Hallo,
nachdem ich Euch ja alle an anderer Stelle dazu aufgerufen habe, wieder mehr inhaltlich zu diskutieren, wollte ich jetzt selber mit gutem Beispiel voran gehen und ein neues Thema anstossen.
In manchen Threads zum Thema Partnerschaft wird ja eifrig darüber diskutiert, ob man oder ob man nicht Geschenke für den Liebsten mitbringen sollte. Um da eine - sicher in jedem Fall individuelle - Entscheidung treffen zu können, sollten wir glaube ich das Thema "Schenken und Beschenkt werden in Tunesien" einmal ganz allgemein thematisieren.
Dazu möchte ich aus meiner Erfahrung mit meiner Schwiegerfamilie berichten und würde mich freuen, von Euch zu hören, ob es bei Euch genauso ist oder ob Eure Familien anders ticken.
Wenn wir nach Tunesien fliegen haben wir grundsätzlich 20 bis 30 kg Übergepäck - die wir Dank des Verhandlungsgeschickes meines Mannes Gott sei Dank noch nie bezahlen mussten.
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Schwiegeroma, Schwiegermutter, Schwägerinnen und Schwager, Nichten und Neffen und manch entfernterer Verwandter, der eine große Familie hat aber nicht viel Geld muss bedacht werden. Wir kaufen also bei Aldi und Lidl Duschbad, Shampoo, Deo-Sticks, Zahnpasta, Pralinen, Bonbons, Marmelade, Kaffee, etc. Für die Nichten und Neffen müssen dann noch T-Shirts, Pullis, Hosen und Jacken gekauft werden. Zudem bedenkt mein Mann verschiedene Geschäftspartner und Leute, die ihm einen Gefallen getan haben immer mal wieder mit Whiskey und Gin.
Jedes Mal vor dem Urlaub, wenn die Einkaufsaktion wieder startet, gebe ich zu bedenken, ob das denn wirklich sein muss - so viele Geschenke. Gerade die Kleidung für die Kinder geht bei (aktuell) 14 Nichten und Neffen, die jeweils mindestens zwei Kleidungsstücke bekommen, dann doch ganz schön ins Geld.
Mein Mann erzählt dann immer davon, wie enttäuscht er und seine Geschwister waren, wenn früher seine Tante aus Frankreich zu Besuch kam und "nur" Schokolade mitbrachte. Und - vor allem - nachdem sich nun schon alle an unsere großzügigen Geschenke gewöhnt haben, wie sollten wir begründen, dass wir jetzt nichts mehr bzw. nur noch wenig bringen. Manchmal rufen Nichten und Neffen sogar an, um uns ihre Wünsche durchzugeben. Meine Schwägerinnen sagen uns zwar jedes Mal wieder, wir sollten nÃchts kaufen - aber ...
Andererseits fahren wir dann aber auch fast genauso beladen wieder heim. Teppiche, Kleidung, Schmuck, Olivenöl, Schuhe, ... in unseren Koffern herrscht immer ein fröhliches Durcheinander.
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Jeder schenkt unseren Kindern und zum Teil auch uns etwas. Dieses Mal war's ganz extrem, da meine Schwiegermutter an L'Eid aus Mekka zurückkam. Meine Schwägerin hatte mir schon erzählt, dass so eine Reise ganz schön teuer ist - nicht zuletzt wegen der Geschenke, die man mitbringen "muss".
Was sich dann aber in den Koffern und Taschen meiner Schwiegermutter befand, das sprengt jede Vorstellungskraft. Sicher hat sie an die 2.000 Dinar für Geschenke ausgegeben - glaubt mir ich übertreibe nicht: Schmuck, Kleider, Spielsachen, religiöse Artikel, ... einfach unglaublich.
Eine Angewohnheit meiner Schwiegerfamilie ist es auch bei jedem Besuch Obst mitzubringen. Man kann keine Tante oder Cousine besuchen gehen, ohne einen Kofferraum voll Obst eingekauft zu haben. Warum eigentlich?
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Unser Geschenk zum neuen Haus meines Schwagers kostet uns auch ein paar Hundert Euro - völlig normal, wie mein Mann mir versichert. Zum Neugeborenen? Natürlich haben wir da von der ganzen Verwandtschaft jede Menge Geld bekommen, schenken aber auch den anderen selbstverständlich auch jede Menge zur Geburt.
Ich habe das Gefühl, dass in Tunesien anders als hier beim Schenken weniger die Geste, dafür aber umso mehr der Preis zählt. "Du hast mir etwas Wertvolles geschenkt, das heißt, ich bedeute Dir viel." Mein Mann hat am Anfang nur entsetzte Augen gemacht, dass ich meiner Familie zu Weihnachten nur selbstgemachte Kleinigkeiten schenke - dass dies z.B. meinen Eltern viel mehr bedeutet, als wenn ich im Kaufhaus 100 Euro für sie ausgebe konnte er nicht nachvollziehen.
Ich denke, wenn man diese tunesischen "Schenkgewohnheiten" bedenkt, stellt sich so mancher Anspruch an die europäische Freundin schon nicht mehr ganz so ungewöhnlich dar. Allerdings ist es in Tunesien immer ein Geben und Nehmen. Und in diesem Punkt ist in manchen tunesisch-europäischen Beziehungen das Gleichgewicht aus den Fugen geraten.
Wenn Euer Freund mit Wünschen an Euch herantritt müsst Ihr meiner Meinung nach nicht gleich mit dem Schlimmsten rechnen. Wenn er Euch dann allerdings mit leeren Händen zurückfahren lässt, würde ich mir Gedanken über seine Absichten machen.
Wie gesagt: Was ich geschrieben habe, beruht auf meiner persönlichen Erfahrung und Einschätzung. Jetzt seid Ihr dran. Ist es in Euren tunesischen Familien auch so?
Liebe Grüße,
Ailia
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