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|  Arabien leidet am Gefühl der Ohnmacht und Einflusslosigkeit
 #149870 13/10/2004 21:03
13/10/2004 21:03
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| Joined:  Dec 2003 Beiträge: 232
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Gemel Abdel-Nasser
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Arabien leidet am Gefühl der Ohnmacht und EinflusslosigkeitVor zwölf Jahren unterstützten die arabischen Staaten Bushs Versuch, die Region zu stabilisieren – Heute fürchten sie das Chaos
 
 von Asher Susser
 
 Tel Aviv  -  Während sich die USA auf den möglichen Krieg gegen den Irak vorbereiten, findet sich die arabische Welt in einem beschämenden Zustand der kollektiven Hilflosigkeit. Angeschlagen von über zwei Jahrhunderten der Niederlagen gegen den Westen, scheint sie immer mehr in der arabischen Zwangslage zu versinken.
 
 Diese Zwangslage zeigt sich in einem kontinuierlichen sozioökonomischen Niedergang und einer verzögerten Entwicklung. Wie ein aktueller Bericht der UNO feststellt, ist die Wirtschaftskraft aller arabischen Länder zusammen geringer als die Spaniens. In den zurückliegenden Jahrzehnten schnitt nur noch Schwarzafrika schlechter ab. Arabische Journalisten und Schriftsteller werden nicht müde, die Machtlosigkeit Arabiens zu beklagen. In ihrem eigenen Selbstbild sind die heutigen Araber ebenso ohnmächtig wie zur Zeit des Ersten Weltkriegs.
 
 Für die ältere Generation war die Situation nicht immer derart trostlos. Während seiner Blütezeit in den fünfziger und sechziger Jahren teilte sich Ägyptens junger und charismatischer Präsident Gamal Abdel Nasser die Führerschaft der erwachenden Dritten Welt mit so illustren Namen wie dem Inder Nehru und dem Jugoslawen Tito. Auf Augenhöhe mit anderen Staatsmännern seiner Zeit drückte Nasser der Region seinen Stempel auf. Er machte westliche Bemühungen zunichte, einen antisowjetischen Verteidigungspakt im Nahen Osten zu gründen, verstaatlichte den Suezkanal und fügte den Engländern und Franzosen das Suez-Debakel zu.
 
 Viele Jahre lang war Nasser der unumstrittene Führer der arabischen Welt. Er pries seine messianische Vision einer arabischen Einheit, eines arabischen Sozialismus im Bündnis mit der Sowjetunion als Allheilmittel gegen die Leiden der arabischen Welt. All dies änderte sich im Jahr 1967. Nach dem Sechstagekrieg lag der Nasserismus in Trümmern. Seither hat sich die arabische Welt in einem kontinuierlichen Abstieg befunden. Auf den Ruinen des Nasserismus gedieh der islamische Fundamentalismus. Doch die Bilanz der iranischen Ayatollahs, der afghanischen Taliban und der Islamisten im Sudan fällt auch nicht gerade glänzend aus. Die junge Generation, die den Schah nicht mehr erlebte, verabscheut das Teheraner Regime. Statt sein Versprechen einer Wende zum Guten zu halten, hat sich der radikale Islam zu einer Bewegung des Ressentiments und der Rache entwickelt.
 
 Im Jahr 1973 schien es vielen in der arabischen Welt für einen kurzen Moment so, als könne die Ölwaffe zu einem Garanten arabischen Wohlstands und Wiedererstarkens werden. Auch daraus wurde nichts. In den achtziger Jahren ließ der sinkende Ölpreis die arabischen Volkswirtschaften in eine Krise stürzen, von der sie sich bis heute nicht erholt haben. Sogar den Saudis fällt es zunehmend schwer, ihr gut geöltes politisches System am Laufen zu halten. Denn das Wüstenkönigreich erkauft sich die Loyalität der Mittelschicht durch Gefälligkeiten, die ihnen der Staat gewährt. Der 11. September zog einen Ausbruch amerikanischer Wut gegen Saudi-Arabien nach sich. Aber heutzutage würden die Saudis nicht im Traum daran denken, mit einem neuen Ölboykott darauf zu antworten. Stattdessen haben sie PR-Spezialisten engagiert, die ihr Image aufpolieren sollen.
 
 In diesem Gesamtbild der Schwäche hätte der Irak die Ausnahme sein können. Er ist ein außergewöhnlicher arabischer Staat, der sich durch eine optimale Kombination von Bodenschätzen, technischer Fortgeschrittenheit und einer gebildeten Bevölkerung auszeichnet. Aber Saddam Hussein entschied sich dafür, die irakische Macht in zerstörerische Konfrontationen mit den Nachbarstaaten zu lenken – zunächst mit dem Iran, dann mit Kuwait. Indem er dies tat, brachte er fast die ganze Welt gegen sich auf. Im ersten Golfkrieg der Jahre 1990/91 schlugen sich sogar die arabischen Staaten auf die Seite Amerikas. Letztlich intervenierten die USA, um die vorherige Machtverteilung in der Region wiederherzustellen, und die meisten arabischen Staaten unterstützen dieses Großziel.
 
 Die jetzige Krise unterscheidet sich jedoch erheblich vom ersten Golfkrieg. Die USA beabsichtigen nicht deshalb einzugreifen, weil sie die bisherige Machtverteilung retten, sondern weil sie sie umstoßen wollen. Selbst jenen Arabern, die Saddam verachten und fürchten, wird äußerst unbehaglich zu Mute, wenn sie daran denken, dass Amerika sich über die nahöstlichen Regimes hinwegsetzt und womöglich sogar die territoriale Integrität eines arabischen Staats bedroht. Die neue US-Doktrin des Präventivkriegs hat in der arabischen Welt ein durchdringendes Gefühl der Verunsicherung hervorgerufen. Auf welcher Grundlage werden die USA beurteilen, von welchem Staat eine Bedrohung ausgeht? Wen werden sie als Nächstes angreifen? Amerikas Krieg, so behaupten manche im Nahen Osten, richtet sich gegen die Araber. Aber auch wenn sie gravierende Vorbehalte gegen die US-Politik haben, so können sie doch wenig dagegen unternehmen. Die USA sind nicht einmal gezwungen, den arabischen Staaten einen echten Preis für ihre widerstrebende Einwilligung in eine Militäraktion gegen den Irak zu zahlen. Derweil enthält der neue amerikanische Plan für die Palästinenser nicht viel mehr als Lippenbekenntnisse.
 
 Während sie Tag für Tag ihre kollektive Trägheit unter Beweis stellen, sehen die arabischen Länder in eine düstere Zukunft. Als politische Einheit existieren sie kaum. Es gibt nicht einmal Lager oder Achsen arabischer Länder, die miteinander konkurrieren. Es gibt lediglich ein scheckiges Durcheinander von Staaten, das unfähig ist, etwas für die Araber im Allgemeinen oder für die Palästinenser im Besonderen zu tun. Auch gibt es niemanden in der arabischen Welt, der die Rolle einer zukunftsweisenden Leitfigur übernehmen könnte. Es herrscht ein Vakuum der Ohnmacht und der Unsicherheit.
 
 Für Israel ist die arabische Schwäche ein Segen und ein Fluch zugleich. Einerseits neigt sich die Waagschale der Macht zu Gunsten des jüdischen Staats. Andererseits pflanzt der derzeitige Zustand den Samen einer noch größeren Verzweiflung und Wut in die Herzen der Araber. Und diese könnten eines Tages einen Ausweg in politischen Abenteuern, noch schlimmerem Terror und einem noch entschlosseneren Griff nach den ultimativen Gleichmachern – den Massenvernichtungswaffen – suchen.
 
 Der Autor ist Arabien-Experte am Mosche-Dajan-Center in Tel Aviv.
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