Regierung prüft Ersatzforderung gegen Osthoff
Auf die im Irak freigelassene Archäologin Susanne Osthoff kommen möglicherweise Ersatzforderungen der Bundesregierung zu. Zwar sei man im Auswärtigen Amt zunächst nur froh über den glimpflichen Ausgang der Entführung. Man werde aber prüfen, ob Osthoff die Kosten für ihre Rettung erstatten muss.
Die im Irak entführte Deutsche Susanne Osthoff ist frei" Wir entscheiden im Einzelfall, ob irgendwelche Kosten erstattet werden müssen", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts FTD-Online. Nach dem Konsulargesetz ist der Empfänger konsularischer Hilfe zum Ersatz verpflichtet. Es liegt allerdings im Ermessen des Auswärtigen Amts, ob die Kosten geltend gemacht werden.
Schon im Fall Wallert, einer im Jahr 2000 auf den Philippinen entführten deutschen Familie, forderte die Bundesregierung insgesamt 12.887 Mark unter anderem für Renate Wallerts Krankenrückflug, Ausgaben für den Kauf und Transport von Lebensmitteln, Medikamenten und Kleidung.
Bundespräsident dankt dem Krisenstab
Bundespräsident Horst Köhler zeigte sich erleichtert und erfreut über die Freilassung Osthoffs. Er dankte am Montag in Berlin allen an der Freilassung Beteiligten, insbesondere dem Krisenstab des Auswärtigen Amts und den Mitarbeitern der deutschen Botschaft in Bagdad. Der Bundespräsident würdigte auch alle Bürger, die ihre Solidarität mit Osthoff bekundet hatten. Insbesondere das Engagement muslimischer Bürger sei "ein wertvolles Zeichen" gewesen. Aus dem Zentralrat der Muslime in Deutschland hieß es: "Möge Gott unser Land, die deutsche Bevölkerung und die gesamte Welt vor ähnlichen verbrecherischen Handlungen in Zukunft bewahren."
Nach 23 Tagen in der Gewalt irakischer Kidnapper kommt Susanne Osthoff zunächst nicht nach Deutschland. Im Ausland will die Archäologin zunächst einige Tage in Ruhe mit ihrer Tochter verbringen. Sie werde den Irak "in allernächster Zukunft" verlassen, sagte Außenamtssprecher Martin Jäger am Montag in Berlin. Sie wünsche aber vorerst keinen Kontakt mit der Öffentlichkeit und werde deshalb "vermutlich zunächst nicht nach Deutschland zurückkehren". Die 43-Jährige befinde sich nach wie vor in "sicherer Obhut" in der deutschen Botschaft in Bagdad, sagte der Sprecher weiter.
Das Schicksal des Fahrers der deutschen Archäologin blieb zunächst ungewiss. "Die Entführer haben zugesichert, den Fahrer auf freien Fuß zu setzen", bekräftigte Jäger zwar, fügte aber hinzu: "Er hat sich bislang aber bei der deutschen Botschaft nicht gemeldet."
Bundeskanzlerin erleichert
Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich erleichtert über Osthoffs Freilassung, wie Regierungssprecher Thomas Steg sagte. Die Kanzlerin habe die hochprofessionelle Arbeit des Krisenstabs im Auswärtigen Amt und seines Leiters, Staatssekretär Klaus Scharioth, ausdrücklich gelobt. Das Krisenmanagement der Bundesregierung wurde auch von CSU-Chef Edmund Stoiber, sowie den Vorsitzenden von FDP und Grünen, Guido Westerwelle und Claudia Roth gelobt.
Zu den Hintergründen der Entführung und der Freilassung wollte sich die Regierung nicht äußern. Das sei "im Interesse aller derjenigen, die geholfen haben, das Problem zu lösen", sagte Innenminister Wolfgang Schäuble. Außenamts-Sprecher Jäger sagte lediglich: "Sowohl die Bundesregierung als auch die deutsche Botschaft hatten etwas mit dieser Freilassung zu tun."
Umstände der Freilassung rätselhaft
Unklar ist weiterhin, ob Lösegeld für die Freilassung von Osthoff bezahlt wurde. Auch das Motiv und die Identität der Täter sind unbekannt. Die Entführer hatten gefordert, dass Deutschland seine Zusammenarbeit mit dem Irak abbricht. Der Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte, dass keine Einzelheiten zu dem Fall bekannt gegeben werden. Dies sei bereits früher bei ähnlichen Fällen so gewesen und werde auch diesmal so sein. Osthoff selbst wolle sich ebenfalls nicht äußern.
Bei der Freilassung könnte Experten zufolge Geld eine Rolle gespielt haben. "Eigentlich zahlen alle, die Geiseln frei bekommen haben, Lösegelder", sagte der Nahostexperte Peter Scholl-Latour am Montag der Nachrichtenagentur AP. Das Geld könne zum Beispiel über karitative Organisationen im Irak gezahlt worden sein. "Es muss irgendein Deal stattgefunden haben", sagte der Terrorismus-Experte Rolf Tophoven.
Die Bundesregierung hatte am Sonntagabend mitgeteilt, dass die vor gut drei Wochen im Irak entführte Archäologin wieder frei sei. Auch ihr Fahrer, der damals ebenfalls entführt wurde, ist inzwischen auf freiem Fuß. Allerdings herrscht Unklarkeit über seinen Aufenthaltsort und seinen körperlichen Zustand. Nach Informationen der "Bild"-Zeitung wurde Osthoff zuletzt in Bagdad festgehalten. Außenminister Steinmeier gab an, Osthoff sei in körperlich guter Verfassung und "in sicherer Obhut der deutschen Botschaft in Bagdad".
Familie hat noch keinen Kontakt
Die Familie der Entführten äußerte sich erleichtert über das Ende der Geiselnahme, hat aber nach eigenen Angaben noch keinen Kontakt zu Susanne Osthoff. "Wir haben noch nicht mit Susanne telefoniert", sagte ihr Bruder Robert Osthoff. Osthoffs Mutter, Ingrid Hala, sagte, sie erwarte vor dem Abend keine weiteren Nachrichten von ihrer Tochter. Sie hatte am Sonntagabend kurz nach 20 Uhr von einer Journalistin von der Freilassung Osthoffs erfahren. Kurz danach hatte sich auch das Bundeskriminalamt bei ihr gemeldet. "Ich habe es zunächst nicht für ganz bare Münze genommen. Das ist nicht zu toppen", sagte die 66-Jährige. Sie hoffe, dass bald ein Treffen mit ihrer Tochter möglich sei, die sie seit fünf Jahren nicht mehr gesehen hat.
19. Dezember 2005, 16:56 Uhr