Vor 1000 Jahren war Arabien ein anderes Wort für Wohlstand. Vorbei. Heute hinken die 22 Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens, die in der Arabischen Liga vereint sind, wirtschaftlich hinterher. Einige von ihnen sind zwar reich an Öl, dem wichtigsten Rohstoff des Industriezeitalters. Trotzdem ist die Wirtschaftsleistung der gesamten Region kaum höher als die von Spanien.
Abgesehen von den afrikanischen Ländern südlich der Sahara, sagt Rolf J. Langhammer, Entwicklungsforscher und Vizepräsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, »bereitet uns die arabische Region die meisten Sorgen«. Fast 65 der rund 300 Millionen Araber sind Analphabeten. Zehn Millionen Kinder unter 15 Jahren besuchen keine Schule. In Algerien sind fast 40 Prozent der 15- bis 24-Jährigen arbeitslos, in Marokko und Ägypten jeweils 35 Prozent.
Jeder fünfte Araber muss mit weniger als zwei Dollar am Tag auskommen
Der Lebensstandard in den arabischen Ländern fällt gegenüber anderen Weltregionen immer mehr zurück. In den vergangenen 25 Jahren ist das Pro-Kopf-Einkommen kaum gestiegen, während es in den Entwicklungsländern insgesamt jährlich um mehr als zwei Prozent wuchs. Jeder fünfte Araber muss mit umgerechnet weniger als zwei Dollar pro Tag auskommen – trotz des Ölreichtums, trotz der Entwicklungshilfe, die sogar doppelt so hoch ist wie im Durchschnitt sämtlicher Dritte-Welt-Länder.
Was läuft schief in den arabischen Ländern? In einer Region, die über ein reiches kulturelles Erbe verfügt und die kolonialen Fesseln längst gesprengt hat? Hatte ihr Allah nicht den führenden Platz in der Welt verheißen? Stattdessen greift die Verelendung um sich – und mit ihr der islamische Fundamentalismus, den seine Anhänger als Ausweg aus der Misere preisen.
Ist es womöglich gerade die Religion, welche die Araber am Vorankommen hindert?
Volker Nienhaus, Ökonom und Präsident der Universität Marburg, ist dieser Frage nachgegangen. Er wollte wissen, ob der Koran und die Sunna, die von Gott autorisierte Interpretation des Korans durch den Propheten Mohammed, der Entwicklung einer modernen Wirtschaft entgegenstehen. Seine Antwort: Zeitgemäß interpretiert, ist der Islam ebenso wenig entwicklungshemmend wie die moderne Auslegung der christlichen Lehre.
Obwohl Allah die Güter dieser Welt allen Menschen zur Verfügung gestellt hat, erkennt islamisches Recht Privateigentum an Produktionsmitteln an. Die »Lehre vom gerechten Preis« lässt sich so deuten, dass Preise auf Wettbewerbsmärkten zustande kommen sollten. Und die islamische Lehre vom »rechtem Maß und Gewicht« ist nach moderner Auslegung eine Aufforderung, die Geld- und Fiskalpolitik am Ziel der Geldwertstabilität auszurichten. Zwar würden es muslimische Ökonomen anders formulieren. Tatsächlich aber, so Nienhaus, stellten die verschiedenen islamisch legitimierten Teilordnungen »eine Variante der sozialen Marktwirtschaft« dar.
Wenn nicht der Islam dem Fortschritt im Wege steht, woran hapert es dann in der arabischen Welt?
Lange Jahre haben arabische Intellektuelle in Teehäusern und Studierzimmern über diese Frage debattiert – bis das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) sie ermunterte, ihre Gedanken aufzuschreiben. Herausgekommen ist der Arab Human Development Report (AHDR), eine Abrechnung mit den arabischen Entwicklungsblockaden. 2002 erschien der Bericht erstmals, 2003 zum zweiten Mal. Die Publikation des dritten Reports, für Oktober vergangenen Jahres avisiert, verzögert sich bis heute. Der Grund: Der Text enthält kritische Äußerungen zur amerikanischen Irak- und Israel-Politik. Deshalb habe die US-Regierung beim New Yorker UNDP-Büro interveniert, behauptet Nader Fergany, ägyptischer Soziologe und Leiter des Teams, das den Bericht verfasst hat.
Als die Autoren vor drei Jahren erstmals zusammensaßen, war die Herausforderung immens. Es galt, die Wachstumshemmnisse sowohl in den reichen Ländern der Region, etwa den Vereinigten Arabischen Emiraten, zu identifizieren als auch in den armen wie dem Jemen, sowohl in Ländern, unter deren Boden Öl lagert, als auch in solchen, die über keine Rohstoffe verfügen, sowohl in bevölkerungsreichen wie Ägypten mit seinen mehr als 70 Millionen Einwohnern als auch in kleinen Ländern wie Qatar, das gerade einmal 600000 Menschen beherbergt.
Doch so heterogen die arabische Welt ist, das Team um Fergany fand Gemeinsamkeiten. Und zwar solche, die in ihrer Kombination »einzigartig« sind, wie der ägyptische Forscher sagt. Sämtlichen dieser Staaten fehlt es an Freiheit, Wissen und der Beteiligung der Frauen am wirtschaftlichen und öffentlichen Leben. Zwei dieser Defizite könne ein Land verkraften, so die Forscher. Doch dreifach gefesselt, träten die arabischen Länder auf der Stelle.
Tatsächlich berauben sich die Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens ihrer wichtigsten Ressource: der Menschen und ihrer geistigen Potenziale. »Wenn Gott einen Menschen demütigen wollte, würde er ihm Wissen verweigern«, zitieren die AHDR-Autoren den Imam Ali bin abi Taleb, den Vetter des Propheten Mohammed. Die Worte des Gelehrten aus dem 6. Jahrhundert sind heute treffender denn je. Doch die Regierungen der arabischen Länder missachten sie sträflich.[...]
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http://www.zeit.de/2005/05/ArabienOhne Freiheit wird es keinen Fortschritt geben!Es ist nicht der Islam oder sonst was, welches die arabsichen Länder an ihrem fortschritt hindert, sondern einzig und allein die Politik und das denken der Menschen!Wir araber müssen aufhören zu schlafen und zu träumen , wir müssen handeln um Wettbewerbsfähig zu werden, um Gebildeter zu werden, Stäker zu werden usw. usf. erst dann werden Veränderungen kommen!