Musik – halal oder haram?!?

In der Literatur über islamische Kultur ist viel über die sogenannte Legitimität oder Illegitimität von Musik geschrieben worden.

Was ist Musik überhaupt? Der Begriff „Musik“ bedeutet die Kunst und Wissenschaft, vokale und/oder instrumentale Klänge (Töne) so zu kombinieren, dass verschiedene Variationen struktureller, ästhetischer und emotionell befriedigender Ausdrucksweisen zustande kommen.

„Musiqa“ (musiqi) – der arabische Ausdruck – wird nur verwendet für gewisse säkulare Musikformen in der orientalisch-islamischen Kultur.

Diese Kultur sorgte für eine ungeschriebene Hierarchie in der Tonkunst. (handrasah al sawt) – künstlerische Gestaltung von Tönen.

Ibn Taymiyyah schrieb in in seinem Buch Kitab al-Sama’ wa al-Raqs’, dass es verschiedene Arten von Sama’ Hören gibt: welche, die muharam- verboten, makruh – unbeliebt, mubah – indifferent, najib – empfehlenswert und mustahabb – sehr lobenswert sind.

Man muss bemerken, dass das Wort Haram, verboten – ausschließlich verwendet wird, für eine Tat, die im technischen und rechtlichen Sinn als ausdrücklich verboten gilt – im Koran oder Ahadith, und nur für die Tat, die durch eine spezielle, beschriebene Strafe zu bestrafen ist. (Hadd)

Man kann also in der islamischen Welt nicht zu jeder Zeit und für jegliche Art der musikalischen Darstellung sagen, sie sei haram.

Das Wort haram im rechtlichen Sinne sollte deshalb nicht in die Diskussion einbezogen werden. Stattdessen sollten wir erkennen, dass hier ethische und nicht rechtliche Urteile diskutiert werden.

Die großen Islam-Gelehrten, insbesondere die Begründer der 4 Rechtsschulen Abu Hanifah (707 – 767), Malik ibn Anas (710 – 795) Al Shafi’i (767 – 819) und Ahmad ibn Hanbal (728 – 856) haben sich dafür ausgesprochen, die Vorbehalte gegen musikalische Aktivitäten niemals als haram zu verurteilen wenn sie nicht im Zusammenhang mit gewissen unerwünschten Verhaltensweisen stehen.

An der Spitze der Wichtigkeit und Akzeptanz steht die Rezitation des Hl. Korans. In der Tat empfiehlt Allah ta’ala solches Vortragen: „...und rezitiert den Koran in langsamen, gemessenen, rhythmischen Tönen“ (73/16)

Dies wurde mit einstimmiger Akzeptanz der Gelehrten und der Gesellschaft über die Jahrhunderter weitergegeben. Es wurde niemals als eine Form von Musik betrachtet, selbst wenn es streng genommen eine ist.

Etwas unter dem Niveau der Koranrezitation steht der Adhaan – der Ruf zum Gebet, der 5 mal am Tag vom Minarett jeder Moschee gerufen wird.

Der Mu’adhin wird sich niemals als Musiker betrachten!

Andere Beislpiele, die von den Muslimen zweifellos legitimiert (erlaubt) sind, sind Pilgergesänge talbiyyah und Lobgesänge. Tahmid, Tahleel, na’t und madih sind Beislpiele von gesungener Poesie zum Lobe Gottes oder des Propheten, oder bestimmter vorbildlicher Personen in der islamischen Geschichte.

Sogar shi’r (gesungene Dichtung) mit edlen Themen fällt in diese Kategorie der akzeptablen Musikart.

3 weitere Gruppierungen, die grundsätzlich als erlaubt betrachtet werden, sind hier mit eingeschlossen:

Verschiedene Arten von Musik für Feierlichkeiten: für Hochzeiten, religiöse Feierlichkeiten, Reiselieder (hida’, rajaaz, rukbaan), Hirten- und Arbeitslieder (als Musik für die Arbeit bezeichnet) und tabl khaanah oder Militärmusik, die gespielt wird, um in die Schlacht zu ziehen, sowohl als auch bei öffentlichen Feierlichkeiten.

In seinem Kitab al Umm schreibt Shafi’i, dass der Prophet (sas) dem Singen von Karawanenliedern (hida) der Araber und gesungener Poesie zugehört und zum Singen ermuntert hat.

Diese 3 Gruppen werden als Musik anerkannt und leiden noch nicht unter der Verurteilung der Gelehrten und der Leute.

Das Diagramm zeigt eine unsichtbare Schranke zwischen diesen Arten von Tonkunst, die grundsätzlich und ohne jeden Einwand als halal betrachtet und jenen, die als fragwürdig eingestuft werden, als gefährlich oder sogar unerwünscht gelten. An der Spitze des zweiten Abschnitts dieser Hierarchie finden wir frei rhythmisierte Vokal- und/oder instrumentale Improvisationen Diese waren bei einem großen Prozentsatz der Bevölkerung sehr beleibt, obwohl sie nicht allgemein gutgeheißen wurden. Unter dem Niveau der improvisierten Musik waren ernste, gemessene Lieder, die auch von einem gewissen – wenn auch kleinem Prozentsatz der Bevölkerung genossen wurde.

Unter diesem Niveau steht Musik, die vor- oder nichtislamische Wurzeln hat.

Religiöse Führer haben diese Art von Musik im Allgemeinen wegen ihrer Beziehung zu heidnischen oder vorislamischen religiösen Traditionen, Ideen und Praktiken.

Schließlich am unteren Ende der Hierarchie steht sinnliche Musik, die aufgeführt wurde im Zusammenhang mit abgelehnten Aktivitäten, von denen man annimmt, dass sie zu verbotenen Dingen wie Konsum von Drogen und Alkohol, Sinnenlust, Prostitution etc. anspornt.

Diese unterste Ebene ist von den anderen durch eine dicke schwarze Linie getrennt, deshalb (weil es unter dieser Grenze liegt) haben Muslime es einstimmig abgelehnt, mit ihren Absichten überein zu stimmen.

Nur die mittleren Kategorien der Hierarchie bleiben als Streitpunkte übrig.

Mahmud Shaltut, ehemaliger Direktor der Al Azhar Universität hat eine fatwa (Rechtsgutachten) herausgegeben, die eine Erlaubnis von Musik mit folgenden Argumenten begründet:

1. Er meint, dass das Hören oder Aufführen von Musik ein instinktives Vergnügen, mit dem Allah uns ausgestattet hat, ist, so wie gutes Essen zu genießen, weiche Kleidung zu fühlen, angenehme Düfte zu genießen, schöne Aussichten zu sehen oder Wissen von Unbekanntem zu erhalten.

All das hat den Effekt der Beruhigung, wenn man verstört ist, Entspannung , wenn man müde ist, Erfrischung bei geistiger oder körperlicher Aufregung und den Teilnehmer (der Musikaufführung) mit neuer Energie aufzuladen.

Sogar Al-Ghazzali stellt in seinem umfassenden Kapitel über Musik in dem bekannten Ihya ulum al din fest, dass Instrumente mit schönem Klang nicht mehr verboten sein sollten als die Stimme der Nachtigall außer jenen Instrumenten, die mit Wein, Homosexualität und anderen verbotenen Dingen in Verbindung gebracht werden können.

Shaltut argumentiert, dass Gott diese Instinkte im Menschen für einen guten Zweck geschaffen hat, und deshalb könnte es vielleicht sogar unmöglich sein, seine Aufgaben im Leben ohne die Hilfe solcher Instinkte und Freuden, zu erfüllen, denn diese helfen ihm, seine Ziele zu erreichen. Er fasst zusammen, dass es deshalb unmöglich ist, dass die Sharia gegen diese Instinkte und Freuden ist. Stattdessen sit es die Absicht des Gesetzes, diese Instinkte zu disziplinieren, ihren Gebrauch in die Bahnen zu leiten, so dass ein konstruktives Zusammenarbeiten ermöglicht und eine hohe Moral angestrebt wird.

Sein zweites Argument ist, dass das Gesetz , genau wie der Koran, auf dem es basiert, die Goldene Mitte anstrebt, was vor Übertreibungen schützt, also weder eine Nutzlosigkeit noch eine Überbewertung von Musik erklärt.

Al Ghazzali hat den gleichen wichtigen Punkt über die „Zeit“, mit der jemand mit Musik beschäftigt ist, beschrieben.

Zei ist ein sehr wichtiger Punkt. Wenn eine Musikaufführung oder das allgemeine Hören von Musik zuviel Zeit in Anspruch nimmt, so dass man die wichtigen Islamischen Ziele (Gebet oder Sorge für die Familie etc.) aus den Augen verliert, sollte mans davon absehen. Er stellt außerdem fest, dass das Leben eine ernsthafte Angelegenheit ist, und zu viel Zeit in die Beschäftigung mit Musik zu legen, würde mehr daraus machen, als was es ist: eine harmlose Freizeitbeschäftigung und wäre somit schädlich.

Viele Gelehrte, einschließlich Ibn Taymiyah meinen, dass jemand, wenn er zur Gebetszeit Musik hört, das Gebet versäumen oder sehr schnell beten würde, um wieder zurück zur Musik zu kommen. Das Gebet versäumen ist falsch, unabhängig aus welchem Grund - wer z.B. begeistert von Gartenarbeit ist, kann das Gebet versäumen, um seine Beschäftigung nicht zu unterbrechen.

Sich gehen lassen ist in jeder Tätigkeit schädlich und deshalb kann dieses Argument nicht als Argument gegen die Musik an sich gelten, sondern gegen das Versäumen von Gebeten!

3. wandte er sich zu den Argumenten seiner Vorgänger, den Juristen die Musik zu angemessenen Gelegneheiten wie Krieg, Hochzeiten, Id-Feiern usw. erlaubten.

Er folgt diesen mit Empfehlungen des bekannten Hanafi-Gelehrten Schaich Abdul Ghani al Nabulusi (1641 – 1731). Der Autor argumentiert, dass nahezu jedes Verbot (tahrim) von Musik in der Hadith –Literatur im Zusammenhang mit der Erwähnung von Alkohol, Tänzerinnen, Ausschweifungen oder Ehebruch stehen.

Z.B. sagte der Prophet (sas) nach Buhkari: „ In meiner Ummah werden jene sein, die Ehebruch, Seide (für Männer), Wein und mazif (Musikinstrumente) erlauben.“

Beide – Shaltut und Nabulusi gehen davon aus, dass sich das Verbot auf den Kontext bezieht und die Verbindungen der Musik mit diesen Verbotenen Dingen meint und nicht eine Reaktion gegen die Musik als solches ist.

Der Prophet und viele der ersten Muslime hörten tatsächlich musik und waren anwesend bei harmlosen Aufführungen: Als der Prophet die Hidjra nach Medina machte, begrüßten ihn die Muslime mit einem Lied, während sie die Propheten-Moschee bauten, sangen sie, bei Hochzeiten und Id-Feiern ermunterte der Prophet (sas) zum Singen und Spielen verschiedener Instrumente einschließlich des
Tamburins um der Freude über den Anlass Ausdruck zu verleihen.
Sogar die Ayat 6 in Sura Luqman sagt: „Aber unter ihnen gibt es Leute, die unnützes Gerede führen, ohne Wissen, um Allahs zu spotten und irre zu leiten. Solchen wird schändliche Strafe.“
Ibn Masud und Ibn Abbas bemerkten, unnützes Gerede – womit Gesang gemeint sein soll –
Kann nicht alle Arten von Musik bedeuten, da sie und der Prophet (sas) sich an Musik erfreuten – wie bereits ausgeführt wurde.

Vierter und letzter Punkt in Shaltuts Fatwa über Musik wiederholt ein koranisches Argument das auch von früheren Befürwortern des Musikgebrauchs angeführt wurde.
In diesem fall warnen die Juristen vor leichtfertigem Verbot von dem, was Allah nicht verboten hat. Es gibt weder einen akzeptablen Hadith, noch eine koranische Ayat, die Musik kategorisch verboten würde – unabhängig vom Zusammenhang.

Auch die wenigen schwachen Ahadith zu diesem Thema können nicht alleine dazu herangezogen werden, um ein Gesetz zu erlassen!

Solch falsche Bestimmungen verurteilt Shaltut als Verleumdung gegen die in Sura 7, Ayat 32 – 33 geschrieben ist. „Sprich: wer hat denn die schönen Dinge verboten, die Allah für Seine Diener geschaffen hat, und die guten Speisen? Sprich: sie sind für die gläubigen im irdischen Leben, ausschließlich aber (für sie) vom Tag der Auferstehung an. So machen wir den Verständigen die Zeichen klar.“
Shaltut fass zusammen, dass generell Musik zu erlauben sei, das Verbot bezieht sich auf die Gelegenheit – Eine Ausnahme ist begründet bei unschicklichem Gebrauch.

Auszug aus einer Forschungsarbeit von Dr. Lois Lamya al-Faruqi (1926 – 1986), die Frau von Prof. Isma’il Raghib al-Faruqi, der ein großer Islam-Gelehrter und Autor war.
Geschrieben von Arshad Zaman im englischsprachigen Muslim-Magazin Trends



Wenn nicht Meinung gegen Meinung offen gesagt wird läßt sich die bessere nicht herausfinden.

Je dis ce que je pense et je fais ce que je dis.