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http://de.news.yahoo.com/041008/3/48ntm.html Freitag 8. Oktober 2004, 18:22 Uhr
Eine israelisch-ägyptische Oase des Friedens ist zerstört
Taba (dpa) - Eine angesengte Matratze liegt im Schutt. Der Swimmingpool ist leer, das Wasser wurde zum Löschen benutzt. Die Rettungsarbeiten am Hotel Hilton im ägyptischen Taba, unmittelbar am Grenzübergang zu Israel, sind wenige Stunden nach dem Anschlag in vollem Gange.
Mittlerweile haben israelische Spezialkräfte die Regie übernommen. In der Nacht hatten die Ägypter sie zunächst nicht über die Grenze gelassen. «Wir haben von vier Uhr morgens bis acht Uhr gewartet», sagt Yaron, ein junger Rettungshelfer. «In dieser Zeit hätten wir viele Menschen retten können.» Die Opferzahl steht noch nicht fest, unter den Trümmern werden noch immer Menschen vermutet. «Wahrscheinlich sind die meisten von Ihnen jetzt tot», klagt Yaron.
Unterdessen bewegt sich eine lange Schlange von Touristen über den Grenzübergang zurück nach Israel. Ihre Mienen sind starr. Manche von von ihnen machen zögernd noch ein Foto von dem Luxushotel, dessen Frontseite komplett zerstört ist. Autowracks liegen dort, wo zuvor ein Parkplatz war, möglicherweise ist das Fahrzeug eines Attentäters darunter. Die Betonböden hängen wie Vorhänge an dem Gebäude herunter, die Teppiche haben sich gelöst und baumeln im Wind. Von einem Balkon im zweiten Stock hängt ein aus Bettlaken gedrehtes Behelfsseil, mit dem sich Hotelgäste abgeseilt hatten.
Helfer laufen zwischen den Trümmern herum und suchen weiter nach menschlichen Überresten. Zwei Kräne stehen bereit, um die die großen Schuttbrocken beiseite zu schaffen.
Die Ostküste der Sinaihalbinsel war das einzige Naherholungsgebiet der Israelis jenseits ihrer engen Grenzen. «Wir waren alle paar Wochen hier», sagt Zaki Grunberger, ein 27-jähriger aus Tel Aviv. «Es ist billig, und es ist wunderschön: auf der einen Seite die Wüste, auf der anderen das Meer.» Mit Ägyptern hätten sie sich immer gut verstanden, sagte Zaki. Im Sinai lebten israelische Touristen und Ägypter in einer kleinen heilen Urlaubswelt friedlich zusammen. «Das ist jetzt vorbei», meint Zaki bitter.
So wie Zaki und seine Freunde stehen viele Leute mit Rucksäcken und Schlafmatten in der Schlange an der Grenzkontrolle. Dahab und Nuweiba, wo es einen weiteren Anschlag gegeben hatte, waren bislang herrliche Faulenzerparadiese. Die meist jungen Urlauber gingen entweder schnorcheln oder lümmelten in Strohhütten mit Meerblick auf dicken Polstern am Strand herum. Man trank süßen Tee mit Beduinen und rauchte Wasserpfeife oder andere Rauschmittel.
Die wenigsten Israelis, die am Freitag die Grenze überquerten, können sich vorstellen, in absehbarer Zeit wiederzukommen. «Das wird sicher zwei bis drei Jahre dauern", sagt Schachar Ye'ori, der mit seiner Frau und drei Kindern regelmäßig in den Sinai gefahren ist. «Wir haben uns hier immer sehr sicher gefühlt. «Jetzt werden wir erst einmal nicht mehr herkommen.»
Die Ägypter sind von dem Anschlag mindestens ebenso schockiert wie die israelischen Touristen. «Viele von uns haben nun Angst, ihre Arbeit zu verlieren», fürchtet Nasser, ein Reiseführer aus Taba. «Wir sind wütend auf die Leute, die das angerichtet haben. Sie haben uns alles kaputt gemacht.»