Saudi-Arabien senkt Importzölle auf Nahrungsmittel und Baustoffe
Sonntag, 20. April 2008


Bekämpfung der Inflation / Mittelfristig Ausstieg aus der Weizenproduktion / Von Fabian Nemitz

Dubai (bfai) - Saudi-Arabien hat Ende März 2008 beschlossen, die Importzölle auf Nahrungsmittel und Baustoffe zu senken. Mit dieser Maßnahme will die Regierung den Preisauftrieb im Land bremsen und Kaufkraftverluste der Bevölkerung abfedern. Zudem plant das Königreich mittelfristig den Ausstieg aus dem ökonomisch unsinnigen großflächigen Anbau von Weizen. Vor allem für internationale Lieferanten von Nahrungsmitteln bedeuten diese Schritte eine weitere Verbesserung der Absatzchancen.

Reduziert werden die Importzölle auf insgesamt 180 Waren. Bei Nahrungsmitteln - Geflügel, Milchprodukte, Pflanzenöl - und bei Baumaterialien - Farbe, Gips, Stromkabel, Plastikrohre - sinkt der Satz von 20 auf 5%. Die Zölle auf Weizen und Produkte daraus werden vorerst vollständig abgeschafft. Sie lagen zuvor bei 25%. Gelten sollen die niedrigeren Sätze zunächst für drei Jahre.

Saudi-Arabien kämpft wie die anderen arabischen Golfstaaten auch mit einer hohen Inflation. Im Februar 2008 hat sie mit offiziellen 8,7% ein 27-Jahres-Hoch erreicht. Ziel der Zollsenkung ist die Dämpfung des Preisauftriebs. Die Gründe für die hohe Teuerungsrate: Der Saudi-Riyal ist an den US-Dollar gekoppelt. Infolge der Schwäche der amerikanischen Währung verteuern sich die Importe insbesondere aus dem Euro-Raum. Zudem hat sich der Ölpreis in den vergangenen sechs Jahren verfünffacht. Die erlösten Petro-Dollars fließen in unzählige Investitionsprojekte. Da die Kapazitäten an Fachkräften und Materialien knapp werden, entwickelt sich ein hoher Preisdruck. Hinzu kommen die weltweit steigenden Preise für Nahrungsmittel.

Nach Ansicht von John Sfakianakis, dem Chef-Ökonom der saudi-arabischen SABB-Bank, einer Tochter der britischen HSBC, signalisiert die Regierung mit diesem Schritt, dass sie an der Dollar-Bindung festhalten will und andere Wege sucht, die Inflation zu bremsen. Dabei trägt sie die Kosten der Abgabensenkung in Form geringerer Zolleinnahmen - immerhin 1,1 Mrd. $ pro Jahr.

Saudi-Arabien hat zudem angekündigt, künftig Weizen importieren zu wollen. Bisher hatte das Land die Nachfrage nach Weizen fast vollständig aus heimischem Anbau gedeckt. Nach letztverfügbaren Angaben produzierte das Königreich 2005 rund 2,6 Mio. t Weizen, 1,3 Mio. t Milch und 773.000 t Fleisch, Fisch und Geflügel. Den Aufbau der Landwirtschaft hatte Saudi-Arabien in den 80er Jahren mit hohem finanziellem Aufwand vorangetrieben. Der Staat übernahm die Bereitstellung von preiswertem Wasser. Die Preise für die Agrarprodukte wurden subventioniert. Ziel der Maßnahmen war die Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln, allem voran mit Weizen und Milchprodukten. Zeitweilig war das Wüstenland sogar Weizenexporteur.

Mit diesem ökonomischen Unsinn will die saudi-arabische Regierung nun Schluss machen. Bereits im Januar 2008 hatte sie Pläne bekannt gegeben, wonach sie die Weizenaufkäufe von heimischen Produzenten ab Anfang 2009 um 12% zurückfahren will. Im Gegenzug soll Weizen aus dem Ausland eingeführt werden. Zu diesem Schritt haben die Regierung Berichte über einen dramatischen Rückgang der fossilen Grundwasserressourcen veranlasst. Bis 2015 werde die Regierung die Aufkäufe ganz einstellen und Weizen vollständig importieren, verlautete aus Regierungskreisen. Getreide- und Milchfarmen stehen für 85% des gesamten Wasserverbrauchs im Land.

Wie die Tageszeitung Emirates Business 24/7 berichtet, kostet die Herstellung von 1 cbm Wasser circa 1,08 $; verkauft wird er aber für circa 0,03 $. Etwa 70% des Trinkwasserbedarfs stammt aus 30 Meerwasserentsalzungsanlagen. Täglich produzieren die Anlagen mehr als 2,27 Mrd. l Süßwasser - ein weltweiter Spitzenwert. Und nicht genug damit: Die Regierung plant den Bau von 16 weiteren Entsalzungsanlagen in den nächsten 17 Jahren. Kostenpunkt: 14 Mrd. $.

Die arabischen Staaten sehen die zunehmende Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten mit Sorge. Bauern und Nahrungsmittelhersteller aus den Lieferländern hingegen dürfen sich freuen: Angaben von Emirates Business 24/7 zufolge zeigten die Nahrungsmittelimporte Saudi-Arabiens in den vergangenen Jahren kontinuierlich nach oben. Sie erreichten 2007 einen Wert von 10 Mrd. $. Im Zeitraum 1995 bis 2005 sind die Importe um durchschnittlich 8,3% gewachsen - schneller als in allen anderen Staaten der arabischen Welt. Die Senkung der Einfuhrzölle, der Ausstieg des Königreichs aus der großflächigen Weizenproduktion und das Bevölkerungswachstum in der Region werden diese Entwicklung beflügeln.

https://www.d-a-g.org/default.asp
Hat zwar nicht unmittelbar etwas mit Tunesien zu tun, aber zum Thema finde ich es interessant, wenn es um Lebensmittelpreiserhöhungen geht.

Claudia