http://de.news.yahoo.com/030514/71/3fz5u.html Mittwoch 14. Mai 2003, 20:43 Uhr
Sahara-Touristen von Militär befreit - 15 noch vermisst
Köln/Algier (Reuters) - Rund zwei Monate nach ihrer Geiselnahme sind 17 der 32 europäischen Sahara-Touristen wieder frei, darunter sechs Deutsche. Sie kehrten am Mittwoch abend nach Deutschland und Österreich zurück.
Algerisches Militär habe einen Unterschlupf militanter Islamisten in der Sahara gestürmt und die 17 Touristen befreit, teilte das Militär am Mittwoch mit. Nach einem kurzem Gefecht seien die Urlauber unverletzt und gesund befreit worden. In Militärkreisen hieß es, die Urlauber seien nahe der Stadt Tamanrasset gefangen gehalten worden. Nach einem Bericht der algerischen Zeitung "El Watan" wurden bei der mehrstündigen Befreiungsaktion am Dienstag neun der Geiselnehmer getötet. Die Touristen waren nach Angaben der algerischen Armee in der Hand der radikalen Salafisten-Organisation für Gebet und Kampf (GSPC).
Die noch vermissten 15 Touristen - zehn Deutsche, vier Schweizer und ein Niederländer - werden in einem Versteck nahe der südalgerischen Stadt Illizi vermutet. Spezialeinheiten seien auf der Suche nach diesem Versteck, berichtete "El Watan" unter Berufung auf Sicherheitskreise. Dabei würden auch Flugzeuge eingesetzt, die mit wärmeempfindlichen Detektoren ausgerüstet seien. Die GSPC wird verdächtigt, Beziehungen zur El-Kaida-Organisation des Extremisten Osama bin Laden zu haben. Ein Diplomat sagte in Algier, die Streitkräfte müssten nach der ersten Befreiungsaktion nun schnell handeln, um auch die übrigen Geiseln zu befreien.
Seit etwa zwei Monaten galten zunächst 31 Touristen in der Sahara als vermisst, darunter 15 Deutsche, zehn Österreicher, vier Schweizer sowie ein schwedischer und ein dänischer Staatsangehöriger. Ein weiterer Deutscher wurde vor wenigen Tagen als vermisst gemeldet.
BEFREITE MÜDE ABER ÄUSSERLICH UNVERSEHRT
Die befreiten sechs deutschen Touristen und ein in Deutschland lebender Schwede landeten an Bord einer Sondermaschine der Bundesluftwaffe am Abend auf dem Flughafen Köln/Bonn. Sie machten beim Aussteigen aus dem Flugzeug einen müden Eindruck, schienen körperlich aber alle unversehrt. Einer von ihnen spreizte die Finger zum Siegeszeichen. Zwei der Befreiten waren in orientalische Gewänder gehüllt. Außenamts-Staatssekretär Jürgen Chrobog, der die Touristen in Algier abgeholt hatte, sprach von einem ersten Teilerfolg, allerdings auch von großer Sorge über das Schicksal der noch 15 verbleibenden Geiseln. Um deren Leben nicht zu gefährden, könnten auch keine Einzelheiten zur Befreiung der ersten Gruppe genannt werden. "Ich bin hoffnungsvoll, dass auch die nächsten und letzten Geiseln möglichst bald sicher und gesund ihre Heimatländer wieder erreichen werden", sagte Chrobog.
In Salzburg gingen zunächst Angehörige an Bord des Flugzeuges, mit dem die Befreiten zurückkamen. Den befreiten österreichischen Geiseln geht es nach Angaben des Wiener Außenministeriums "den Umständen entsprechend gut". Sie seien müde, abgespannt und erschöpft, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Martin Weiss, vor Journalisten auf dem Salzburger Flughafen. Sie hätten aber keine äußeren Verletzungen.
AUSWÄRTIGES AMT: LÖSEGELDFORDERUNGEN SIND SPEKULATION
Außenamtssprecher Walter Lindner sagte zu der Frage, ob der Besuch von Außenminister Joschka Fischer (Grüne) am Wochenanfang in Algerien in Zusammenhang mit der Freilassung stehe, lediglich: "Der Minister war Montag in Algier und hat lange Gespräche geführt." Fischer selbst hatte angebliche Verhandlungen über Lösegeld während seiner Reise als Spekulation bezeichnet. Das Schweizer Magazin "Hebdo" hatte am Wochenende berichtet, es gebe eine Lösegeldforderung in Höhe von 23 bis 34 Millionen Dollar.
Ein Sprecher des Innenministeriums sagte auf die Frage nach einer Beteiligung deutscher Sicherheitskräfte an der Befreiung: "Was deutsche Sicherheitskräfte in Algerien gemacht haben, gehört zu den Details, die ich nicht mitteilen möchte." Einen möglichen Zusammenhang zwischen der Geiselnahme und Islamisten, die in Frankfurt im Gefängnis einsitzen, bezeichneten sowohl Lindner als auch Steg als Spekulation.