vielleicht hast Du es schon geschrieben und ich habe es überlesen, doch würde ich gern noch einmal nachfragen, wie lange Du schon in T lebst. Aus Deinen Äußerungen schließe ich, daß Du noch nicht lange dort bist. Denn diese Eindrücke, die Du schilderst, waren meine ersten dort gesammelten Erfahrungen. Mir war klar, daß ich in ein islamisches Land fuhr und ich stellte mich darauf ein. Für Stadtbesichtigungen etc. wurden lange Hosen und weite langärmelige Shirts eingepackt. In der Aufmachung mußten meine armen Töchter bei 40°C in die Medina von Mahdia. Als ich dann sah, wie die tunesischen Frauen dort rumlaufen (jedenfalls die jüngeren), kam ich mir doch ziemlich bescheuert vor. Beim nächsten Ausflug wurde es dann schon etwas weniger an Kleidung und so entwickelte sich bei uns mit der Zeit ein Gespür für die Verhältnismäßigkeit. Da wir auch hier nicht halbnackt rumlaufen, kleiden wir uns in Tunesien nicht mehr viel anders als in D. Mein nächstes Erlebnis in dieser Richtung hatte ich, als ich auf meiner ersten tunesischen Hochzeit eingeladen war. Ich suchte hier in Deutschland schon nach einem hochgeschlossenem Abendkleid, das möglichst auch noch die Schultern bedeckt. Mein Mann hat mich während dieser Suche schon für verrückt erklärt und meinte, ich sollte mir ein ganz normales Kleid kaufen und nicht so einen Aufstand daraus machen. Nun gut, ich fand ein Kleid, von dem ich dachte, daß es wohl einigermaßen in Ordnung war und zog damit mutig auf die Hochzeitfeier. Der Schock war groß! So viel nackte Haut hatte ich schon lange nicht mehr gesehen (mal abgesehen von den Fleischbergen, die wohl an jedem Hotelpool rumliegen). Die tollsten und weit ausgeschnittenen Abendkleider wurden spazieren getragen und ich stand da, als käme ich aus einem Kloster! Nach diesem Erlebnis, wurde ich dann "aufgeklärt": verheiratete Frauen dürfen so rumlaufen, wenn ihr Mann nichts dagegegen hat und die meisten Männer scheinen wohl nichts dagegegen zu haben...... Ich habe mich irgendwie den dortigen Kleidervorschriften einigermaßen angepaßt und übertreibe meine Anpassung mittlerweile natürlich auch nicht mehr. Ich rege mich allerdings immer noch über Frauen auf, die am Strand im String und/oder "oben-ohne" herumlaufen, oder im supermodischen durchsichtigen Top durch die Medina laufen. Doch ich habe begriffen, daß ich an dieser Situation nichts mehr ändern kann. Der jahrelang, nicht verantwortungsbewußte Umgang mit dem Tourismus, hat schon lange seine Spuren in Tunesien hinterlassen und da helfen auch keine nachträglich durchgeführten europäischen Hilfsprogramme von KfW, GTZ u.ä. - die können vielleicht, die durch den Tourismus entstandenen Umweltschäden etwas dezimieren, aber an den kulturellen und sozialen Auswirkungen wird das nichts mehr ändern. Wenn man Tunesien betrachtet, darf man nie meinen, es mit einem "normalen" 08/15-arabischem Land zu tun zu haben. Tunesien ist nicht mit Ländern, wie Saudi-Arabien, Syrien, Yemen etc. zu vergleichen, da es schon immer, vermutlich bedingt durch den französischen Einfluß, ein Stück weiter (?) war. Ob das jetzt positiv oder eher negativ zu bewerten ist, möchte ich mich nicht anmaßen zu beurteilen. LG Anna