Bei der Partnerwahl spielt die Religion eine große Rolle. Formal sind alle Kinder von Muslimen selbst Muslime, ob praktizierend oder nicht. Hochzeiten unterliegen demnach den islamischen Regeln. Da angenommen wird, dass die religiöse Erziehung von Kindern dem Vater unterliegt, dürfen muslimische Männer Frauen anderer Konfessionen heiraten- vorausgesetzt, diese gehören einer monotheistischen Religion an. Frauen hingegen sind dazu verpflichtet, Muslime zu heiraten.

In vielen deutsch-tunesischen Familien kommt es daher zu Konflikten, weil die Tochter einen Deutschen oder Europäer heiraten möchte. Ein Übertritt des Partners zum Islam kann das Problem in einigen Fällen lösen, meist ist die Religionsfrage jedoch nur oberflächlich. Viele tunesische Väter – ob in Tunesien oder in Deutschland – wünschen sich einen tunesischen Partner für ihre Töchter. Neben der Weitergabe der Religion an die Kinder spielen die Vermittlung von traditionellen Werten, das Einhalten einer islamischen Lebensweise, aber auch der Nationalstolz eine wichtige Rolle. Ist der Schwiegersohn Deutscher, werden die Enkel nur noch zu einem Viertel Tunesier sein.
Viele Väter fürchten sich ebenfalls vor dem Urteil der Gesellschaft. Der zum Islam übergetretene Schwiegersohn wird nicht immer als vollwertiger Muslim akzeptiert; man unterstellt ihm, nicht aus Glaube, sondern für die Tochter übergetreten zu sein- was in den meisten Fällen der Wahrheit entspricht.

Deutsch-tunesische Mädchen wachsen mit diesem Konflikt auf. Unabhängig von erzieherischen Fragen (Disco, Kleidung...) ist ihnen eine Beziehung – auch zu einem Muslim – im Teenageralter in der Regel untersagt. Eine Partnerschaft kommt erst in Frage, wenn der Partner zum Heiratskandidaten wird. Kommt es zu einer Trennung, nachdem er den Eltern vorgestellt wurde, bzw. nachdem eine Verlobung vollzogen wurde, ist Streit mit dem Vater nichts Seltenes.
In den meisten Familien ist ***ualität, auch wenn die Kinder erwachsen sind, tabu. Das Thema wird nicht angesprochen, bei Liebesszenen im TV der K**** gewechselt. Auch die Jungfräulichkeit der nicht verheirateten Töchter wird als selbstverständlich angesehen.
Wenn sie jung (d. h., noch nicht heiratsfähig oder –willig) sind, müssen viele Mädchen ihre Beziehungen geheim halten – an sich vergleichbar mit tunesischen Verhältnissen. In der Regel wird die Mutter schnell eingeweiht und unterstützt die junge Frau, wenn sie sich entschließt mit ihrem Vater darüber zu reden.

Viele junge Mädchen sind einer Beziehung zu einem Tunesier alleine schon abgeneigt, weil ihnen keine freie Wahl gelassen wird. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass viele Mädchen letztendlich Tunesier heiraten. Gründe hierfür könnten der enge Bezug zu Tunesien sein, das positive damit verbundene Bild (oft Urlaubsland), Schönheitsideale (viele Mädchen fühlen sich als Erwachsene mehr vom tunesischen Männertyp angezogen), aber auch psychologische Aspekte (wenn sie in Deutschland aufgewachsen sind und als Kind als ‚Ausländerinnen’ betrachtet wurden, kann es sein dass sie ihre Andersartigkeit später ausleben).

Einige können sich jedoch, auch wenn sie älter sind, nicht mit dem Gedanken anfreunden, einen Tunesier zu heiraten. Mögliche Gründe sind:
- Ein immer noch bestehender Konflikt mit dem Vater. Wenn mit dem Vater negative Dinge assoziiert werden, werden diese auf alle Tunesier übertragen.
- Schwierigkeiten, die Mentalität zu verstehen . Die Mädchen, die täglich oder in den Sommerferien z. B. in Kontakt mit Tunesiern kommen, fühlen sich in der tunesischen Gesellschaft nicht wohl. Sie wünschen sich mehr Selbstständigkeit, mehr Freiheiten, fühlen sich von der Gesellschaft überwacht (bzgl. Alkohol, Ramadan, Kleidung...). Einen tunesischen Ehemann zu heiraten würde aus ihrer Sicht bedeuten, die mühsam (oder noch nicht) eroberte Freiheit wieder zu verlieren, tunesische Werte respektieren zu müssen etc. Der "typische" tunesische Ehemann ist klischeehaft konservativ und streng.
- Probleme mit der Sprache: Viele Kinder aus deutsch-tunesischen Ehen weisen, wenn sie nicht auf der tunesischen Schule waren, lückenhafte Arabischkenntnisse auf, unabhängig davon ob sie in Deutschland oder in Tunesien aufgewachsen sind (viele Familien schaffen sich auch in Tunesien einen Mikrokosmos, in dem täglich nur Deutsch und Französisch gesprochen wird, das Arabische den Kindern aber fremd bleibt). Die Mädchen wünschen sich daher einen Partner, mit dem sie ohne Sprachbarrieren kommunizieren können. Tunesier können meist gut Französisch, aber ein leichter Akzent oder Ausdrucks- und Grammatikfehler können die Mädchen stören. Sie fühlen sich mit einem Muttersprachler wohler. Außerdem haben sie vielleicht Angst, dass der Partner oder seine Familie nur wenig Verständnis für ihre mangelnden Sprachkenntnisse aufbringt, zumal sie "Tunesierinnen" sind.
- kulturelle Barrieren : falls die Mädchen in einem sehr europäisch geprägten Umfeld aufgewachsen sind, haben sie nicht zwingend die gleichen Interessen wie ein Großteil der Tunesier. Arabische Musik z. B., oder Feste (Hochzeiten...) können auf sie abstoßend wirken. Wenn die Mädchen der Ansicht sind, dass sie und „Tunesier“ zu verschieden sind, geben sie einer Beziehung mit einem tunesischen Mann unter Umständen von Anfang an keine Chance.
- Prägungen aus der Kindheit : wenn die Mädchen in Tunesien auf dem Kindergarten / auf der Schule waren, haben gesellschaftliche Vorstellungen sie vielleicht sehr geprägt. Von frühester Kindheit an träumen sie von einem Mann, der dem Schönheitsideal entspricht (blond, glattes Haar, helle Haut und blaue Augen). Auch später fühlen sie sich von Männern europäischen Typs mehr angezogen.
Generell sind viele kleine deutsch-tunesische Mädchen der Ansicht, Europäer wären schön: hierbei spielen v. a. Haarstruktur und –farbe eine wichtige Rolle. Auch Mädchen, die in Deutschland aufgewachsen sind, teilen diese Meinung; vielleicht ist dies mit Eindrücken aus dem Urlaub in Tunesien zu verbinden. Da die meisten Mädchen dunkle Haare haben, kann dies zu Komplexen führen, die bis in die Pubertät erhalten bleiben.

Die Mädchen, die letzten Endes einen Europäer heiraten, leben meist nicht in Tunesien. Oft fürchten sie sich vor dem Urteil der tunesischen Gesellschaft, unabhängig davon ob ihr Mann zum Islam übergetreten ist oder nicht.
Von den tunesischen Vätern sehen nur wenige kein Problem darin, dass ihre Töchter einen nicht-muslimischen Mann heiraten. Eine solche Hochzeit muss jedoch in Europa vollzogen werden, da sie in Tunesien rechtlich nicht anerkannt wird.

Eine besondere Kategorie bilden binationale Männer, meist von tunesischen Vätern und deutschen oder französischen Müttern. Mit diesen Männern verstehen sich auch die Mädchen, die Probleme mit der tunesischen Mentalität, Kultur etc. haben. In den meisten Fällen haben diese Paare einen sehr europäischen und liberalen Lebensstil. Ein weiterer Vorteil ist, dass die binationalen Männer über ihren Vater zwangsläufig Muslime sind. Daher entfällt der Religionskonflikt.