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Re: Ausschreitungen in Tunesien...
[Re: Hunsruecker]
#249252
20/04/2008 20:33
20/04/2008 20:33
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Claudia Poser-Ben Kahla
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Saudi-Arabien senkt Importzölle auf Nahrungsmittel und Baustoffe Sonntag, 20. April 2008 Bekämpfung der Inflation / Mittelfristig Ausstieg aus der Weizenproduktion / Von Fabian Nemitz Dubai (bfai) - Saudi-Arabien hat Ende März 2008 beschlossen, die Importzölle auf Nahrungsmittel und Baustoffe zu senken. Mit dieser Maßnahme will die Regierung den Preisauftrieb im Land bremsen und Kaufkraftverluste der Bevölkerung abfedern. Zudem plant das Königreich mittelfristig den Ausstieg aus dem ökonomisch unsinnigen großflächigen Anbau von Weizen. Vor allem für internationale Lieferanten von Nahrungsmitteln bedeuten diese Schritte eine weitere Verbesserung der Absatzchancen. Reduziert werden die Importzölle auf insgesamt 180 Waren. Bei Nahrungsmitteln - Geflügel, Milchprodukte, Pflanzenöl - und bei Baumaterialien - Farbe, Gips, Stromkabel, Plastikrohre - sinkt der Satz von 20 auf 5%. Die Zölle auf Weizen und Produkte daraus werden vorerst vollständig abgeschafft. Sie lagen zuvor bei 25%. Gelten sollen die niedrigeren Sätze zunächst für drei Jahre. Saudi-Arabien kämpft wie die anderen arabischen Golfstaaten auch mit einer hohen Inflation. Im Februar 2008 hat sie mit offiziellen 8,7% ein 27-Jahres-Hoch erreicht. Ziel der Zollsenkung ist die Dämpfung des Preisauftriebs. Die Gründe für die hohe Teuerungsrate: Der Saudi-Riyal ist an den US-Dollar gekoppelt. Infolge der Schwäche der amerikanischen Währung verteuern sich die Importe insbesondere aus dem Euro-Raum. Zudem hat sich der Ölpreis in den vergangenen sechs Jahren verfünffacht. Die erlösten Petro-Dollars fließen in unzählige Investitionsprojekte. Da die Kapazitäten an Fachkräften und Materialien knapp werden, entwickelt sich ein hoher Preisdruck. Hinzu kommen die weltweit steigenden Preise für Nahrungsmittel. Nach Ansicht von John Sfakianakis, dem Chef-Ökonom der saudi-arabischen SABB-Bank, einer Tochter der britischen HSBC, signalisiert die Regierung mit diesem Schritt, dass sie an der Dollar-Bindung festhalten will und andere Wege sucht, die Inflation zu bremsen. Dabei trägt sie die Kosten der Abgabensenkung in Form geringerer Zolleinnahmen - immerhin 1,1 Mrd. $ pro Jahr. Saudi-Arabien hat zudem angekündigt, künftig Weizen importieren zu wollen. Bisher hatte das Land die Nachfrage nach Weizen fast vollständig aus heimischem Anbau gedeckt. Nach letztverfügbaren Angaben produzierte das Königreich 2005 rund 2,6 Mio. t Weizen, 1,3 Mio. t Milch und 773.000 t Fleisch, Fisch und Geflügel. Den Aufbau der Landwirtschaft hatte Saudi-Arabien in den 80er Jahren mit hohem finanziellem Aufwand vorangetrieben. Der Staat übernahm die Bereitstellung von preiswertem Wasser. Die Preise für die Agrarprodukte wurden subventioniert. Ziel der Maßnahmen war die Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln, allem voran mit Weizen und Milchprodukten. Zeitweilig war das Wüstenland sogar Weizenexporteur. Mit diesem ökonomischen Unsinn will die saudi-arabische Regierung nun Schluss machen. Bereits im Januar 2008 hatte sie Pläne bekannt gegeben, wonach sie die Weizenaufkäufe von heimischen Produzenten ab Anfang 2009 um 12% zurückfahren will. Im Gegenzug soll Weizen aus dem Ausland eingeführt werden. Zu diesem Schritt haben die Regierung Berichte über einen dramatischen Rückgang der fossilen Grundwasserressourcen veranlasst. Bis 2015 werde die Regierung die Aufkäufe ganz einstellen und Weizen vollständig importieren, verlautete aus Regierungskreisen. Getreide- und Milchfarmen stehen für 85% des gesamten Wasserverbrauchs im Land. Wie die Tageszeitung Emirates Business 24/7 berichtet, kostet die Herstellung von 1 cbm Wasser circa 1,08 $; verkauft wird er aber für circa 0,03 $. Etwa 70% des Trinkwasserbedarfs stammt aus 30 Meerwasserentsalzungsanlagen. Täglich produzieren die Anlagen mehr als 2,27 Mrd. l Süßwasser - ein weltweiter Spitzenwert. Und nicht genug damit: Die Regierung plant den Bau von 16 weiteren Entsalzungsanlagen in den nächsten 17 Jahren. Kostenpunkt: 14 Mrd. $. Die arabischen Staaten sehen die zunehmende Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten mit Sorge. Bauern und Nahrungsmittelhersteller aus den Lieferländern hingegen dürfen sich freuen: Angaben von Emirates Business 24/7 zufolge zeigten die Nahrungsmittelimporte Saudi-Arabiens in den vergangenen Jahren kontinuierlich nach oben. Sie erreichten 2007 einen Wert von 10 Mrd. $. Im Zeitraum 1995 bis 2005 sind die Importe um durchschnittlich 8,3% gewachsen - schneller als in allen anderen Staaten der arabischen Welt. Die Senkung der Einfuhrzölle, der Ausstieg des Königreichs aus der großflächigen Weizenproduktion und das Bevölkerungswachstum in der Region werden diese Entwicklung beflügeln. https://www.d-a-g.org/default.aspHat zwar nicht unmittelbar etwas mit Tunesien zu tun, aber zum Thema finde ich es interessant, wenn es um Lebensmittelpreiserhöhungen geht. Claudia
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Re: Ausschreitungen in Tunesien...
[Re: zaza]
#249422
21/04/2008 20:54
21/04/2008 20:54
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Batall_DJE
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Hallo Zaza, Hallo Claudia, Hallo Zusammen,
nur damit wir uns recht verstehen, mir geht es nicht in erster Linie um die Pferde; hier auf Jerba ist die Lage fuer einige Menschen (u.a. durch ihre Tiere) Existenz bedrohend. Sicher ist es schlimm zu sehen, wie schlecht es den Tieren geht, von den Pferden mal ganz abgesehen. Die Preise fuer Schafe sind inzwischen um fast die Haelfte gesunken.
Es ist eine Spirale des Hungers bei Mensch und Tier, die sich da entwickelt, von der wahrscheinlich Europa und Amerika wieder mal nur indirekt betroffen sind. Hier, im Sueden, kenne ich einige Familien, die am Existenzminimum angekommen sind und von Nachbarn etc mitversorgt werden.
Das Ganze ist ueberhaupt kein Spass.
An dieser Stelle moechte ich mal wieder auf das hinweisen, was bei Tunesien so gerne vergessen wird in all dem Urlaubsfeeling: es handelt sich hier um ein Dritte-Welt-Schwellenland!
Viele Gruesse, Batall
Alles lediglich meine bescheidene und subjektive Sichtweise, welche ich - meistens - im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte kundtue
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Re: Ausschreitungen in Tunesien...
[Re: Claudia Poser-Ben Kahla]
#249441
21/04/2008 21:24
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Batall_DJE
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Hallo Claudia!
Ja, ich weiss. War sicher auch nicht boese gemeint... Wollte nur noch mal meinen Standpunkt verdeutlichen, da es mir nicht in erster Linie um die Pferde geht. Unsere werden immer noch so gut es irgendwie geht gefuettert, da sie unsere Existenzgrundlage sind. Andere sehen das anders...
Aber ich glaube, dass es etwas anderes ist, das Alles direkt oder in den Nachrichten zu sehen (diese geben hier nicht allzu viel preis). Hier tut es einem wirklich weh. Mir jedenfalls, und da lasse ich die Spritpreise mal ganz aussen vor... Und so froh ich auch bin, endlich wieder Zuhause zu sein, so heftig schuettelt mich diese Entwicklung (Hunger bei Mensch und Tier, Pruegeleien bei Gerstelieferungen, Entwicklung von Schwarzmaerkten zu Lasten der Schwaecheren). Es ist der Kampf ums Ueberleben, der immer mehr Familien hier den ganzen Tag beschaeftigt, nicht nur abends um 8 in den Nachrichten. Dabei rede ich weniger von den doch meistens immer noch recht gut situierten Jerbis, sondern viel mehr von den Menschen, die tief im Sueden leben. Wie sollen diese Familien bei diesen Futterpreisen, die mancherorts auf Jerba und Zarzis auf dem Schwarzmarkt geboten werden, mithalten (Und in der Wueste gab es zu wenig Gruen diesen Winter)? Ist doch klar, wo das Getreide hingeht. Es trifft immer zuerst die Schwaechsten. Und Nutzniesser sind wie immer die Gewieften mit wenig Gewissen... Es ist zum K...
Viele Gruesse, Batall
Alles lediglich meine bescheidene und subjektive Sichtweise, welche ich - meistens - im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte kundtue
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Re: Ausschreitungen in Tunesien...
[Re: Gitta]
#249538
22/04/2008 13:16
22/04/2008 13:16
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Joined: Jun 2005
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sandfloh
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Djerba
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Hallo Zusammen,
wenn wir alten Tunesienhasen mal Tacheles reden, dann kann ich nur aus eigener Erfahrung sagen, daß die Futterpreise seit ca. 3-4 Jahren stetig gestiegen sind. Wir haben nicht umsonst erst von Milchkühen auf Fleischkühe umgestellt um wenigstens ohne Verlust aus der Sache herauszukommen. Letztendlich haben wir dann alle Kühe geschlachtet und verkaufen den Stall. Wenn wir nur dieses Einkommen gehabt hätten, dann wären wir wahrscheinlich schon längst verhungert. Mein Mann ist noch nebenher arbeiten gegangen und ich war auch Vollzeit beschäftigt. Das kann man natürlich nicht von den armen Beduinen im Süden erwarten, deren Lebensgrundlage nur die Tiere sind. Ich denke, daß der Staat einiges verpasst hat um gegen eine solche Entwicklung anzukämpfen. Tunesien ist ein besonderer Fall wo nicht nur die Preissteigerung eine großes Problem ist, sondern auch die hohen Arbeitslosenzahlen unter der jüngeren Bevölkerung. Da auch die Abwanderung nach Europa sehr schwer geworden ist, bleibt das Problem natürlich im Land. Durch die Preissteigerung ist es so den Familien auch nicht mehr möglich alle mitzuernähren. Die Touristen interessiert es zum größten Teil leider nicht was außerhalb der Hotelanlagen vor sich geht. Sie wollen Sonne und Strand und Erholung. Alles andere sind lästige Faktoren, die gerne ausgeblendet werden.
Was die Geduld der Tunesier anbelangt, so weiß ich nicht wie lange sie noch welche haben. Ich denke daß es unter der Oberfläche schon seit Jahren brodelt, aber die Leute immer noch viel Angst haben es offen zu zeigen. Schließlich verbaut man sich nicht allein durch offenen Protest die Zukunft !!!
sandfloh
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Re: Ausschreitungen in Tunesien...
[Re: sandfloh]
#251829
01/05/2008 15:52
01/05/2008 15:52
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Claudia Poser-Ben Kahla
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Gera
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Menschenrecht auf Nahrung Dr. Jürgen Heraeus zu steigenden Nahrungsmittelpreisen
Viele Menschen stöhnen, wenn Butter, Milch und Brot wieder teurer geworden sind. Lange hatten wir uns daran gewöhnt, dass Grundnahrungsmittel vergleichsweise billig zu haben sind. Dies hat sich gründlich geändert. Weltweit steigen die Lebensmittelpreise. Das ist nicht schön, aber für die meisten Menschen in Deutschland bisher glücklicherweise zu verkraften.
Für Millionen arme Familien in den Entwicklungsländern geht es dagegen ums Überleben. Schon jetzt geben viele Familien im südlichen Afrika und in Asien über die Hälfte ihres Einkommens für Nahrungsmittel aus. 146 Millionen Kinder sind chronisch unterernährt. Sie können nicht richtig lernen und sich entwickeln. Die Hälfte aller Todesfälle bei Kindern hängt mit unzureichender Ernährung zusammen.
Was ist zu tun?
Erstens: Da wo der Hunger auf dem Vormarsch ist, muss rasch geholfen werden. Etwa durch Schulspeisungen und Hilfen für arme Familien. Hierfür müssen Geld und Know How bereit stehen. Doch es reicht nicht, Weizen- und Reissäcke abzuwerfen. Es muss bessere Frühwarnsysteme geben, um Engpässen bei der Versorgung rechtzeitig gegen zu steuern. Wenn erst Hungerbäuche über die Fernsehschirme flimmern, ist es meist schon zu spät.
Zweitens: Die Selbstversorgung der ärmsten Länder mit Nahrungsmitteln muss verbessert werden. Dazu gehört eine kluge und nachhaltige Entwicklungspolitik, die den Bauern mit Wissen und modernen Methoden hilft, ihre Erträge steigern und fairer zu vermarkten. Die Industrieländer dürfen ihre Märkte nicht länger abschotten.
Drittens: Nahrung ist ein Menschenrecht. Erst wenn der Hunger besiegt ist, können sich Länder wirtschaftlich entwickeln und politisch stabilisieren. Die Ernährungssicherung ist deshalb eine internationale Aufgabe, für die die Regierungen mehr Geld bereitstellen müssen. Die Märkte allein werden das Problem nicht lösen, wie die Spekulationen um Reispreise an den Börsen zeigen.
Nahrungsmangel trifft die Kinder am härtesten. Er trifft damit unser aller Zukunft.
Dr. Jürgen Heraeus ist Vorsitzender von UNICEF Deutschland. Quelle: unicef.de
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