Ich habe Eure Beiträge sehr aufmerksam gelesen. Es ist sehr schade, dass die Beiträge so stark polarisieren. Entweder schwarz oder weiß. Aber oft liegt die Wahrheit auch in der Mitte. Ein anderer Mensch kann das, was zwischen zwei Menschen passiert, ohnehin nicht beurteilen.
Es ist also müßig, darüber zu sinnieren, ob die Beziehung eines 18jährigen Mädchens zu einem tunesischen Mann grundsätzlich scheitern muss. Das kann ihr mit einem deutschen Landsmann genauso passieren. Nur in dieser Konstellation fällt es besonders auf, weil ohne Heirat kein wirkliches Zusammenleben möglich ist, man also sehr weitreichende Entscheidungen treffen muss.
Man sollte eine Beziehung immer als einen Lebensabschnitt betrachten. Wenn man Glück hat, dauert dieser Abschnitt vielleicht das ganze Leben. Wenn nicht, hat man Schönes und weniger Schönes erlebt, sich aber weiterentwickelt. Wenn man die Beziehung zu einem Menschen, den man liebt aus lauter Vorsicht nicht lebt, wird man immer das Gefühl haben, dass man etwas verpasst hat. Also, versuchen mit einer gewissen Portion Realismus und Vorsicht (insbesondere was finanzielle Dinge betrifft).
Ich kann alle Seiten gut nachvollziehen. Ich reise schon sehr viele Jahre nach Tunesien, habe gute Freunde dort. Die tunesische Mentalität ist mir sehr bewusst. Ich sehe viele Dinge hinter den Kulissen, die der „Normaltourist“ nicht sieht. Ich habe viel Schönes erlebt und ich bin immer glücklich, wenn ich aus dem Flugzeug steige und der warme Wind meine Haut streichelt. Es ist immer ein Gefühl, als wenn ich nach Hause komme. Anders kann ich es nicht erklären.
Ich möchte Euch jetzt meine Geschichte erzählen, die sich über einige Jahre hingezogen hat:
Ich habe mit meinem damaligen langjährigen europäischen Partner eine Reise nach Tunesien gemacht, weil wir dringend Urlaub brauchten. In diesem Urlaub haben wir einen tunesischen Mann kennengelernt, in den ich mich verliebt habe. (Das beruhte auf Gegenseitigkeit.)
Ich habe versucht, diese Beziehung auf freundschaftlicher Ebene zu pflegen. Mein Herz hatte längst ja gesagt, aber mein Kopf sagte: nein. Ich wollte mir das nicht eingestehen.
Am besten drückt das ein Gedicht von Erich Fried aus:
Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Er hat meinem Partner in einem Telefonat gesagt, dass er nicht um mich kämpft, weil ich selbst die Entscheidung treffen muss, wie, ob und mit wem ich meinen Lebensweg weitergehen möchte. Er war rückbetrachtet viel klüger als wir alle, auch wenn es für ihn sehr viel Kraft und Leid bedeutet hat.
Ich habe mich damals entschieden, bei meinem Partner zu bleiben. Warum?
Aus Vorurteilen heraus, die auch durch die Forumsbeiträge,
- durch die ich mich mit Gier eine Woche lang gelesen hatte,
- durch eigene Beobachtungen/ Erfahrungen und eigene vor Jahren aufgestellte Lebensregeln (keine Beziehung zu einem moslemischen Mann), zementiert wurden,
- weil ich meinen Partner auch geliebt habe, weil wir uns so lange kannten,
- weil es einfach richtig und realistisch erschien,
weil, weil, weil….
Unsere Freundschaft blieb bestehen durch Telefonate, Treffen im Café, wenn ich in Tunesien war. Aber es war immer mit Traurigkeit behaftet. Ich habe auch versucht, diesen Kontakt zu beenden, aber das gelang uns nicht. Ich hatte immer unterschwellig das Gefühl, dass das Leben noch etwas mit uns vorhat. Wir brauchten uns.
In der Zwischenzeit habe ich zwei Kinder bekommen, meinen Partner geheiratet, sein Geschäft neben eigener Berufstätigkeit mit aufgebaut. Es war eine sehr schöne, schwere und intensive Zeit.
Dann passierte, was ich schon unterschwellig im Gefühl hatte: Mein Mann ließ sich von einer gemeinsamen Bekannten klarmachen, wie unglücklich er doch mit mir sei. Wir hatten ein halbes Jahr vorher geheiratet. Jetzt, wo wir ein schönes Leben als Familie hätten beginnen können, von den Früchten all der Arbeit profitieren können, hat er mich und die Kinder im Stich gelassen, um sich dieser Frau zu widmen. Viele Dinge, die mit mir nicht machbar waren, gingen mit einem Mal.
Ich habe sehr gelitten. Mein Wertesystem ist zerbrochen. Freundschaft, Liebe, Vertrauen, Respekt was war das? Es war eine sehr grenzwertige Erfahrung, die bis an die Grenzen meiner Belastbarkeit ging. Ich habe über 20 kg Gewicht verloren.
Mein tunesischer Freund hat mich ohne Fragen aufgefangen in Telefonaten, per sms, als wir wiedergesehen haben. Ich habe ihm weinend gesagt, dass mein Mann mich hässlich gemacht hat. Er hat sich das eine Weile angehört, dann ein Machtwort gesprochen: „Ich möchte das nie wieder von Dir hören! Das bist Du nicht, das weißt Du auch. Ich möchte, dass Du dein Nase immer hoch ist, das Du immer chic bist. Ich möchte, dass er irgendwann begreift, was er an Dir verloren hat!“
Wir betrachten diese Zeit als Prüfung für uns beide. Er weiß um meine Bedenken und Skepsis, dass Herz und Kopf immer noch Ihre Ringkämpfe abhalten. Mittlerweile träumen wir von einer gemeinsamen Zukunft, die wir nach meiner Scheidung auch in die Tat umsetzen werden. Wir sprechen offen über alle Dinge. So kann man auch kulturell bedingte Missverständnisse ausräumen. Manchmal sind es ganz simple Dinge, die sich aus der unterschiedlichen Erziehung, unterschiedlichen Erfahrungen ergeben.
Was ist die Lehre aus dieser Geschichte? Der Kopf ist nicht immer der beste Ratgeber. Manchmal ist auf das Herz und die eigene Intuition mehr Verlass. Natürlich habe ich auch nach dieser langen Zeit nicht die Gewähr, dass es gut geht. Aber wir haben uns unsere Liebe hart erkämpfen müssen und mussten beide, jeder für sich, durch die Hölle. Aber wir sind daraus gestärkt hervorgegangen. Mittlerweile kennt er auch meine Kinder. Sie haben ihn schnell ins Herz geschlossen.
Egal, wie es ausgeht, aber man sollte seinen Lebensweg einfach gehen. Auch wenn manche Frauen schlechte Erfahrungen machen mussten. Es gibt doch auch Schönes, was man erfahren hat. Insbesondere, wenn Kinder geboren wurden. Diese sind etwas sehr Kostbares. Ein Geschenk, dass aus der Beziehung entstanden ist. Wenn ihr Euren Kindern ins Gesicht seht, Ihr Lachen, war die Beziehung dann ein Fehler? Sie sind einzigartig und mit einem anderen Partner nicht entstanden. Diese Erkenntnis hat mir sehr geholfen.
Ich denke, dass es auch immer die Art und Weise ist, mit welcher Lebenseinstellung man Krisen bewältigt. Man kann kapitulieren und sich in Selbstmitleid und Hass ergehen (ist auch im Trennungsprozess eine Weile legitim, um zu verarbeiten) oder man nimmt das Ganze als eine Erfahrung, an der man wächst.
Das Glas ist halbvoll oder halbleer, je nach Einstellung des Betrachters.
Ich habe mich für halbvoll entschieden.
Ich denke ein sehr positives Beispiel ist Martha. Sie hat das sehr eindrucksvoll in ihrem Buch beschrieben. Sie hat aus jeder Situation etwas Positives gezogen.
Ich wünsche Tunishabibi sehr viel Glück, Liebe und eine schönen Lebensabschnitt, wie lange er auch immer dauern mag, vielleicht ein Leben lang. Sie hat für sich persönlich die richtige Entscheidung getroffen: sie lebt ihren Traum mit allen Konsequenzen.
Liebe Grüße
Sonja