Neuzeit
Rabbi Moses Maimonides hat bereits im Mittelalter einen weiteren Grund für die Beschneidung genannt: Die Geschlechtsorgane sollten so verletzt und geschwächt werden , dass sie zwar noch funktionieren, aber keine 'überschüssige' Lust mehr zulassen. Die Geschlechtsorgane bedürften keiner Perfektionierung, es gehe nicht um die Korrektur eines angeborenen, sondern eines moralischen Makels.

Diese ***ualfeindliche Begründung für die Beschneidung wurde im 18. Jh. in Europa wieder entdeckt. So empfahl der Schweizer Arzt Dr. Samuel Tissot die Beschneidung als Kur für Masturbation, die er als Ursache für "jugendliche Rebellion" und Krankheiten wie Epilepsie, "Erweichung von Körper und Geist ", Hysterie und Neurosen ansah.

Zu einer allgemeinen Einführung der Beschneidung kam es dennoch nicht, stattdessen wurden, neben der Methode der Infibulation, aus heutiger Sicht merkwürdige Apparaturen und Vorrichtungen zur Verhinderung der Masturbation propagiert.

Eine Ausnahme bildete lediglich das viktorianische England. Dort fand die chirurgische Methode vor allem bei der Oberklasse breite Zustimmung, um die Knaben und Mädchen zu "keuschem Verhalten" anzuhalten. Durch das britische Imperium (Commonwealth) verbreitete sich die Beschneidung schließlich auch in anderen Ländern, wie den USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Südafrika und Indien.

Besonders in den puritanischen USA erlebte die Beschneidung ab Mitte des 19. Jh. eine starke Verbreitung. Nach dem englischen Vorbild versuchte man bei beiden Geschlechtern das Verhindern der Masturbation u. a. durch die Beschneidung zu erreichen, da man ihr schädliche Folgen bis zum Tode zuschrieb und sie aus rein religiösen Gründen ablehnte.

Viele einflussreiche Mediziner in zahlreichen Publikationen äußerten sich für eine Beschneidung und empfahlen bei weiblichen Personen neben der Klitoridektomie etwa das Auftragen reiner Karbolsäure auf die Klitoris, als einen "hervorragenden Weg, um die abnormale Erregung zu dämpfen." Dr. John Harvey Kellogg, in: Plain Facts for Old and Young, Burlington, Iowa, F. Segner & Co., 1888, S. 295

Die Beschneidung der Mädchen wurde in den USA bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts praktiziert, fand aber nicht die gleiche Zustimmung wie die männl. Beschneidung, da die mit der Beschneidung beabsichtigte "Dämpfung der ***uellen Begierde" nach Ansicht der damaligen Zeitgenossen bei Mädchen in wesentlich geringerem Umfang erforderlich sei als bei Jungen.

Im 20. Jh. ließen sich derart radikale Forderungen nach ***ueller Enthaltsamkeit in den meisten Ländern nicht mehr aufrecht erhalten und so wurde etwa in den USA, Südkorea und Teilen der islamischen Welt der Wunsch nach moralischer Reinheit umgeformt auf den Begriff der Hygiene. Die hier bei Jungen angeführten "hygienischen Gründe" halten jedoch einer sachlichen Betrachtung genau so wenig stand wie bei den Frauen in Afrika.

Gegenwart
In den USA werden gegenwärtig ca. 50-55% der männlichen Neugeborenen beschnitten. Im traditionell konservativen Mittleren Westen liegt der Anteil erheblich höher (ca. 80%) als im Westen (zwischen 30 und 40%). Die Tendenz ist insgesamt falle