-A-G - Newsletter (Politik) Nr. 9 / 2003
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02. Juli 2003

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Inhalt
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0. Vorwort

1. Prof. Lewan über die Medien und Möllemanns "Hinrichtung"

2. Uri Avnery und das Israelo-Arabische Friedenscorps

3. Alfred Grosser und die "Pressefreiheit" des Exprès

4. Israels Appartheidsmauer

5. Gideon Levy in Haaretz über die "faire" Friedensinitiative Roadmap

6. Terrorgefängnisse der israelischen Besatzer

7. Daily Star kommentiert Israels Besatzungspolitik

8. Buchempfehlung

9. In eigener Sache

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0.

Westerwelle, Gerhard und Kollegen mussten sich nach dem tragischen Tod von Jürgen Möllemann den Vorwurf gefallen lassen, mit ihren Äußerungen die Ereignisse mitverschuldet zu haben. Statt des bequemen Alleinschuldigen Möllemann am Wahldesaster der FDP fanden sie sich auf einmal auf der Anklagebank. Doch auch andere, die sich öffentlichkeitswirksam in den Strom der Kritiker einreihten, trugen zum Psychoterror gegen Möllemann bei. A.S.

(Übrigens: der Tugendwächter der Nation bzw. der selbsternannte telegene Vertreter der Anklage erlebt z.Zt. sein schlüpfrig verkokstes Waterloo; nachzulesen unter: http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,druck-255449,00.html !!! )

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1.

Professor Dr. Kenneth Lewan erinnert in einem Artikel in der FAZ an diese nahe Vergangenheit :

Auch andere hetzten gegen Möllemann

Im Artikel "Ende eines Überlebenskampfes" (F.A.Z. vom 6. Juni) würdigte
Volker Zastrow Jürgen Möllemanns hervorragende Eigenschaften und
Leistungen wie auch seine Verfehlungen gegenüber anderen in seiner
Partei. Gleichzeitig rügte er die FDP wegen ihrer maßlosen Angriffe,
ihren "Vernichtungskampf" gegen Möllemann. So weit, so sehr gut. In
diesem Zusammenhang ist es angebracht, die Beteiligung anderer an dieser
Bestrebung zu vergegenwärtigen. Zu dieser Zeit war Wahlkampf. Der
palästinensische Aufstand war ausgebrochen, und der erbarmungslose
israelische Zerstörungskampf in den besetzten Gebieten war im Gange. Aus
den Führungskreisen anderer Parteien und dem Zentralrat der Juden begann
eine großangelegte Hetze gegen Möllemann mit dem Antisemitismusvorwurf,
obwohl keine seiner damaligen Äußerungen gegen die israelische Führung
und Michel Friedman Antisemitismus im landläufigen und
wissenschaftlichen Sinn waren. Keine enthielt eine Verallgemeinerung
über "die Juden", das heißt über eine ganze Volks- oder
Glaubensgemeinschaft.

Spiegel, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, warnte in einer Rede
auf dem Parteitag der CDU vor einer Koalition mit der FDP, weil "ein
führendes Mitglied, dessen antijüdische und antisemitische Äußerungen
sattsam bekannt sind", Regierungsverantwortung bekommen könnte, so daß
"Antisemitismus als Teil öffentlicher Politik wieder denkbar und
ermöglicht" würde. Frau Bohley (Grüne) behauptete: "Möllemann ist ein
lumpiger Antisemit." In diesem Sinne äußerten sich drei weitere Grüne,
Außenminister Fischer, Beck und Frau Roth, allerdings ohne den
marktschreierischen Ton von Frau Bohley. Bundeskanzler Schröder
beschuldigte die FDP und damit Möllemann, "mit dem Antisemitismus zu
spielen". So auch Müntefering: Die FDP wolle "antisemitische Stimmungen
in Deutschland für ihren Zweck instrumentalisieren". Die gleichen
Geräusche konnte man aus den Führungskreisen von CDU/CSU vernehmen.
Bernhard Vogel: Möllemann habe "den Juden" die Schuld am Antisemitismus
vorgeworfen. Edmund Stoiber: Die FDP und damit Möllemann "spielen mit
dem Feuer des Antisemitismus aus wahltaktischen Gründen". Sie würden
Ewiggestrige gewinnen wollen.

Eine scharfe Zurückweisung dieser Vorwürfe von einzelnen in der CDU/CSU
und bei der FDP gab es schon, aber es gab keine nennenswerte Anzahl von
Aufmüpfigen in politischen Kreisen.

Professor Dr. Kenneth Lewan,

Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.07.2003, Nr. 149 / Seite 38

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2.

Dass Israelis und Palästinenser nicht auf die ?uneigennützige? Hilfe des großen Bruders Amerika angewiesen sein müssen zeigt die hoffnungsvolle Initiative von Uri Avneri und gleichgesinnten Israelis und Palästinensern in Ramallah. Trotz des Versuchs der israelischen Sicherheitskräfte fand dort die Gründungskonferenz einer Gruppierung statt, die für das künftige Zusammenleben von Israelis und Palästinensern wegweisend sein könnte.

Uri Avnery :

?Ein wichtiges Ereignis fand heute in Ramallah statt. Dreihundert
Persönlichkeiten, die Hälfte von ihnen Palästinenser, die andere Hälfte
Israelis, nahmen an der Gründungskonferenz der ersten völlig
integrierten, gemeinsamen Friedensorganisation teil: die Gemeinsame
Israelisch-Palästinensische Aktionsgruppe für Frieden.?

Im folgenden einige Auszüge aus seiner sehr emotionalen Rede :

?Liebe Freunde,
Wir, Israelis und Palästinenser, Palästinenser und Israelis, kommen
heute zusammen, um etwas völlig Neues zu schaffen: eine gemeinsame
Aktionsgruppe für Frieden.
Es geht nicht um einen Waffenstillstand (arab.: Hudna), nicht um einen
vorläufigen Kompromiss, nicht nur um einen weiteren kleinen Schritt in
einem endlosen Prozess der kleinen Schritte, sondern um einen wirklichen
Frieden, um einen gerechten Frieden, um einen Frieden mit Würde, um
einen Frieden zwischen Gleichberechtigten.

Was wir jetzt zu tun versuchen, ist etwas vollkommen Neues. Wir wollen
nicht noch einen neuen Rahmen für Zusammenarbeit zwischen Feinden
aufbauen, sondern eine vollkommen integrierte Kampfgruppe; nicht eine
israelische Bewegung mit einem palästinensischen Anhängsel; auch nicht
eine palästinensische Bewegung mit einem israelischen Anhängsel. Sondern
eine Organisation, in der wir alle, Israelis genau so wie Palästinenser,
gleichwertige Partner sind, die durch eine gemeinsame Vision eines
freien Palästina und eines freien Israel vereint sind, um zusammen
nebeneinander zu leben. (...)

Als wir den Slogan ?Zwei Staaten für zwei Völker" schufen, meinten wir
nicht Trennung. Ganz sicher verstanden wir darunter nicht zwei Ghettos,
die nebeneinander leben, und jedes von hohen Mauern und elektrischen
Zäunen umgeben. Im Gegenteil - wir verstanden darunter nahe nachbarliche
Beziehungen, Zusammenarbeit, Partnerschaft, offene Grenzen, freie
Bewegung der Menschen.

Um unsere eigenen Völker davon zu überzeugen, dass dies möglich, dass
dies nicht nur ein Traum naiver Peaceniks (Friedenskämpfer) sei, müssen
wir durch unsere täglichen Aktivitäten beweisen, dass wir
zusammenarbeiten und zusammen mit einer Stimme reden können. Es ist eine
Tragödie, dass in all den Jahren - besonders seit Oslo - keine
gemeinsame Friedensorganisation entstanden ist. (...)

Wir treffen uns in finsteren Zeiten. Gezielte Tötungen,
Selbstmordattentate, das Töten von Frauen und Kindern ist zur täglichen
Routine geworden. Auf beiden Seiten leben die Menschen in einem Zustand
der Angst, der Hoffnungslosigkeit und der Apathie. Aber wir haben keinen
Grund, die Hoffnung zu verlieren. Wenn wir auf die Jahrzehnte unseres
Kampfes blicken, sehen wir eine stete Vorwärtsbewegung in Richtung
Frieden. (...)

Vor 30 Jahren, als wir die ersten Kontakte mit der PLO knüpften, wurden
wir als Verräter betrachtet. Heute ist es die offizielle israelische
Politik.

Vor sieben Jahren bei einer gemeinsamen Demonstration vor den Mauern
Jerusalems mit Feisal Husseini - würde er noch leben, säße er hier unter
uns - brachen wir ein israelisches Tabu und erklärten Jerusalem zur
Hauptstadt von zwei Staaten. Heute wird diese Idee allgemein anerkannt,
sogar von denen, die sie hassen. (...)

Wir sind noch immer sehr weit vom Sieg entfernt. Viele Mühen und viel
Leiden liegen noch vor uns. Aber wenn wir zusammen handeln - mit
Nachdruck und Entschlossenheit - wird unsere Vision sich durchsetzen.
Wir müssen der Leuchtturm sein, dessen Licht die klare Richtung und den
Weg anzeigt. (...)?

Zur Umsetzung schlägt Avneri ein gemeinsames Experten ?Komitee vor, das
den Text für ein israelisch-palästinensisches Friedensabkommen erarbeiten soll.
Des weiteren ein ?Komitee zur Wahrheitsfindung und versöhnung? nach dem
südafrikanischen Vorbild und schließlich Operationsstab, der die Öffentlichkeit
ohne politisches Kalkül informieren soll.

Uri Avneri schließt mit Worten, die alleine schon Programm für Palästinas Zukunft
sein könnten :

?Die Hauptsache ist, dass wir dies gemeinsam tun und ausführen, bis der
Frieden, nach dem wir uns alle sehnen, über dieses geliebte Land kommt.?

Vor ein paar Wochen, als wir uns mit Yasser Arafat trafen, fragten ihn
Journalisten, wann der Frieden käme. Er sagte: ?Wir beide, Uri Avnery
und ich, werden ihn noch erleben". Arafat ist 74 Jahre alt und ich werde
in wenigen Wochen 80. Also machen wir uns dran.

Quelle:
http://www.uri-avnery.de/magazin/artikel.php?artikel=103&type=2&menuid=4
&topmenu=4

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3.

Dass Kritik an der Politik Israels in Palästina auch in bei unseren französischen Nachbarn
nicht ?ungestraft? bleiben kann, zeigt das aktuelle Beispiel des?L´EXPRESS?-
Journalisten Alfred Grosser.

Kritik an Israel: Alfred Grosser scheidet im Streit von "L'Express"
Kritik an der Politik Israels zu üben kann auch in Frankreich ein
heikles Unterfangen sein. Der bekannte Historiker und Publizist Alfred
Grosser, der auch in Deutschland einem großen Publikum als kritischer
Beobachter der deutsch-französischen Beziehungen vertraut ist, hat dies,
obgleich selbst Jude, am eigenen Leibe erfahren müssen.
Für die Wochenzeitschrift "L'Express" hatte Grosser eine Buchkritik
verfasst und darin die "Opferrolle" Israels infrage gestellt. Die
heftigen Leserreaktionen und der Umgang der Redaktion mit diesen Briefen
haben den 78-Jährigen nun dazu bewogen, den Aufsichtsrat der Zeitschrift
zu verlassen, dem er seit 1998 angehört. Entgegen den Gepflogenheiten
hatte man ihn weder über die Zuschriften ins Bild gesetzt noch ihm
Gelegenheit gegeben, darauf zu antworten. Stattdessen veröffentlichte
die Zeitschrift auf einer vollen Seite die Kritik an Grossers Text, der
unter anderem als "skandalös" und "unmoralisch" gebrandmarkt wurde.
Vom Rücktritt peinlich berührt, versuchte "L'Express" zurückzurudern.
Doch das Angebot, Grosser das "Recht auf künftige Gegendarstellungen"
zuzusichern, lehnte dieser ab. "Ich bin mit der allgemeinen
Grundeinstellung des Blattes zum Nahost-Konflikt nicht mehr
einverstanden", sagte Grosser der WELT. Auch in anderen Medien in
Frankreich und in Deutschland tue man so, als sei die Vereinbarung von
Camp David "wunderbar". Die wirklichen Quellen des Konfliktes aber
würden ignoriert. "Die Leiden der Palästinenser werden nicht genügend
beachtet", sagt Grosser und zieht einen Vergleich zu
Nachkriegsdeutschland. Wenn man von den Deutschen verlange, die
Verbrechen Hitlers zur Kenntnis zu nehmen, müsse man dies auch mit den
Bombenopfern in der Zivilbevölkerung und dem an den Vertriebenen
begangenen Unrecht tun.
Alfred Grosser ist selbst ein Vertriebener. 1933 emigrierte er aus
seiner Heimatstadt Frankfurt/Main nach Frankreich. hen

Artikel erschienen am 1. Jul 2003
http://www.welt.de/data/2003/07/01/126870.html

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4.

Mit dem ?Antipalästinensischen Schutzwall? Israels, der seinem DDR-Vorbild
in menschenverachtender Hinsicht in nichts nachsteht. beschäftigt sich
ein Artikel in der Welt vom 1. Juli :

Schutzwall oder Grenzziehung? Israels neuer Zaun ist umstritten
Tel Aviv - Neben dem Dorf Jabed im nördlichen Westjordanland hat ein
palästinensischer Heckenschütze einen rumänischen Bauarbeiter ermordet.
Das Ziel war sorgfältig ausgesucht. Die Straße gehört zum neuen
Sicherheitszaun, der Israel vom Autonomiegebiet trennen soll. Er ist ein
Dorn im Auge der Palästinenser. Und auch US-Sicherheitsberaterin
Condoleezza Rice übte während ihres Besuchs am Sonntag Kritik. Der Zaun
gefährdet die Stellung des neuen palästinensischen Premiers Mahmud
Abbas. Er gilt in Washington als einseitige Grenzfestlegung durch
Israel.
Gerade gemäßigte Stimmen in Israel setzten sich für den Bau ein. Er soll
das allzu leichte Eindringen von Selbstmordattentätern verhindern. Die
rechte Siedlerlobby wiederum widersetzte sich dem Zaunbau. Trennt er
doch mit den Palästinensern auch die Siedler vom Kernland. Premier Ariel
Scharon gab dem Druck der Öffentlichkeit nur widerwillig nach. Jetzt
wird doch gebaut. Nach den Plänen Scharons. Sein Zaun besteht nicht nur
aus elektronisch gesichertem Stacheldraht. Mit dazu gehört im Hinterland
eine breite "Sicherheitszone": Alles in allem, so die angesehene
Tageszeitung "Ha'aretz", geraten beim Bau dieses Sicherheitsbereichs
zehn bis 15 Prozent der Palästinensergebiete auf die Seite Israels.
Genau weiß es noch keiner: Es kommen immer noch Änderungsanträge der
Siedlerlobby nach.
Bei Jabed wird eine breite Enklave fruchtbaren Landes nicht abgetrennt,
sondern umzäunt. So fällt die israelische Siedlung Rechan auf die
westliche Seite des Zauns. Aber auch das palästinensische Dorf Kafr
Rihan. Dutzende dieser Dörfer mit etwa 200 000 Palästinensern werden so
nicht abgetrennt, sondern einverleibt. Viele Bauern verlieren Äcker. Die
Dörfer sind von allen Seiten mit Stacheldraht umgeben.
"Das Ziel verstärkten Schutzes gegen Terroristen ist da nur noch
zweitrangig", bestätigte auch der israelische Abgeordnete Ran Cohen den
US-Eindruck, es gehe in erster Linie um eine politische Grenzziehung.
Auch wenn die Regierung Scharon dies immer wieder abstreitet. Cohen
gehörte zu den Befürwortern eines Grenzzauns längs der "grünen Linie",
die bis 1967 Israel und Westjordanland trennte. (...)

Artikel erschienen am 1. Jul 2003
http://www.welt.de/data/2003/07/01/126881.html

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5.

Gideon Levy demaskiert in seinem Artikel für ?Ha´aretz? die nur scheinbar
offensive Umsetzung der in der ?roadmap? vereinbarten Räumungen im von Israel
okkupierten Westjordanland und deren öffentlichkeitswirksame Ausschlachtung
durch die Siedlerfraktion. Aktionismus zur Täuschung der Weltöffentlichkeit ist
immer noch ein Spiel, das Ariel Sharon perfekt beherrscht :

Schluss mit den Schein-Evakuierungen von Gideon Levy
Ha'aretz / ZNet 20.06.2003
Die Operation zur Evakuierung der Westbank-Außenposten, wie sie die
Regierung Scharon gerade durchführt, ist eine Farce, die dem
Friedensprozess schadet. Wäre besser, diese Scharade schnellstmöglich zu
stoppen. Der Schaden ist viel, viel größer als irgendein möglicher
Nutzen. Der Premierminister, die politische Rechte u. die Siedler sind
die Einzigen, die einen Vorteil von dieser abstrusen Räumungs-Prozedur
haben. Verlierer sind die Palästinenser, vor allem aber der
Friedensprozess. Die Amerikaner sind an diesem Betrug als vollwertige
Partner beteiligt. Auch sie sollten sich jetzt zusammenreißen u.
erkennen, dass diese Absurdität für den Frieden nichts bringt. Wäre ich
Palästinenser, ich würde möglichst rasch klarstellen - nein danke, das
ist weder Evakuierung noch vertrauensbildende Maßnahme. Es ist vielmehr
ein Betrug, der viel kosten wird. Denn hier geht es nicht um die
Evakuierung echter Siedlungen oder - noch wichtiger - echter Siedler.
Hier führt man eine Farce auf, bei der alle Schauspieler die Regeln
genau kennen, während sie auf der Bühne ihre Rollen spielen. Einziges
Ziel ist es, noch mehr Macht, noch mehr Sympathien zu bekommen. Um die
Förderung eines politischen Prozesses geht es nicht. Der, der durch
dieses verlogene Schauspiel am meisten profitiert, ist natürlich der
Premier. Schon wieder ist die halbe Nation geneigt zu glauben, wir
hätten es mit einem "neuen Scharon" zu tun, mit einer "komplexen" und
"faszinierenden" Persönlichkeit, die sich "historisch gewandelt" hat,
mit einem israelischen de Gaulle, mit dem Einzigen, der fähig ist,
Frieden zu schließen.

Scharon hat ein paar Wohnwägen wegschaffen lassen und ein paar dutzend
radikale Siedler von einem Punkt der besetzten Gebiete zum andern
verschoben. Und schon jubelt man ihn hoch. Mit einer Hand scheint er zu
evakuieren, mit der andern zu morden. Sein einziges Ziel - die
amerikanische Regierung zufriedenzustellen - er hat es zum Nulltarif
erreicht. Zwar ist die politische Rechte ein wenig verärgert, aber auch
ihr ist klar, das alles hier ist nur Schein. Die Rechte weiß ganz genau,
eine wirkliche Siedlung würde Scharon nie auflösen. Dadurch kann der
Premier wieder der miese alte Scharon sein, der Hamas-Führer ermorden
lässt, während gleichzeitig auf internationaler Ebene politische
Bemühungen für eine Waffenruhe mit Hamas laufen. Und zum Ausgleich für
die Pseudo-Evakuierungen tötet man 24 Palästinenser - in 3 Tagen, im
Zuge einer Attentatswelle, die dem Frieden weit mehr schadet, als die
Fake-Evakuierungen ihm nützen können. Wenn das hier die erste der
"schmerzvollen Konzessionen" ist, von denen Scharon spricht, weiß ich
nicht, wem hier Schmerz zugefügt wird.

Die Evakuierung der Außenposten nützt auch den (jüdischen) Siedlern.
Ohne einen Preis zu zahlen, stehen sie erneut als Opfer da - als die
Beraubten, die Enteigneten. Besonders zynisch ist aber dieses Heulen und
Wehklagen über jeden rostigen, alten Wohnwagen, der weggeschafft wird.
Sie wissen, je lauter sich sich beklagen, desto weniger wird man künftig
von ihnen verlangen, desto mehr wächst die öffentliche Sympathie für
sie. Das ist von jeher ihre Strategie: jammern - egal, über was ? etwas
aus den andern herauspressen. Die Bilder der über die Erde geschleiften
Siedler nützen ihnen. Die meisten Israelis sehen es nicht gerne, wenn
die eigenen Leute gewaltsam weggeschleift werden. Der semi-gewaltätige
Widerstand gegen die Evakuierung der Außenposten - die meisten dieser
Außenposten sind ja einzig zum Zweck dieses Schauspiels errichtete
Kulissen -, könnte viele überzeugen, dass es nie eine echte Chance geben
wird, die Siedlungen ohne massives Blutvergießen zu evakuieren. Denn,
wenn es schon so schwierig ist, den Außenposten auf 'Bachelor's Hill' zu
evakuieren, wie wird es erst bei Ofra, Ma'ale Aduminm oder Ariel sein?

Ein Nebenaspekt der Evakuierungen: Schön zu sehen, dass die Israelische
Armee, Grenzpolizei u. Polizei noch nicht ganz vergessen haben, wie man
sich in den Besetzten Gebieten mit Demonstranten auseinandersetzt, ohne
diese gleich mit Schusswaffen zu töten. Sind sie je so mit
palästinensischen Demonstranten umgegangen? Und es ist auch gut zu
wissen - bei demonstrierenden Juden kann unser Oberster Gerichtshof sehr
wohl aktiv werden und vorläufige Verfügungen erlassen. Der Staatsanwalt
lädt sogar zur Anhörung. Die meisten Klagen von Palästinensern, deren
Häuser abgerissen werden sollen, weist man üblicherweise ab. Handelt es
sich jedoch um Juden, kennt der Oberste Gerichtshof seine Pflichten.

Die Evakuierung sämtlicher (jüdischer) Siedlungen ist ein notwendiger
Schritt auf dem Weg zu einem gerechten Frieden. Die Evakuierung der
Außenposten, wie letzte Woche durchgeführt, ist hingegen kein Schritt in
Richtung Evakuierung der Siedlungen - im Gegenteil, es ist ein Hindernis
auf diesem Weg. Ginge es Israel wirklich um Frieden und
Vertrauensbildung gegenüber den Palästinensern, man hätte ein paar echte
Siedlungen evakuiert - Siedlungen, deren Räumung von einem breiten
öffentlichen Konsens getragen wird. Gaza zuerst - beispielsweise wären
all jene skandalösen Siedlungen im Gazastreifen zu evakuieren, die einen
hohen Blutzoll fordern - sowohl auf israelischer als auch auf
palästinensischer Seite, wäre ein guter Start. Die USA hätten das schon
längst von Scharon fordern sollen. Die israelische Öffentlichkeit würde
diese Evakuierungen auch akzeptieren und mit Verständnis begleiten; und
den Palästinensern hätte man auf die Weise vermitteln können, dass sie
einen echten (Verhandlungs-)Partner haben. Falls selbst das den
Premierminister überfordern sollte, er aber an Fortschritt interessiert
wäre - wie es die Heralde des "neuen Scharon" verkünden -, hätte es auch
andere Möglichkeiten zu vertrauensbildenden Maßnahmen gegeben. So hätte
er beispielsweise die unwürdigen Lebensbedingungen der Palästinenser
massiv verbessern können. Er hätte die hunderten Straßensperren
innerhalb der 'Gebiete' aus dem Weg räumen können. Er hätte viele der
politischen Gefangenen freilassen können. Das hätte Abu Mazen geholfen,
seine Position zu festigen - was die USA u. Israel ja von ihm wollen.
Und Mazens Volk hätte man dadurch Hoffnung gegeben. Es wäre ein Signal
gewesen, wir wolllen den Frieden wirklich.

Straßensperren oder Wohnwagen? In der momentanen Situation wäre es
besser, zunächst die Straßensperren zu entfernen. Lasst die
"Jugendlichen auf dem Hügel" sich ruhig austoben - bis Israel sich
wirklich entschließt, die Siedlungen zu räumen.
--
Übersetzt von: Andrea Noll
Orginalartikel: "End the Phony Evacuations"

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6.

Dass Israel sich in weiterer Hinsicht von wirksamen Mitteln totalitärer Regime inspirieren läßt
beleuchtet auch der folgende Artikel :

Israel gibt geheimes Gefängnis zu
30.06.2003

Wie AP am Montag berichtete, hat die israelische Regierung den Betrieb
eines geheimen Gefängnisses auf einer ebenfalls geheimen Militärbasis
zugegeben, wo Palästinenser und andere Ausländer teilweise wochenlang
ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt und zu anderen Gefangenen in
schwarzen Zellen gefangen gehalten wurden und werden.

Die israelische Menschenrechtsorganisation HaMoked hatte eine Petition
beim obersten Gerichtshof Israels eingereicht um Informationen über den
Verbleib zweier verschwundener Gefangener, Bashar und Muhammad Jodallah,
zu erhalten. Als Reaktion hierauf wurde die Existenz des Einrichtung
1391 genannten Gefängnisses bestätigt, aber jede weitere Information
über Lage oder derzeitige Insassen verweigert, da dies nach Angaben der
Regierung die nationale Sicherheit gefährden würde.

Der israelische Geheimdienst Shin Bet habe die Einrichtung im April
letzten Jahres kurze Zeit genutzt, nachdem bei dem Eindringen Israels in
die West Bank hunderte Palästinenser gefangengenommen worden waren und
es zu "einem Mangel an Arrestzellen" gekommen war. Seit dem seien alle
palästinensischen Gefangenen verlegt worden und die Einrichtung wird
"wenn überhaupt nur noch unter besonderen Umständen, für Gefangene, die
nicht Bewohner der Gebiete sind genutzt."

Die Armee als auch das Büro des Premierministers, das für Shin Bet
zuständig ist, weigerten sich, Kommentare zu den Identitäten und
Staatsangehörigkeiten von dort festgehaltenen Gefangenen oder zu der
Bedeutung von "besonderen Umständen" abzugeben.

Im Normalfall wird die Verhaftung von Palästinensern vom Militär, der
Polizei oder dem Gefängnis dokumentiert, so daß Angehörige,
Rechtsanwälte oder Menschenrechtsorganisationen erfahren können, wo sie
sich befinden. Die in dieser Einrichtung gefangen Gehaltenen hingegen
werden auf keiner Liste aufgeführt und sind so für die Zeit ihrer
Inhaftierung praktisch verschwunden.

"Eine geheime Gefängniseinrichtung wäre eine Verletzung sowohl der
Genfer Konventionen als auch des israelischen Rechts", sagte Yael Stein
von der israelischen Menschenrechtsorganisation B'Tselem . "Wenn niemand
weiß, wo die Gefangenen festgehalten werden, können sie mit ihnen
machen, was sie wollen. Sie können sie foltern und mißbrauchen oder sie
sogar töten und keiner würde es erfahren."

Menschenrechtsorganisation sagen, daß sie von mindestens sieben
Palästinensern wissen, die in dem Gefängnis einsaßen, daß es aber auch
unmöglich sei zu wissen, wie viele dort insgesamt festgehalten wurden.

Der 50-jährige Bashar Jodallah wurde im November 2002 zusammen mit
seinem Cousin Mohammad festgenommen, als sie von Jordanien aus nach
Israel einreisen wollten. Er wurde drei Monate festgehalten, von denen
er 38 Tage in dem geheimen Gefängnis verbracht hat. Sein 23-jähriger
Cousin wurde für schuldig befunden, ein Mitglied der Gruppe Hamas zu
sein und befindet sich noch in einem israelischen Gefängnis.

Gegenüber AP erzählte Bashar Jodallah, daß ihnen auf der Fahrt zu dem
Gefängnis die Augen verbunden worden waren. Dort wurden sie getrennt und
haben sich nicht mehr wiedergesehen.

Er sagte, man habe ihn in eine kleine Einzelzelle mit einem Bett aus
Beton gesteckt. "Die Wände und die Decke waren schwarz gestrichen und es
gab kein Fenster. Nur ein sehr schwaches Licht kam von oben, so daß ich
nicht wußte, ob es Tag oder Nacht war."

Jedes Mal, wenn er seine Zelle verließ wurden seine Augen wieder
verbunden und bevor Soldaten seine Zelle betraten mußte er sie sich
ebenfalls verbinden, damit er sie nicht erkennen konnte. "Ich fragte sie
immer wieder, wo ich war. Die Soldaten sagten mir, ich wäre auf dem Mond
und daß niemand wußte, wo ich war."

Die Gefangenen durften auch nicht miteinander reden. "Einmal hörte ich
zwei Gefangene miteinander sprechen. Die Soldaten kamen wie Verrückte,
schrien und beschimpften sie", erinnerte sich Jodallah.

Die Gefangenen wurden zwar anscheinend nicht körperlich mißhandelt, der
psychologische Druck war aber enorm. "Nicht zu wissen, wo ich war, die
Farbe der Räume, die Isolation hat sich auf mich ausgewirkt. Ich wollte
nur noch sterben", sagte er.

Angehörige von Mohammad Jodallah erzählten, daß ihm bei einem Verhör
gesagt wurde, daß der Führer des Palästinenseraufstands Marwan Barghouti
im gleichen Stuhl wie er gesessen hatte.

Der Anwalt Barghoutis, Jawad Boulos, sagte, daß sein Klient nach seiner
Festnahme fünf Tage lang in einer Einrichtung im Norden gefangengehalten
wurde, die in der Beschreibung mit der von Jodallah übereinstimmte.

Auch die beiden Libanesen Mustafa Dirani und Scheich Abdul-Karim Obeid
sollen in der Einrichtung gefangen gewesen sein.

In einer eidesstattlichen Versicherung, von der AP eine Kopie vorlag,
beschrieb Dirani eine Einrichtung, die wiederum mit der Beschreibung
Jodallahs identisch war.

Die beiden Libanesen werden als mögliche Tauschobjekte für einen seit
1986 im Libanon verschwundenen israelischen Piloten eines
Kampfflugzeugs, Ron Arad, seit 1989 und 1994 festgehalten ohne daß ihnen
bisher der Prozeß gemacht wurde.

Ihr Anwalt Zvi Rish konnte jahrelang nicht erfahren, wo sie festgehalten
wurden.
www.Freace.de

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7.

Mit dem ?Apartheidsstaat Israel? schließlich setzt sich der folgende Artikel von
Ali Abunimah auseinander :

The Electronic Intifada / ZNet 28.06.2003

Auf der anderen Seite hat Israel noch nie einem Juden (bzw. wen es als
Juden definiert) die Staatsbürgerschaft entzogen - für kein Verbrechen,
nicht einmal für Hochverrat, etwa, wenn man den israelischen
Premierminister ermordet. Dem verurteilten Mörder Yitzhak Rabins, Yigal
Amir, war es sogar erlaubt, von seiner Gefängniszelle aus an den letzten
israelischen Wahlen teilzunehmen. Und gleichzeitig plant Israel einer
ganzen (ethnischen) Gruppe - zufällig die Ureinwohner des Landes -
weitere Rechte zu entziehen. Der offene Rassismus hätte nicht
offensichtlicher sein können. Dies in einer Atmosphäre, in der
israelische Kabinettsminister offen für 'ethnische Vertreibung' als
"Lösung" des Konflikts, eintreten. In dieser Atmosphäre wundert es auch
nicht, dass ein derartig widerwärtiges neues Gesetz durchkommt.
Besonders beunruhigend: im Falle Israels halten es USA u. Europäische
Union nicht für nötig, ein solches Vorgehen zu kommentieren. USA u. EU
hoffen vielmehr weiter, die wurmstichige Roadmap führe zum Frieden. Und
gleichzeitig baut Israel mit Mauern, Bulldozern u. Rassengesetzen die
Apartheid vor Ort aus.

(Dieser Artikel erschien zuerst in 'The Daily Star':
www.dailystar.com.lb/opinion/26_06_03_d.asp)--

Übersetzt von: Andrea Noll
Orginalartikel: " Israel Israel - One more step into open apartheid"

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8.

Buchempfehlung:
Zum Thema Nationalismus und rechter Gewalt in Israel empfiehlt sich übrigens das mit
einem Vorwort von Leah Rabin versehene Buch . ? Rabin ? ein politischer Mord?
( Amnon Kapeliuk , Knaur Verlag )

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9.

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