http://www.bmfsfj.de/Politikbereiche/gleichstellung,did=14952.htmlDi 17.02.2004
Gewalt gegen Frauen: Problemaufriss
Das Spektrum der Gewalt gegen Frauen ist breit. Es reicht von Belästigungen auf der Straße und Übergriffen im Berufsleben über vielfältige Formen der Missachtung, der Misshandlung und des sexuellen Missbrauchs in- und außerhalb der Familie bis hin zu Vergewaltigungen, Tötungen und Frauenhandel.
Über das tatsächliche Ausmaß der Gewalt gegen Frauen ließen sich bisher aufgrund der Definitionsbreite keine gesicherten Angaben machen. Auch die Polizeiliche Kriminalstatistik ist hier wenig aussagekräftig, da viele Frauen Gewalttaten und Nötigungen nicht anzeigen - besonders, wenn sie durch den Partner erfolgen. Das Bundesfrauenministerium hat daher die Studie "Lebenssicherheit, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland" durchführen lassen, die repräsentative Ergebnisse zu Ausmaß, Hintergründen und Folgen von Gewalt gegen Frauen liefert. Im Rahmen der Studie wurden 10.000 in Deutschland ansässige Frauen zuzüglich je 250 türkisch- und russisch-sprachige Migrantinnen in Interviews befragt:
37 Prozent aller befragten Frauen haben mindestens einmal körperliche Gewalt seit dem 16. Lebensjahr erlebt. 13 Prozent der befragten Frauen haben seit dem 16. Lebensjahr sexuelle Gewalt erlitten. 40 Prozent der befragten Frauen haben körperliche oder sexuelle Gewalt oder beides seit dem 16. Lebensjahr erlebt. 58 Prozent der Befragten haben unterschiedliche Formen von sexueller Belästigung erfahren. 42 Prozent aller befragten Frauen haben Formen von psychischer Gewalt wie systematische Abwertung, Demütigung, Ausgrenzung, Verleumdung, schwere Beleidigung, Drohung und Psychoterror erlebt.
Gewalt gegen Frauen im häuslichen Bereich
Gewalt gegen Frauen im häuslichen Bereich durch den Partner, aber auch durch andere männliche Verwandte, gehört leider für viele Frauen immer noch zum Alltag. Die Ergebnisse der repräsentativen Untersuchung "Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland" zeigen auf, dass mindestens jede vierte Frau im Alter von 16 bis 85 Jahren, die in einer Partnerschaft gelebt hat, körperliche (23%) oder - zum Teil zusätzlich - sexuelle (7%) Übergriffe durch aktuelle oder frühere Beziehungspartner ein- oder mehrmals erlebt hat. Frauen sind demnach von häuslicher Gewalt mehr bedroht als durch andere Gewaltdelikte wie Körperverletzung mit Waffen, Wohnungseinbruch oder Raub.
Beim sexuellen Mißbrauch von Kindern rechnen Sachverständige unter Berücksichtigung hoher Dunkelziffern jährlich mit mehr als 100.000 Fällen, wobei 70 Prozent der Täter aus dem sozialen Nahbereich kommen und drei Viertel der Opfer Mädchen sind. Wissenschaftliche Untersuchungen haben weiter bestätigt, dass Gewalt gegen Frauen und Kinder in allen gesellschaftlichen Schichten und Altersgruppen vorkommt und dass die Opfer oft über Jahre hinweg misshandelt werden.
Gewalttaten im sozialen Nahraum, also durch Partner, Freunde oder Familienmitglieder, werden häufig nicht von den betroffenen Frauen angezeigt. Sie schämen sich, wollen auch ihre Familie nicht in Misskredit bringen, aber sie haben teilweise auch wenig Vertrauen in ein effektives staatliches Eingreifen. Manchmal haben Frauen erleben müssen, dass die Polizei eher auf Seiten des gewalttätigen Mannes stand als auf ihrer, dass dem Mann nichts geschah, während sie mit den Kindern aus dem vertrauten Umfeld in ein Frauenhaus oder zu Bekannten flüchten mussten
Die Bundesregierung hat inzwischen durch das am 01. Januar 2002 in Kraft getretene "Gesetz zur Verbesserung des zivilgerichtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung" den Schutz von Opfern häuslicher Gewalt verbessert. Im Zusammenhang mit diesem Gewaltschutzgesetz haben bereits zahlreiche Bundesländer ihre Polizeigesetze so geändert, dass bis zum Erlass der gerichtlichen Schutzanordnungen keine Schutzlücke entsteht.
Der Schutz von häuslicher Gewalt Betroffener hat sich zudem durch die vielerorts entstandenen Interventionsprojekte und Interventionsstellen sowie die Fortbildung der Polizei und Justiz verbessert.
Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz
Eine besondere Form der Gewalt gegen Frauen ist die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, die bis vor einigen Jahren weitgehend tabuisiert war. Eine erste, im Auftrag des Bundesministeriums 1990 erstellte repräsentative Untersuchung macht das Ausmaß und die Erscheinungsformen sexueller Belästigung in Betrieben und Behörden deutlich.
Diese reichen vom unerwünschten körperlichen Berühren, verbalen Anzüglichkeiten, Hinterherpfeifen bis hin zur sexuellen Erpressung. 72 Prozent der befragten Frauen haben am Arbeitsplatz Situationen erlebt, die sie eindeutig als sexuelle Belästigung einstufen, so das Ergebnis der Studie der Sozialforschungsstelle Dortmund. Doch kaum eine Frau traut sich, sich offiziell zu beschweren und ihre Rechte wahrzunehmen. Sie befürchten, selbst Nachteile zu erleiden, versetzt oder gekündigt zu werden, zumindest aber ins Gerede zu kommen.
Es ist kein Zufall, dass Opfer sexueller Belästigung oft Kolleginnen in ungesicherten Positionen sind, zum Beispiel Aushilfskräfte oder Frauen mit Zeitverträgen, wohingegen die Täter meist langjährig im Betrieb in gesicherter Position tätig sind. Hier zeigt sich deutlich, dass gerade in Betrieben und Behörden Abhängigkeitsverhältnisse von vielen erwachsenen Personen ausgenutzt werden.
Das Beschäftigtenschutzgesetz, das die Arbeitgeber verpflichtet, nachhaltig für den Schutz der Beschäftigten vor sexuellen Übergriffen zu sorgen, hat bisher kaum dazu geführt, dass Frauen auch von ihren Rechten Gebrauch machen. Es setzt offenbar die betrieblichen Abhängigkeitsverhältnisse nicht so außer Kraft, dass sich die Betroffenen ermutigt fühlen, sich gegen unerwünschtes Verhalten von Kollegen oder Vorgesetzte zur Wehr zu setzen. Daher hat das BMFSFJ eine Rechtstatsachenforschung zum Beschäftigtenschutzgesetz in Auftrag gegeben. Ergebnisse zur Umsetzung des Beschäftigtenschutzgesetzes werden Ende 2004 veröffentlicht.
Belästigungen in der Öffentlichkeit
Belästigungen in der Öffentlichkeit, also auf der Straße, in Bussen und Bahnen, Lokalen, Diskotheken etc. gehören so zum Alltag, dass viele Frauen sich daran gewöhnt haben und versuchen, sie zu ignorieren. Aber manchmal nehmen sie auch bedrohliche und gefährliche Formen an, und leider können sich die Betroffenen nicht immer darauf verlassen, dass ihnen Passanten zur Hilfe kommen.
Der Aktionsrahmen von Frauen wird durch die Angst vor solchen Übergriffen eingeengt: Viele trauen sich nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr aus dem Haus oder nachts allein in die U-Bahn, ohne Begleitung betreten sie selten ein Lokal oder eine Diskothek. Parkhäuser sind ein Beispiel dafür, dass bestimmte öffentliche Räume von Frauen als besonders Angst einflößend angesehen werden. Hier wird versucht, durch die Einrichtung so genannter "Frauenparkplätze" einen höheren Grad an Sicherheit zu erreichen.
Die Ergebnisse der Studie "Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland" haben auch gezeigt, dass Frauen in erheblichem Umfang an öffentlichen Orten Opfer von Gewalt werden. Auch wenn die Gefahr an diesen Orten im Vergleich zur tatsächlichen Gefahr zu Hause überschätzt wird.
Frauenhandel und Prostitutionstourismus
Der Deliktbereich des Menschenhandels stellt in Deutschland ein großes Problem dar. Etwa 1.235 Opfer des Menschenhandels wurden 2003 polizeilich erfasst - meist anlässlich von Razzien in Bordellen oder bordellähnlichen Betrieben. Die Dunkelziffer liegt jedoch erheblich höher. Die Frauen stammen überwiegend aus Russland, Rumänien, Bulgarien, Ukraine, Lettland und Litauen.
Menschenhandel ist Teil der organisierten internationalen Kriminalität, die bekanntlich schwierig zu bekämpfen ist. Die betroffenen Frauen, die in der Regel aus wirtschaftlicher Not in die Bundesrepublik kommen, werden häufig von skrupellosen Geschäftemachern wie Ware gehandelt. Viele durch Heiratsvermittler hergelockte Frauen werden von ihren Ehemännern misshandelt oder in die Prostitution gezwungen.
Solange Frauen und Mädchen in ihren Herkunftsländern keine beruflichen Perspektiven haben, werden sie auch weiterhin versuchen, in die westlichen Länder einzureisen, um hier zu arbeiten, darunter auch in der Prostitution. Doch statt der erhofften Arbeitsbedingungen werden die Frauen hier oft genug ausgebeutet und nicht selten sklavenähnlich behandelt.
Die andere Seite der Medaille ist die Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen in Deutschland, wobei es die Kunden offenbar wenig interessiert, ob die Prostituierte wirklich freiwillig arbeitet oder zum Sex gezwungen wird. Schließlich profitieren auch sie von der Abhängigkeit und Rechtlosigkeit der ausländischen Frauen, bei denen sie ihre Wünsche leichter und preiswerter meinen durchsetzen können.
Die Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen beschränkt sich längst nicht mehr auf Deutschland. Seitdem es für jedermann einfach und preiswert geworden ist, in fremde Länder zu reisen, blüht auch der Prostitutionstourismus durch deutsche Touristen. Sie sind damit mitverantwortlich dafür, dass in den bevorzugten Zielländern die Prostitution blüht, die einheimischen Kinder und Frauen mangels anderer Perspektiven in die Prostitution verbracht und dort ausgebeutet werden.
Gewalt gegen ausländische, ältere Frauen und Frauen mit Behinderungen
Eine besondere Situation liegt vor bei ausländischen und älteren Frauen sowie bei Frauen mit Behinderungen. Sie erleben Gewalt in sehr spezifischer Weise, was bisher kaum in den Blick geraten ist. Allein in Berlin leben etwa 145.000 Migrantinnen ohne deutschen Pass; wie viele von ihnen von häuslicher Gewalt betroffen sind, ist statistisch nicht erfasst. Die Zufluchtseinrichtungen in Berlin werden jedoch zu 50 bis 65 Prozent von ausländischen Frauen genutzt.
Migrantinnen stammen aus verschiedenen Ländern und Kulturkreisen und befinden sich in unterschiedlichen aufenthaltsrechtlichen Situationen. Je nach Herkunftsland und Migrationsbedingungen spricht ihnen das bundesdeutsche Ausländer- und Asylrecht einen unterschiedlichen rechtlichen und sozialen Status zu, der für sie, gerade in der Misshandlungssituation, zusätzliche Erschwernisse mit sich bringen kann.
So hat die Studie "Lebenssituation, Sichherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland" ergeben, dass ausländische Frauen häufiger als deutsche Frauen Opfer von Gewalt werden.
In jüngster Zeit geraten zunehmend Gewaltformen gegen ältere Frauen in den Blick. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass der Anteil von Gewalterfahrung mit zunehmendem Alter steigt. Die häufigsten Erscheinungsformen sind dabei neben der körperlichen und seelischen Misshandlung die finanzielle Ausnutzung, die Vernachlässigung sowie Einschränkungen der Bewegungs- und persönlichen Freiheit.
Frauen mit Behinderungen tragen ein besonderes Risiko, Opfer von Gewalt zu werden: Oft macht es ihnen die Behinderung schwer, eigene Bedürfnisse und Interessen wahrzunehmen, zu formulieren und durchzusetzen. Insbesondere Frauen mit einer geistigen Behinderung, die in einer entsprechenden Einrichtung leben, sind Gefahren ausgesetzt. Da sie wehrlos sind und in ihren Äußerungen oft nicht ernst genommen werden, sinkt offensichtlich die Hemmschwelle von Männern, sie sexuell zu missbrauchen.
© Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
90 % aller Missbrauchsfälle finden in dem nahen Familienbereich oder in der Familie selbst statt, dazu zählt man auch nachbarn, Bekannte, Freunde und Verwandschaft
Alle Zahlen egal wo sie veröffentlicht sind, sind nur Zahlen die geschätzt sind, da die Dunkelziffer weit aus höher ist.
Claudia