tremismus in Deutschland als ein «großes» (53 Prozent) oder sogar ein «sehr großes» (21 Prozent) Problem ein. Schäuble sagte: ««Ich hoffe, dass klar wird, dass die Bevölkerung solche fremdenfeindlichen Exzesse mit Entschiedenheit ablehnt.»