Geld für Kinder - Die verkaufte Geburt einer zwölfjährigen Mutter

Baby auf der Entbindungs-Station

Es war das Boulevardthema der vergangenen Wochen: Patricia aus Hamburg, schwanger mit elf, Mutter mit zwölf. Tagelang füllten ihre Fotos die Titelseiten. Im Fernsehen gab der Vater - ebenfalls im Teenageralter - bereitwillig Interviews. Reporter versuchten mit allen Mitteln, an Informationen zu kommen, klingelten bei Freunden, Bekannten und Nachbarn. Und jetzt der Verdacht, dass die Großeltern die Geschichte für eine nicht bekannte Summe offenbar an Stern TV verkauft hatten. Der Auslöser für eine neue Wertedebatte und die Diskussion um Teenagerschwangerschaften. Eine jugendliche Mutter und das große Geld - Zapp mit dem Protokoll einer verkauften Geburt.

"Schwanger mit 11, Baby mit 12" ("Bild") - es ist "die" Geschichte, nicht nur für die Titelseiten des Boulevards. Geschrieben und gesendet wurde überall.

* Hamburg Journal: "... wurde eine Zwölfjährige Mutter..."
* Brisant: "...und dabei ist sie selbst noch ein Kind..."
* RTL Explosiv: "Schwanger mit elf - Mutter mit zwölf"
* RTL aktuell: "Wenn Kinder Kinder bekommen - was muss dann geschehen?"

Es geht um Kinder und Moral. Und um viel Geld für eine verkaufte Geburt.
Skrupellose Reporter

Hamburg Bramfeld. Hier wohnt die zwölfjährige Mutter. Schon wenige Stunden nach der Geburt sind die Journalisten da, klingeln überall. Reporter: "Hier ist etwas Wunderbares passiert heute Nacht, worüber wir unbedingt reden müssen." (Filmmaterial: "TVR News Network") Nach der ahnungslosen Nachbarin endlich die richtige Klingel. Nachbarin: "Ja, bitte?" Reporter: " Ja, Voss von der Fernsehfabrik, wir sind vom Fernsehen. Wir würden gerne mal mit ihnen sprechen." Nachbarin: "Nein, danke". (Filmmaterial: "Die Fernsehfabrik") Die Absage: Klar und deutlich. Dennoch ein weiterer Versuch lohnt immer. Diesmal direkt an der Wohnungstür.
Geld öffnet die Türen

Die, die draußen bleiben müssen, wissen bald, dass andere schon längst drinnen sind. Matthias Onken, "Hamburger Morgenpost": "Es war wohl so, dass eine Zeitung, eine größere Zeitung, Zugang bekam in die Wohnung der Mutter - in dem Fall der Großmutter - und über die Exklusivität verhandelte." Es war die "Bild", die erfolgreich verhandelt hatte. Schon am nächsten Tag deshalb das Kinderzimmer im Blatt. Ganz exklusiv - nicht nur dieser Einblick. Matthias Onken: "In der Folge war es dann so, dass die Großmutter, die Mutter des Mädchens, die Wohnung verließ, verschleiert, kaum zu erkennen. Das Ganze in Begleitung eines Reporters, die sich dann zu einem Auto begaben, was dann zum Krankenhaus gefahren ist."
Jagd nach Bildern in der Klinik

Und auch hier, im Hamburger Marienkrankenhaus, die Jagd nach Informationen über die zwölfjährige Mutter und ihr Kind. Petra Perleberg, Sprecherin Marienkrankenhaus Hamburg: "Ich würde mal sagen, das ging dann auch so ab elf, halb zwölf, waren dann doch etliche Pressevertreter da sowohl von den Printmedien als auch vom Fernsehen." Diana Zinkler, "Hamburger Abendblatt": "Ein Team ist mit einem Blumenstrauß 'reingegangen und andere haben es halt so versucht. Und der Fahrstuhl war immer mal so in reger Benutzung. Immer, wenn man Leute hat so einzeln durchs Haus tigern sehen, die nicht ganz so wussten, wo sie eigentlich hin wollen, dann wusste man eigentlich, dass es ein Kollege ist." Petra Perleberg: "Einige Medienvertreter sind wirklich auf die Station vorgedrungen und haben versucht, in das Zimmer zu kommen, haben ihre entsprechenden Medienutensilien, Kamera et cetera versteckt. Und das, denke ich, ist nicht die richtige Vorgehensweise."

Das Krankenhaus will die Situation entschärfen, organisiert deshalb eine Pressekonferenz mit den Eltern. Petra Perleberg: "Wir als Krankenhaus haben angeboten, dass wir eine Pressekonferenz abhalten mit bestimmten Daten, Fakten, die wir vorher untereinander vereinbaren, so dass wir einen gewissen Raum an Informationen herausgeben, mit denen auch gearbeitet werden kann, aber ganz deutlich dahinter eben der Schutz der Zwölfjährigen und des Babys stand."
Großeltern machen mit

Der Auftritt der Eltern, die über Nacht plötzlich zu Großeltern wurden. Sie geben sich ahnungslos, wollen von der Schwangerschaft nichts bemerkt haben. Mutter von Patricia: "Wenn sie jetzt keinen richtigen Bauch bekommen hat und jeden Monat regelmäßig Blutungen, also ihre Tage, und der Test negativ - da habe ich auch gedacht: Dann hat sie nur zugenommen." Vater von Patricia: "Wir hatten Vermutungen, daraufhin haben wir Tests durchgeführt. Die Tests haben allerdings alle nichts ergeben, unsere Tochter hatte ihre Tage gehabt ganz normal bis zum Ende."

Angeblich nichts geahnt, aber dafür scheinen sie gut informiert über die Vermarktungschancen ihrer Geschichte. Diana Zinkler: "Ich dachte, die Eltern gehen sofort raus nach der Pressekonferenz, zusammen mit dem Chefarzt, der sie auch begleitet hatte. Und das haben sie aber nicht gemacht. Der Vater hat noch rumgestanden, und wer gefragt hat, hat seine Handynummer bekommen: Und natürlich ist das eine Situation, wo man denkt: 'Ich kriege hier noch mehr Informationen', sprich: da geht noch was - mehr als in der Pressekonferenz."

Journalisten, die mehr wissen wollen, erfahren bald, was die Beteiligten zum Reden bringt: Geld, viel Geld. Matthias Onken: "Es ist wohl in der Tat so, dass die Summen in die Höhe schnellen, ins Astronomische abdriften, wo es für uns auch außerhalb jeder Diskussion steht, sich an solchen Pokerspielen dann zu beteiligen." Andere pokern mit, engagieren auch Verwandte der Familie zur Bilderbeschaffung im Krankenhaus. Petra Perleberg: "Also in dem betreffenden Fall ist Verwandtschaft auf die Station gekommen, hat mit einer Kamera gefilmt, Patricia gefilmt, das Baby gefilmt und Mitarbeiter, die auf dem Flur und in der Betreuung tätig waren und haben gesagt, der Film diene ausschließlich der Dokumentation für familiäre, persönliche Zwecke. Und da kann man sicherlich verstehen, dass Mitarbeiter erbost sind, wenn sie sich nachher in den entsprechenden Medien auf der Mattscheibe wiedersehen."

RTL Explosiv: Schon am Tag nach der Geburt die ersten Bilder. Explosiv (RTL), 2.03.2006: "Müde und erschöpft wirkt Patricia vor zwei Stunden im Krankenhaus." Dieses "exklusive" Amateurvideo hatte ein Onkel gedreht. Boulevardjournalismus - ganz unten. Wie viel Geld für die Ausstrahlung gezahlt wurde, darüber will mit Zapp keiner reden. Matthias Onken: "Das hatte in diesem konkreten Fall schon einen sehr eigenartigen Beigeschmack: Das eigene Kind wenige Stunden nach der Geburt des Kindes dort an die Medien zu verkaufen."
Rummel geht weiter

Verkauft wurde auch an "stern tv". Deshalb war es hier letzte Woche das Aufmacherthema. Doch Moderator Günther Jauch blieb zunächst eher allgemein: "Schwanger mit elf, Baby mit zwölf". Eigentlich wollte Jauch die zwölfjährige Mutter im Studio präsentieren. Doch das Hamburger Jugendamt intervenierte. So erschien im Studio eine andere junge Mutter. Patricia aus Hamburg musste draußen bleiben. Günther Jauch, "stern tv" (8.03.2006): "Ich weiß, dass Patricia, die Zwölfjährige, uns jetzt zuschaut." Gegenüber Zapp begründete "stern tv" das Nichterscheinen von Patricia so: "Wir (...) haben auf journalistische Schnellschüsse verzichtet." Dass Geld geflossen ist, bestreitet "stern tv" nicht. Allerdings hätten die Eltern auch aus anderen Gründen ihre Geschichte verkauft. "Ausschlaggebend war die Gewissheit, dass die eigene Geschichte seriös und ernsthaft dargestellt wird." Seriös und ernsthaft? Oftmals ganz sicher auch eine Frage des Geldes. Sicher auch: Hier in dieser Sendung demnächst mehr über die angestrebte "Langzeitbeobachtung" der jüngsten Mutter Deutschlands. Vorher aber - ganz exklusiv natürlich - neuer Stoff für den Boulevard. In der heutigen "Bild". Intimes, ganz reißerisch. Ein Kind mit seinem Baby - degradiert zur simplen Ware im hart umkämpften Mediengeschäft.
http://www3.ndr.de/ndrtv_pages_std/0,3147,OID2401068_REF2488,00.html
von 2006

Ist das nicht viel schlimmer? Noch mit dem baby Geld verdienen? Man kann nur noch mit dem Kopf schütteln und dies wird noch von Großeltern usw. getragen und gefördert.