...Ein Tunesier, der etwas von seiner Kultur und seiner Religion hält, wird nicht stumm zusehen wie seine Frau, Schweinefleisch isst, Alkohol konsumiert, knappe Kleidung anzieht etc. etc. Er wird versuchen das GEspräch zu suchen, zu erklären warum er das nicht so möchte etc...
Was mich an der Diskussion stört, ist, daß "Tunesier" und "Moslems" hier als Synonym betrachtet werden, doch es ist nicht so, daß jeder Moslem ein Tunesier ist, und noch nicht einmal, daß jeder Tunesier ein Moslem ist - und zwar tatsächlich. Hinzu kommen dann noch die, die sagen, "wir glauben", doch wir sind "nicht religiös" (glauben an Allah, doch halten weniger vom Koran) - und davon habe ich, Männer wie Frauen, einige persönlich kennengelernt.
Es ist daher ein Irrtum, zu glauben, daß die Eigenschaften "Tunesier" und "Moslem" ZWANGSLÄUFIG Hand in Hand gehen, vielleicht nach unserem Verständnis, doch das ist ebenso falsch, wie die Überzeugung vieler Tunesier, daß "deutsch" und "rassistisch" und "Frau alleine" und "Schlampe" dasselbe sind.
Wäre der Klapperstorch damals nur ein paar Kilometer weitergeflogen, dann wäre der Mensch kein Tunesier, sondern ein Algerier, Libyer, Italiener, Spanier, Franzose oder Nigerianer geworden, gnaz zu schweigen von sich ändernden Grenzen oder wechselnden Besatzern - insofern ist die Staatszugehörigkeit ein eher beliebiges Merkmal, das mehr oder weniger auf Zufall beruht und keine genetische Prädisposition darstellt. Gleichfalls fhelt mir noch immer der letzte Beweis, daß unverzüglich nach der Geburt eines Kindes auf seiner Stirn der Halbmond neben einem grünen Schirftzug "Moslem" aufblinkt - ich hätte das gerne verifiziert, doch man ließ mich leider nicht in den Kreißsaal hinein...
Also, sagen wir es so - ein Mnesch ist ein Mensch, durch seine Geburt hat er keinerlei tatsächlich, sondern nur eine formale bzw. von ANDEREN hineinprojizierte Zugehörigkeit zu Land und Glauben, und das heißt wiederum, daß ein Mensch niemals per se "so" ist,sondern als "so" gemacht wird, und zwar stets von anderen - und daraus folgt wiederum, daß jeder Mensch, weil er ja eben nicht prädisponiert ist, in seinem Leben auch beliebige Überzeugungen und Glauben zu Kultur und Religion annehmen kann.
Aus dem gesagten ergibt sich, daß ein Mensch von außen, also von anderen, zu etwas gemacht werden kann, und wenn dies also bereits in einer bestimmten Weise erfolgt ist, steht dem nichts entgegen, daß andere ANDERE ihn zu etwas anderem überzeugen oder glauben machen können.
Weshalb also der übereifrige Respekt (den im übrigen viele andere Länder oder Religionen konsequenterweise auch nicht kennen)? Sollte sich die Eifrigkeit nicht vielmehr darin äußern, eine Änderung zu bewirken (die je nicht etwa eine Änderung gegen Naturgesetze, sondern lediglich eine Beeinflussung gegenüber einer anderen Beeinflussung darstellt, so etwa wie man, wenn man älter wird, den Glauben an den Osterhasen, oder den Glauben an Gerechtigkeit und Gleichheit ersetzt...)?
Genau dieses "Wissen" um die Beliebigkeit von Glauben stellt nicht nur die Grundlage des Bestrebens von Callcentern oder der Politik dar, sondern eben auch der von Religionen und "Kulturen", die ständig von ihrem Sendungs- und Kolonisationsbewußtsein getrieben sind.
Und ist es nicht so, daß "Toleranz" gegenüber einem faktischen und definitiven Zustand, wie beispielsweise einer körperlichen Behinderung oder dem Geschlecht einer Person einen völlig anderen Gehalt hat, als die "Toleranz" gegenüber unsinnigen, absurden oder substanzlosen Überzeugungen? Mehr noch - wo endet die Akzeptanz und wo beginnt, ja muß sogar beginnen, die Verpflichtung zum Widerstand gegen Irrglauben und vernunftlosem Handeln?
Solange eine Seite die andere mit "Toleranz" und Entgegenkommen behandelt, und die andere diese "Toleranz" beständig einfordert und aus dem Erfolg daraus sogar lernt, daß die eigene Seite die bessere ist, weil die anderen nämlich nicht um die ihre kämpft - solange werden auch wir fortfahren, von "den" Tunesiern, Deutschen, Christen und Moslems zu reden, als ob diese Begriffe eine in Stein gemeißelte und naturgesetzmäßige Unterscheidung darstellen würden, und solange werden wir diese Bretter vor dem Kopf nicht durchstoßen können, um zu dem MENSCHEN dahinter zu gelangen - und uns mit ihm ohne Vorbedingungen auf derselben Ebene zu treffen und mit ihm zu interagieren.
Und noch ein letzter Anstoß zum Nachdenken: ebenso, wie ein Deutscher einen Ausländer als "Exoten" behandelt, und, sobald jener nicht in Massen auftritt, mit großer Toleranz zu behandeln bereit ist, ebenso trifft dies auch auf den Tunesier zu. Anders wird das nur dadurch und sobald sich jemand DAUERHAFT in der jeweiligen Gesellschaft aufhalten WILL und zu einem Teil dieser Gesellschaft werden WILL. Dann nämlich verlangt nicht nur der Deutsche, sondern auch der Tunesier die Integration in die Gesellschaft und die Bejahung der Prinzipien und Grundlagen der Gesellschaft - nicht anders, als wie es auch jeder beliebige Club und Verein tun würde, denn allen ist es gemein, daß nur die gemeinsamen Anstrengungen mit den gleichen Ideen zu dem von dieser Gemeinschaft gewünschten Erfolg führen werden. Darin spiegelt sich dann auch der Unterschied zwischen dem "Mitglied" und dem "Gast" wieder, denn dem letzteren bringt man die Toleranz entgegen, abweichend zu denken, glauben und sich zu verhalten, während dies bei einem Mitglied den Erfolg des gemeinschaftlichen Handelns, und in aller Konsequenz dann das Erreichen des gemeinsamen Zieles in Frage stellt.