|  | 
|  |  |  |  
|  | 
| 
| 
|  Re: Warum?
 #15465 13/12/2004 13:48
13/12/2004 13:48
 |  
| Anonym
 Nicht registriert
 |  
| Anonym Nicht registriert
 
 
 
 
 | 
Ich erkläre dir dazu mal folgendes:
 - Früher war es in Deutschland einfacher Geld zu verdienen und sich etwas aufzubauen, dies war in der Periode des Aufschwungs so. Wer arbeiten wollte  hatte Arbeit, nicht so wie in Tunesien
 
 - Die Gastarbeiter haben ihre Familien im Ausland an anfangs kleine Geschenke, später größere Geschenke gewöhnt. D. h. wenn ein Onkel aus dem Ausland kommt werden von ihm Geschenke erwartet
 
 - Die Mehrheit in TN hat wohl noch nicht mitbekommen, dass Europa auch von der Weltwirtschaftskrise betroffen ist und dass sich die Relation zu Ausgaben und Einnahmen des Otto-Normalverbrauchers  verändert haben, so dass meist nicht mehr viel zum Sparen übrig bleibt
 
 Daraus folgt: Da die meisten Emigranten in ihrer Heimat mit ihrem Besitz angeben wollen, oder zeigen wollen, dass sie´s fern der Heimat zu etwas gebracht haben, haben sie nicht den Mut zu sagen "Hört mal, ich bin arbeitslos, habe kein Geld, die Zeiten haben sich geändert" Denn es würde ihm keiner glauben, denn ca. 80% aller im Ausland lebenden Tunesier kommen mit den neusten Outfits, den neusten Handys, den begehrtesten Autos (auch wenn sie nur gemietet sind um zu tun als ob) nach Tunesien um dort anzugeben.
 
 Wenn ich dann komme und sage, dass ich einen normalen Lebensstandard habe dann werden Vergleiche angestellt und die Leute munkeln: "Schau mal, der Sohn von XY ist in Deutschland und hat jetzt Auto/Haus/Swimmingpool und der Sohn von YZ hat´s zu nix gebracht"
 
 Es fehlt hier an Ehrlichkeit.
 
 LG
 Sena
 |  |  |  |  |  
|  |  |  |  
|  |  |  |  
|  | 
| 
| 
|  Re: Warum?
 #15466 13/12/2004 18:25
13/12/2004 18:25
 |  
| Joined:  Feb 2003 Beiträge: 129
 Drauschdoa
Dino
   Member
 |  
|   Member
 
 Joined:  Feb 2003
 Beiträge: 129
 Drauschdoa
 | 
Mein Mann erklärt seinen Freunden und Bekannten in TN auch immer, daß man in D viel arbeiten muß, damit man zu etwas kommt. Daß es ein stressiges Leben hier ist, das Geld nicht auf der Straße liegt und man froh sein muß, wenn man überhaupt Arbeit hat und der Lohn meistens nur für's Monat reicht und man nichts sparen kann. Aber gleichzeitig hat er sich heuer eingebildet, mit dem Auto nach TN fahren um es zu präsentieren. Unsere Ferienwohnung kostete 600 Dinar für 3 Wochen (was für Juli eigentlich günstig ist) - welcher Tunesier verdient schon so viel Geld um sich so eine Wohnung leisten zu können... Und irgendwie passt das dann nicht zusammen, einerseits jammern und andererseits zeigen, daß man doch genug Geld hat.
 Solange die Tunesier, die in Europa leben, mehrmals im Jahr nach TN fliegen / fahren können, eine Ferienwohnung / ein Hotel zahlen können, tolle Klamotten haben, vielleicht auch noch große Geschenke mitbringen (das tun wir Gott sei Dank nicht) glauben die Leute in TN, daß wir viel Geld haben...
 |  |  |  |  |  
|  |  |  |  
|  |  |  |  
|  | 
| 
| 
|  Re: Warum?
 #15469 14/12/2004 07:31
14/12/2004 07:31
 |  
| Joined:  Jun 2004 Beiträge: 5,235
 Süden
Karmoussa
   Mitglied*
 |  
|   Mitglied*
 
 Joined:  Jun 2004
 Beiträge: 5,235
 Süden
 | 
Naja Sanfour - ohne diverse Geh- und Stehhilfen läge auch unsere Wirtschaft wahrscheinlich schon komplett auf der Plauze...
 Ich hab das Spielchen mit einem Freund gespielt. Da ich die "Desillusionierung" ja hautnah bei meinem Freund erlebt habe, konnte ich ihm mal ganz harsch all das servieren, was in der allgemeinen Verklärtheit nur zu gern übersehen wird. Es ist ja nicht nur die wirtschaftliche Seite, die falsch gesehen wird, auch die soziokulturellen Aspekte werden kaum oder gar nicht berücksichtigt. Ich schilderte ihm nicht nur die wirtschaftlich schwierige Lage, Arbeitslosigkeit, hohe Belastungen, sondern auch die "Einsamkeit", das Herausgerissensein aus allem Vertrauten plötzlich, dass man eben keine Horde Kumpels mehr hat, Sprachprobleme, Langeweile (wenn Frau den Lebensunterhalt bestreitet und er den ganzen Tag zuhause hockt), die daraus resultierenden Konflikte, weil sie müde heim kommt, er nach einem langweiligen Tag was unternehmen will, die Streitereien um Geld und den (für mich verständlichen) Anspruch der Frau, dass er, wenn er sowieso nichts zu tun hat, den Großteil des Haushalts erledigen sollte, wenn sie arbeiten ist, damit die wenige Freizeit gemeinsam genutzt werden kann und, und, und...
 
 Daraufhin herrschte eine Weile betretenes Schweigen. Und dann kam der Schlüsselsatz: Naja, man kann ja hier auch ganz gut leben.
 Im Rosa-Brillen-Vergleich mag Deutschland ja ganz toll erscheinen, aber wenn man die knallharten Tatsachen plötzlich realisiert, stellt man eben dann doch fest - hey, so schlecht scheint es hier nicht zu sein, Arbeit gibt es hier und da offensichtlich nicht, aber hier ist man wenigstens "gut aufgehoben", weil man sein Umfeld hat. Wenn die heimkehrenden Tunesier neben den materiellen Problemen auch mal ganz ehrlich die zwischenmenschlichen, sozialen schildern würden, könnte sich so manches "Missverständnis" wohl vermeiden lassen.
 |  |  |  |  |  
|  |  |  |  
 |