...Sie wollen selbstständig sein und ihren Freund und Ehepartner selbst wählen. Sie wollen einen Mann aus Europa, es scheint für sie der goldene Westen. Die Familie wird nicht mehr gefragt...
Oho! So einfach ist das beileibe nicht. "Die" Tunesierin will sicherlich nicht selbständig sein - und selbst wenn sie es wollte, dann darf man bezweifeln, daß sie es ohne weiteres auch sein könnte, denn die Erziehung steht dem, zumindest noch, entgegen. Die Wahl ihres Ehepartners bzw. Freundes würde sie zwar gerne selbst treffen, doch andererseits wird sie so gut wie nie den Rat der Familie ausschlagen oder ignorieren.
Ob Europa "golden" ist, oder nicht, das ist zweitrangig, die Frauen, mit denen ich über das Thema zwischenstaatliche Freundschaften gesprochen habe, und das sind mittlerweile einige, stehen einem übersiedeln nach Europa sogar eher zweifelnd gegenüber und würden lieber in Tunesien leben (was bei der Erziehung der Mädchen zur Familiennähe zum einen und dem für Frauen viel massiveren Anpassungsdruck auch naheliegend ist). Mehr als der Wunsch, nach Europa zu gehen, ist das bereits eingangs angeführte Argument "tranquil, gentil, fidel, responsible" maßgeblich. Zudem ist den meisten Frauen auch die genaue finanzielle Leistungskraft ihres Ehemannes egal, denn sie erwarten in jedem Falle die Erfüllung gewisser Grundvoraussetzungen, und ob es am Ende dann in der Familie ein oder zwei Autos, oder 2 oder 4 Fernseher gibt, ist ein Nebenschauplatz.
Was die Familie betrifft, so setzt sich hier immer mehr die Idee durch, daß die Chance, nach Europa zu gehen, eine "große, vielleicht einmalige Chance" darstellt, und dieses Thema wird durchaus tiefgründig und ernsthaft abgewogen, wobei der Haupt-Problempunkt nicht einmal die Entfernung oder die unbekannte Sprache/Umgebung sind, sondern erwartungsgemäß die Religion des Ehemannes, die weit überwiegend als muslimisch vorausgesetzt bzw. verlangt wird ... zumindest von den Eltern, die Frauen sind da schon (ebenfalls erwartungsgemnäß) liberaler, weil diejenigen, die überhaupt nach Europäern schauen, nach meiner Erfahrung ohnehin von der Religion weiter entfernt sind, als die Männer und sich sogar teilweise kritisch mit Ungereimtheiten auseinandersetzen.
Der Haupt-Problempunkt aus EUROPÄISCHER Sicht ist allerdings ein ganz anderer, nämlich der, daß "die" tunesische Frau grundsätzlich erst einmal quasi eheunfähig für einen Europäer ist, und das in vielerlei Hinsicht - darauf möchte ich allerdings in diesem Thema nicht eingehen, weil es sehr weit führen würde. Im Unterschied zu einem Manne, der sich eher (wenn vielleicht auch nicht unbedingt im Sinne der europäischen Frau) einleben würde, muß eine Frau vorher eingehend und in langen Gesprächen "vorbereitet" werden - und selbst dann ist es noch sehr fraglich, ob sie die völlig andere europäische Lebensweise und Stellung der Frau wirklich verstehen würde. In jedem Falle ist es für eine tunesische Frau ein weit größerer Schritt, mit einem Europäer zusammenzusein, als für einen tunesischen Mann mit einer Europäerin - und von da her wird man in naher Zukunft auch sicherlich keine "Mengen" an Frauen sehen, die diesen Wunsch zur Realität machen, so sehr sie es wollen.