Naja Sanfour - ohne diverse Geh- und Stehhilfen läge auch unsere Wirtschaft wahrscheinlich schon komplett auf der Plauze...

Ich hab das Spielchen mit einem Freund gespielt. Da ich die "Desillusionierung" ja hautnah bei meinem Freund erlebt habe, konnte ich ihm mal ganz harsch all das servieren, was in der allgemeinen Verklärtheit nur zu gern übersehen wird. Es ist ja nicht nur die wirtschaftliche Seite, die falsch gesehen wird, auch die soziokulturellen Aspekte werden kaum oder gar nicht berücksichtigt. Ich schilderte ihm nicht nur die wirtschaftlich schwierige Lage, Arbeitslosigkeit, hohe Belastungen, sondern auch die "Einsamkeit", das Herausgerissensein aus allem Vertrauten plötzlich, dass man eben keine Horde Kumpels mehr hat, Sprachprobleme, Langeweile (wenn Frau den Lebensunterhalt bestreitet und er den ganzen Tag zuhause hockt), die daraus resultierenden Konflikte, weil sie müde heim kommt, er nach einem langweiligen Tag was unternehmen will, die Streitereien um Geld und den (für mich verständlichen) Anspruch der Frau, dass er, wenn er sowieso nichts zu tun hat, den Großteil des Haushalts erledigen sollte, wenn sie arbeiten ist, damit die wenige Freizeit gemeinsam genutzt werden kann und, und, und...

Daraufhin herrschte eine Weile betretenes Schweigen. Und dann kam der Schlüsselsatz: Naja, man kann ja hier auch ganz gut leben.
Im Rosa-Brillen-Vergleich mag Deutschland ja ganz toll erscheinen, aber wenn man die knallharten Tatsachen plötzlich realisiert, stellt man eben dann doch fest - hey, so schlecht scheint es hier nicht zu sein, Arbeit gibt es hier und da offensichtlich nicht, aber hier ist man wenigstens "gut aufgehoben", weil man sein Umfeld hat. Wenn die heimkehrenden Tunesier neben den materiellen Problemen auch mal ganz ehrlich die zwischenmenschlichen, sozialen schildern würden, könnte sich so manches "Missverständnis" wohl vermeiden lassen.