Newsletter 03 / 2003 - eurabia-kultur@domeus.de
der Deutsch-Arabischen Gesellschaft
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Inhalt:

1. Semiramis im Blitzgewitter - Eine SPIEGEL - Reportage

2. Arabisch Lernen - elektronisch

3. Das Kulturereignis des Jahres

4. Leseempfehlung

5. In eigener Sache

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1.

Semiramis im Blitzgewitter

Antikencoup in Bagdad: Das US-Oberkommando will der Weltpresse den verschollen geglaubten "Schatz der Königinnen von Nimrud" präsentieren -
57 Kilogramm pures Gold aus Assyrien.
Die Herrscherinnen-Skelette werden derweil in Göttingen untersucht.

Als Mesopotamiens Kultur schon 2000 Jahre alt war und Abendlicht über Euphrat und Tigris leuchtete, als Schubkarre und Schrift, Gesetzbuch und Bier längst erfunden waren, bestieg im Norden dieses Garten Eden ein schlimmer Hitzkopf den Thron.

Assurnasirpal II., so sein Name, besaß zwar ein Wasserklo, auch ließ er sich täglich den Bart kämmen. Doch im Herzen dieses Mannes, so formulierte es der Orientalist Wolfram von Soden, keimten "widerwärtigste Regungen".

"Ich verbrannte Jünglinge und Mädchen mit Feuer", röhrte der Grobian, "ich stapelte Leichen zu Türmen." Bis nach Persien und zum Mittelmeer stieß der Stratege vor - und fackelte nicht lange: "Dem Hulai, ihrem Stadtherrn, zog ich die Haut ab und hing sie an der Mauer von Damdamusa auf." Dann wieder prahlte er: "Ich fing lebende Tiger."


Antikenverwalter George, US-Soldaten (bei der Präsentation einer sumerischen Priesterstatue, die nach der Plünderung wieder aufgetaucht ist): Im Hintergrund ziehen die Amerikaner die Strippen


Dieser Rambo, Urbild orientalischer Despotie, der um 880 vor Christus den Grundstein für das Neuassyrische Reich legte, war aber auch ein charmanter Galan und Liebhaber der Frauen. Üppig war sein Harem. Unter dem Fußboden seines Palastes in Nimrud fanden vier Königinnen ihre letzte Ruhestätte. Die jüngste starb mit kaum 20 Jahren.

Es war im Frühling 1988, als der irakische Antikendienst östlich von Mossul auf die erste Gruft stieß. Ein Jahr später kam die nächste Kammer zum Vorschein, gefüllt mit "Beigaben von atemberaubender Pracht", wie es im vorläufigen Grabungsbericht hieß.

Kristallbecher und Juwelen, Anhänger aus Lapislazuli, Diademe, Armreife, dazu 400 Keilschrifttafeln bargen die Forscher aus den Gewölben. Im August 1989 kam noch eine dritte Kammer dazu. In ihr lag aufgebahrt eine - namentlich nicht bekannte - Königin, behängt mit 23 Kilogramm Gold. Daneben fand sich ein Kind, auf dem Schädel eine riesige Krone.

"Einmalig" nennt die Fachwelt den rund 2800 Jahre alten Fundkomplex von Nimrud, dessen Goldschmiede auf höchstem Niveau arbeiteten. Der Marburger Orientalist Walter Sommerfeld drückt es so aus: "Es ist der größte Antikenschatz seit Tutanchamun."

Bekannt sind die Kostbarkeiten kaum. Kurz nach ihrer Bergung brach der erste Golfkrieg aus. Die Objekte wanderten in den bombensicheren Tresor der Nationalbank von Bagdad. Danach, mit dem Embargo, kam die wissenschaftliche Aufarbeitung der Funde zum Erliegen.

Teile der Skelette jedoch gelangten 1997 zur Analyse nach Deutschland. Im Koffer hatte der Göttinger Anatom und Paläopathologe Michael Schultz die Gebeine der Königinnen in das Uni-Institut verbracht. Dort untersucht er sie derzeit mit Endoskopen und einem Rasterelektronenmikroskop.



Reste von insgesamt 17 Personen konnte der Fachmann ermitteln. Schultz entdeckte unterm Mikroskop Hautreste sowie Partikel des Leichenschleiers. Ein Gerippe ist ganz grün, die Kupferionen des Bronzesarges haben es verfärbt. Dann zeigt der Experte auf braune Krümel. "Das könnte Gehirnmasse der Königin Jaba sein."

Die Edeldamen vom Tigris, keine Frage, sind ein Knüller. So sieht es auch das Oberkommando der US-Streitkräfte im Irak. Obwohl durch Bagdad immer noch bewaffnete Banden laufen, soll der Schatz am Mittwoch von der Bank ins Nationalmuseum verbracht werden. Für Donnerstagmittag ist in der Haupthalle ein Fotoshooting angesagt: Der schönste Goldfund aus dem Zweistromland wird der Weltpresse gezeigt.

Puderdosen und Kristallkelche, dazu Armringe, in denen winzige Steine aus Türkis, Malachit und Tigeraugen sitzen, will das Militär unter Bewachung vorführen. Das schwerste Einzelstück, ein Fußring mit Blumendekor, wiegt über 1100 Gramm.

An dem Geschmeide klebt Blut: Es stammt aus der brutalsten Phase in der Geschichte des Alten Orients. Hergestellt wur- de es zwischen 883 und 612 vor Christus, zu jener Zeit, als die bärtigen Tyrannen vom Tigris zur Weltherrschaft griffen.

Viel Leid brachte dieses Volk seinen Nachbarn. Assyriens Heer pfählte, blendete und verstümmelte seine Feinde von Zypern bis hinunter in den Jemen. Die Herrscher ordneten Massendeportationen an; gegnerischen Kriegern wurde die Rückenhaut abgezogen, so dass sie ausdörrten (Dauer des Sterbens: etwa ein bis zwei Stunden). In der Bibel taucht Nimrud unter dem Namen "Kelach" auf und wurde (weil seine Heere auch Juda und Israel besiegten) zur Chiffre fürs Inhumane schlechthin.

Die Griechen, weiter vom Schauplatz entfernt, sahen es gelassener. Sie erzählten sich Sagen vom unermesslichen Reichtum Nimruds. In der glanzvollen Metropole lebte auch die männermordende Königin Semiramis (die in Wahrheit Sammuramat hieß und etwa um 800 vor Christus starb). Die ihr zugeschriebenen Hängenden Gärten zählten die Griechen zu den sieben Weltwundern.

Verschwiegen liefen vergangene Woche die Vorbereitungen für die große Goldschau. Irakische Restauratoren stiegen hinab in den Banksafe und polierten die Juwelen, die in insgesamt 25 Kisten lagern. Gezeigt werden sollen aber auch völlig unbekannte Objekte, darunter Silber aus einem mysteriösen vierten Nimrud-Grab, sowie zwei geflügelte Stiere mit Menschenkopf, intern "Baby-Kolosse" genannt.

Doch ist die Idee, der Welt diese Pracht vorzuführen, wirklich gut? Über 60 alliierte Soldaten sind seit dem Ende der Kämpfe im Irak getötet worden. Die Scherben im geplünderten Bagdad-Museum sind zwar weggeräumt. Doch viele Türen sind immer noch kaputt, die Alarmanlage funktioniert nicht.

Sommerfeld hält den Klunker-Event denn auch für eine "PR-Aktion", mit der sich das Pentagon reinwaschen wolle. Durch die Unachtsamkeit der siegreichen US-Armee war am 9. April das Museum ausgeraubt worden. Nach der ersten Inventur fehlen aus den Magazinen 10.000 Objekte. Auch Meisterwerke gingen zu Bruch, darunter die berühmte Harfe von Ur.

In der Provinz ist die Lage immer noch außer Kontrolle. Mit Jeeps und Helikoptern haben Archäologen die antiken Ruinen im Land besucht. Überall treiben Grabräuber ihr Unwesen. Isin, einst Hauptstadt Mesopotamiens, gleiche einer Mondlandschaft, erzählt der Heidelberger Archäologe Peter Miglus. Mit Schaufelbaggern graben die Diebe dort zehn Meter tiefe Löcher in den Boden.


Schmuckplatte mit Palmenemblem aus Nimrud: Gold-Show als PR-Aktion


Auch hinter dem Verbleib des Nimrud-Schatzes stand anfangs ein Fragezeichen. Mit Brechstangen hatten Stammeskrieger die Zentralbank gestürmt. Ende Mai führten irakische Archäologen das FBI hinunter in die Safes. Alle atmeten auf: Die Plünderer hatten zwar Granaten auf die Tresortüren geworfen, wodurch die Sprinkleranlage ansprang und alles unter Wasser setzte. Doch die Plomben der Schatzkisten blieben unversehrt.

Mit der Öffnung dieser Schmuckschatullen hofft der neue Chef der Zivilverwaltung im Irak, Paul Bremer, werde sein Land endlich wieder positive Schlagzeilen machen. Die Idee mit der Gold-Show stammt von ihm.

Der alte Antikendirektor Jaber Khalil Ibrahim wurde kurzerhand seines Amtes enthoben. Neuer Liebling der Amerikaner ist der joviale Donny George, der bislang als Forschungsdirektor der Altertümer-Behörde fungierte.

Artig posierte der freundliche Sanguiniker letzte Woche mit einer Gruppe amerikanischer Gardesoldaten vor einer sumerischen Priesterfigur - ein Bild mit Symbolgehalt: vorn steht klein die Kultur, dahinter Donny George. Und im Hintergrund ziehen die Amerikaner die Strippen.

Donnerstagmittag, heißt es, werde den Kameras der Zugang zu dem Assyrerschatz gewährt. Erwartet wird ein Blitzgewitter über den aufgestapelten Schätzen aus dem Umkreis der Königin Semiramis.

Doch, bei aller Kritik, die große Archäo-Schau hat auch gute Seiten. Endlich wird dieser antike Ausnahmefund der Öffentlichkeit vorgestellt. Vor allem die Arbeit des Göttinger Anatomen Schultz macht klar, mit wie vielen Rätseln das Grab der Königinnen von Nimrud noch verbunden ist:

In Gruft 1 lag eine prächtig geschmückte Frau, 50 bis 55 Jahre alt, mit Hakennase. Der Tonsarg, original mit Bitumen verschlossen, stammt aus der Zeit von Salmanassar III. (858 bis 824 vor Christus). Wer aber ist die Tote?

Gruft 2 enthielt gleich zwei Königinnen. Im unteren Teil der Sargwanne befand sich das Skelett von Königin Jaba, Gattin Tiglatpilesers III. (745 bis 727 vor Christus). Sie starb mit etwa Mitte 30. Auf diese Leiche legten die Bestatter - offenbar eilig und ruck, zuck - eine weitere Königin: Atalia, die Gattin Sargons II. (721 bis 705 vor Christus).

Noch wirrer sieht es in Gruft 3 aus. In der Vorkammer standen drei Bronzesärge, in denen sich Reste von insgesamt 13 Menschen befanden, darunter vier Kinder, ein drei Monate altes Baby und ein königlicher Eunuch. Keines der Skelette ist vollständig. Schultz vermutet: "Die Toten wurden in verwestem oder skelettiertem Zustand in aller Eile umgebettet."
Das Gebein-Wirrwarr steht nach Ansicht der Experten in Zusammenhang mit jenem fürchterlichen Big Bang, der das stolze Nimrud für immer in den Abgrund riss. 612 vor Christus erstürmte eine persisch-medische Streitmacht die Festung am Tigris und drang in den Königspalast ein.

Der Einfall der Ostvölker, deren Streitkräfte die assyrische Bevölkerung buchstäblich ausrotteten (noch 200 Jahre später fanden die Griechen das Land nahezu menschenleer vor), war Rache für die unerträglichen Leiden, die Assurnasirpal II. über den Orient gebracht hatte. Unterstützt durch fahrbare Sturmböcke und Kamel-Kavallerie war er mit seinen Truppen bis zum Mittelmeer vorgestoßen.


Angesichts derartiger Machtfülle musste auch eine neue Residenz her: Nimrud. Maurer und Steineschlepper zogen auf einem Felssporn am linken Tigris-Ufer im Rekordtempo Häuser hoch. Ein Stufenturm ("Zikkurat") wurde gebaut, dazu Brücken, ein Löwenzoo, eine Sternwarte. Der König lebte in einem 200 Meter langen Palast, an dessen Wänden Relieftafeln wie Comicstrips prangten.

Zum Richtfest im Jahr 879 vor Christus lud der Regent, den Annalen zufolge, 69.000 Menschen ein. Zum Klang von Harfen und Trommeln servierten Diener Berge an Fisch, Feigen und Pistazien, 16.000 Schafe sowie 10.000 Schläuche Wein.

Lange war unklar, wo eigentlich dieses Schlaraffia lag. Erst 1820 kam ein britischer Abenteurer auf die richtige Spur und identifizierte die Ruinen. 1949 grub dann der englische Archäologe Max Mallowan in Nimrud, der Ehemann von Agatha Christie. Im Beisein der Krimiautorin wuchtete er 30 Tonnen schwere Fabeltiere aus dem Staub. Die Goldgrüfte aber fand er nicht.

Erst den Irakern fielen bei einer Nachuntersuchung merkwürdige Beulen im Palastfußboden auf. Flugs brachen sie das Pflaster auf und lugten in ein Gewölbe. Gruft 1 war bis zum Rand mit Staub gefüllt - zugerieselt wie eine Sanduhr.

Aus Gruft 2 stieg Modergeruch. "Lange Wurzeln der Halfa-Pflanze, eines robusten Unkrauts, hingen wie elektrische Kabel von der Gewölbedecke", heißt es im Grabungsprotokoll. Die Toten lagen unter einem dunklen Leichentuch mit goldenen Sternen. Als die Forscher es berührten, zerfiel es zu Staub.

Was für ein Coup! Gleichsam unterm königlichen Schlafzimmer verborgen, traten plötzlich unbekannte, in keiner Keilschrift erwähnte assyrische Edelfrolleins ans Licht, überprächtig behängt mit Geschmeide. Einst lebten sie an der Seite antiker Weltenherrscher.

Und sie hatten süß gelebt. Allein im Sarg der Königinnen Jaba und Atalia türmten sich Berge von Schmuck: 79 goldene Ohrringe kamen zu Tage, Diademe, 6 Halsketten, 14 Arm- und 30 Fingerringe, Fibeln, Broschen, 15 Goldgefäße sowie 11 kleine Goldfläschchen für Parfums und Kosmetika.

Putzsüchtig und eitel waren diese Damen, keine Frage. Und sie faulenzten viel. Obwohl jung gestorben, wiesen beide Königinnen bereits Anzeichen von Arthrose auf. "Ein Hinweis auf Bewegungsmangel, ihre Körper waren untrainiert", erklärt Schultz. Im Klartext: Während ihre Männer Krieg führten, gammelten sie, von Eunuchen bewacht, auf weichen Kissen im Harem herum.

Auch die Essgewohnheiten der Frauen konnte der Mediziner ermitteln. "Der Abrieb ihrer Zähne ist sehr gering", erzählt er. "Sie aßen viel weiche Kost, Pasteten, zartes Fleisch, aber wenig faserreiche, pflanzliche Nahrung." Atalia brach sich irgendwann den linken kleinen Zeh, aber die Fraktur verheilte. Warum die Herrscherinnen beide schon mit etwa 35 Jahren starben, weiß der Mediziner nicht.

Weniger gut ins Bild vom Lotterleben passt die Diagnose des königlichen Zahnfleisches. Es war entzündet, teilweise hatten sich Abszesse gebildet: "Die hatten wohl schlimmen Mundgeruch", meint der Knochen-Detektiv aus Göttingen. Zudem war der Hochadel häufig verschnupft: Viele Skelette weisen Spuren chronischer Stirnhöhlenvereiterungen auf. Der Palast war im Winter feucht und fußkalt.

Warum aber sind die Kollagenfasern in den Gebeinen der Atalia verändert? "Die Leiche wurde mehrere Stunden lang auf 150 bis 250 Grad erhitzt", sagt der Anatom. Sein Verdacht: Der Körper sollte mittels Braten und Rösten haltbar gemacht werden.

Betrieben demnach auch die Assyrer Totenkonservierung, ähnlich wie die Pharaonen? Das wäre durchaus denkbar. Ob Mode, Kunst, Kosmetik oder Architektur - der Nilstaat gab auf vielen Gebieten den Ton an. In Memphis lebten die elegantesten Damen. In einer der Nimrud-Grüfte lag ein ägyptischer Skarabäus.


Gleichwohl trägt der Alte Orient ein eigenes, unverwechselbares Gepräge. In Sachen Mathematik konnte dem Land der Zikkurate niemand das Wasser reichen. Auch bei der Sternenschau hatten die Assyrer die Nase vorn. Dutzende von Astronomen berieten den König. Jede Sternschnuppe, jede Mondfinsternis nahm das Volk als Omen, dessen Sinn es zu entschlüsseln galt. Seher lasen die Zukunft aus frischem Tiergedärm.

Auch die Phantasien des Schlafes galten als göttliche Zeichen. Das "assyrische Traumbuch" aus dem 7. Jahrhundert vor Christus deutet Fäkal- und Urinträume. Inzest- und Sodomiemotive kommen zur Sprache, auch Sexualkontakte unter Männern oder mit Kindern. "Wenn jemand Menschenfleisch isst", heißt es weiter, "wird er große Reichtümer bekommen."

Beim Krieg betrieben die Assyrer dagegen Realpolitik. 671 vor Christus preschte König Asarhaddon mit seinen Soldaten bis zum Nil vor. Der letzte große Rivale ging k. o. Umgehend ließ der Sieger ein Relief anfertigen. Es zeigt, wie der Assyrer den als Zwerg dargestellten Pharao am Nasenseil führt. Nimrud stand auf dem Gipfel seiner Macht.

Doch nichts währt ewig. Aus den Weiten des Ostens kamen die Meder (aus Persien) und bereiteten dem einst von Assurnasirpal II. gegründeten Reich ein grausames Ende. Nach langer Belagerung schossen sie Nimrud sturmreif. Die Stadttore splitterten. Dann entlud sich "der in Jahrhunderten angestaute Hass gegen die assyrische Bedrückung auf fürchterliche Weise", wie der Orientalist von Soden erklärt.

Das Knochenchaos in den königlichen Grüften zeugt vom Schrecken jener Tage. Wohl in Panik seien noch in allerletzter Sekunde "Sekundärbestattungen" durchgeführt worden, meint Schultz. Die Leichen hochrangiger Mitglieder der Herrscherfamilie sollten vor den Persern gerettet werden.

Vor allem das Gewirr in der Gruft 3 belegt diese These. Zwar brachen die Soldaten der Sieger mit brutaler Gewalt in die Hauptgruft ein. Dort stand der vier Meter lange Sarkophag der Königin Mullissu, Gattin des Reichsgründers Assurnasirpal. Gierig zerschlugen sie den Sargdeckel. Nur eine einzige Perle und einen kleinen Knochen ließen sie liegen.

Das blockierte Versteck im Nebengewölbe aber übersahen die Diebe. Dort standen drei Bronzesärge - vollgestopft mit den Resten von 13 Menschen.

"Die zartesten Gebeine", so der Paläopathologe Schultz, "stammen von einem Fötus im 8. bis 9. Lunarmonat." Ob es sich um eine Frühgeburt oder um die Leibesfrucht einer der bestatteten Frauen handelt, vermag er nicht zu sagen.

Hastig, glaubt Schultz, seien die Umbettungen erfolgt. Die Bestatter hätten dabei zum Teil schon zerfallene Körper herumgeschleppt, bei denen die Rippen und Fingerknochen bereits vermodert waren. In einer der Bronzewannen lagen Bruchstücke von fünf Erwachsenen; einer von ihnen ließ sich identifizieren: Es ist der Feldherr Samsi-ilu, der unter vier Königen diente.

Dass die persischen Häscher den Palast gezielt nach Schätzen absuchten, macht auch ein anderer (noch unveröffentlichter) Fund deutlich. Im Brunnen des Palasthofes steckten 300 menschliche Gerippe, alle trugen eiserne Hand- und Fußfesseln. Wahrscheinlich handelt es sich um gefolterte Diener, denen die Sieger das Geheimnis der Goldgrüfte abpressen wollten.

Zum Glück spürten die Eroberer damals nicht alle Gewölbe auf, drei Gräber übersahen sie. Doch schon deren Beigaben sind so wertvoll, dass sie mit heutigem Geld kaum aufzuwiegen sind. Vor einigen Jahren versuchte das Römisch-Germanische Zentralmuseum in Mainz, den Schmuck für eine große Ausstellung nach Deutschland zu holen. Das Vorhaben scheiterte - kein Unternehmen war bereit, die Objekte zu versichern.

Das US-Militär wagt nun einen neuen Versuch. Im Schutz von Sturmgewehren und Abrams-Panzern holen Amerikas Soldaten das Gold von Nimrud aus dem Tresor. Gezeigt wird auch die Krone aus Gruft 3, die mit kleinen Engeln verziert ist. Vielleicht sind es auch Bienen.

Ein bisschen vom Glitzer dieser 2800 Jahre alten Schätze wird am Donnerstag auch auf die neue Macht im Irak abstrahlen. Die wahren Probleme des Landes, darüber kann die Propaganda-Show nicht hinwegtäuschen, liegen indes woanders.

"Tagtäglich verwüsten Raubgräber systematisch die antike Kultur Mesopotamiens", erklärt Sommerfeld, "und keiner tut was."

MATTHIAS SCHULZ, BERNHARD ZAND

aus:
DER SPIEGEL 27/2003 - 30. Juni 2003
URL: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,255228,00.html
Archäologie *

(* unter diesem Hyperlink finden Sie auch spektakuläre Bilder des erstmalig ausgestellten Schatzes der Assyrer)

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2.

Seit dem 1. Juli 2003 gibt es die erste deutschsprachige CD-ROM zum Erlernen der arabischen Sprache am PC (Hocharabisch und syrische Dialekte, mit dem man sich in der arabischen Welt aber gut verständigen kann.).

Informationen enthält der beigefügte Flyer, der allerdings aufgrund der Photos ziemlich dick ist, daher über diesen Newsletter mit dem Domeus ? System nicht versandt werden kann. Mehr zur der CD Arabia gibt es auch unter
www.buske.de

Sie können den Flyer ab Ende dieser Woche als download von der D-A-G Homepage erhalten.

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3. Die Leseempfehlung

SPIEGEL - Spezial Nr. 2 vom Juni 2003

Der Islam und der Nahe Osten - Allahs blutiges Land

Diese neue Spiegel-Veröffentlichung zum Krisenherd Nahost (5 EURO - 130 Seiten) enthält neben einem Überblick mit informativen Länder - Dossiers verschiedene Aufsätze über den Islam und die unterschiedlichen Glaubensrichtungen, die Baath-Partei, die Hintergründe der Entstehung des Juden - Staates und die Schlüsselrolle der USA auch ein bemerkenswertes Interview mit Außenminister Josef Fischer und seine Vermittlungsversuche zwischen den Antipoden.

Ob jedoch eine Sentenz Fischers wie die folgende ihn für diese Rolle qualifiziert, ist eher fraglich: "Tatsächlich ist Israel eine Herausforderung für seine arabischen Nachbarn, aber eine positive: durch seine Modernität, die Offenheit der Gesellschaft, ihre Lebendigkeit, die Dynamik der Ökonomie von Technologie, von Forschung (vgl. S. 35)."

Weiter enthält das Heft Aufsätze zum amerikanischen Abenteuer im Zweistromland und gibt Überblicke über die politische Situation in Syrien, Iran, Jordanien, Saudi-Arabien, Ägypten, Kuweit, Dubai, Jemen, Libanon, Israel und Palästina - angereichert mit einer Fülle von Bildern und Kartenmaterial.