Jagd auf Kopftücher in Tunesien
Staatschef Ben Ali bekämpft im muslimischen Land den islamischen "Hidschab"
Von OTZ-Korrespondent Ralph Schulze, Tunis Tunesien sei ein moderner, liberaler und demokratischer Staat, predigt Staatschef Zine el-Abidine Ben Ali (70) regelmäßig seinem Volk. Und in der Tat hat Tunesien den Ruf, dass Frauen hier mehr Rechte haben und besser dastehen als in anderen arabischen Ländern. Jedenfalls soweit sie keine Kopftücher tragen.
Denn Ben Alis Sicherheitskräfte machen neuerdings in dem muslimischen Land, in dem der Islam Staatsreligion ist, Jagd auf die islamische Haarbedeckung. Frauen, die sich mit dem auch in Tunesien verbreitenden "Hidschab" auf die Straße trauen, wird der Schleier heruntergerissen. Oder sie werden aufs Polizeirevier geschleppt, wo sie unterschreiben müssen, dass sie künftig auf das Haartuch verzichten. Andere Verschleierte werden nicht zur Arbeit oder in die Universität gelassen und mit Drohungen wieder nach Hause geschickt. "Sektiererische Kleidung", sei dies, wettert Ben Ali, importiert aus fundamentalistischen islamischen Welten.
Das nordafrikanische Urlaubsland wird auch von westlichen Regierungen gern als vorbildlich gegen den vorrückenden islamistischen Fundamentalismus gefeiert. Dass dieses "Bollwerk" jedoch nur Dank eines Unterdrückungsapparates existiert, wurde der Welt spätestens auf dem globalen Internetgipfel der Vereinten Nationen vor einem Jahr in der Hauptstadt Tunis vor Augen geführt. Ausländische Korrespondenten, die sich zu sehr für Menschen- und Meinungsfreiheit interessierten, wurden von der Polizei auf der Straße verprügelt. Tunesischen Internetsurfern, die "verbotene Web-Seiten" etwa der Opposition besuchten, droht Gefängnis.
In den 90er Jahren war die politische Islamisten-Bewegung Ennahda gewaltsam zerschlagen worden. Ihre Sympathisanten wurden verfolgt, wanderten ins Gefängnis, tausende flohen ins Ausland. Trotzdem scheinen die Islamlisten auch in Tunesien, ähnlich wie in den Nachbarländern, auf dem Vormarsch zu sein. Nicht nur in Tunis tauchten in den letzten Jahren immer mehr Kopftücher und Bärte auf. Diplomaten gehen davon aus, dass Islamisten bei freien Wahlen nicht wenige Stimmen ernten können.
General Ben Ali, der sich 1987 an die Macht putschte, ließ sich bisher drei Mal mit 99 Prozent vom Volk küren. Doch es gibt Fortschritte: Im letzten und vierten Wahlgang vor zwei Jahren begnügte er sich mit 94 Prozent der Stimmen.
20.11.2006
Quelle: OTZ
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