Stand: April 2003

Wirtschaftslage/Wirtschafts- und Sozialstruktur
Tunesien entwickelte sich in den letzten eineinhalb Jahrzehnten wirtschafts- und sozialpolitisch sehr erfolgreich. Das Land hat sich in Afrika und im Maghreb als Schwellenland eine Spitzenposition erarbeitet. Durch die Assoziation mit der EU will Tunesien in den Kreis der Industrieländer aufsteigen.

Seitdem 1986 mit Unterstützung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank ein Strukturanpassungsprogramm eingeleitet wurde, setzt Tunesien auf den Rückzug des Staates aus der Wirtschaft, die Förderung der Privatwirtschaft und die Integration in die Weltwirtschaft. Internationale Beobachter bescheinigen Tunesien in den vergangenen 15 Jahren eine makroökonomische Erfolgspolitik mit Wachstumsraten von über 5%. Im Rahmen des 9. Entwicklungsplans von 1997 bis 2001 wuchs das Bruttoinlandsprodukt um durchschnittlich 5,3% (zuletzt 2001: 4,9%). Im gleichen Zeitraum betrug die durchschnittliche Inflationsrate 2,9%.

Tunesien legte im Rahmen dieser Entwicklungsstrategie größten Wert auf die Entwicklung seiner menschlichen Ressourcen. Die Einschulungsrate liegt bei nahezu 100%. Durchschnittlich 25,5% des Staatshaushalts flossen zwischen 1996 und 2001 in Erziehung und Hochschulbildung.

Die weitgehende Emanzipation der Frauen wurde bereits in der ersten Verfassung des Landes festgelegt, Tunesien spielt hier eine Vorreiterrolle in der arabischen Welt. 24% der Frauen waren 2001 außerhalb der Familie berufstätig. Sie stellen 50% der Lehrkräfte und 40% der Staatsbediensteten. Im Jahr 2002 waren 54% der Studierenden Frauen. Die Zahl der Unternehmerinnen in Tunesien wurde für das Jahr 2002 mit 5.000 angegeben.

Das Pro-Kopf-Einkommen der Bevölkerung betrug 1969 113 tunesische Dinare (TND), im Jahr 2001 2.841 TND (2.136 EUR). Dies ist derzeit das höchste Pro-Kopf-Einkommen in Nordafrika nach Libyen. Der Anteil der Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, konnte von 13% (1980) auf 4,2 % (2000) gesenkt werden. Das Bevölkerungswachstum (2002: 1,0%) wird nach tunesischen Angaben bis 2004 auf 0,9% sinken. Die Lebenserwartung betrug im Jahr 2000 72,2 Jahre. Auf 1.248 Einwohner kam im Jahr 2001 ein Arzt. Derzeit sind rund 80% von der Kranken- und Sozialversicherung erfasst. Tunesien besitzt eine ausgeprägte Mittelschicht, der 80% der Bevölkerung zugerechnet werden. 80% der Bevölkerung besitzen ferner Wohneigentum. Dies hatte eine in der Region bislang unerreichte wirtschaftliche und soziale Stabilität zur Folge.

Im Rahmen der Umsetzung des Assoziationsabkommens mit der EU wuchsen die tunesischen Exporte in die EU zwischen 1997 und 2001 jährlich um durchschnittlich 5,5%, die tunesischen Importe aus dem EU-Raum im gleichen Zeitraum um 11%. Die Stärkung der Wettbewerbs- und Exportfähigkeit des Landes stellt daher im Hinblick auf die Verwirklichung der Zollunion mit der EU im Jahre 2008 eine zentrale Aufgabe dar.

Dieses Vorhaben soll im Rahmen des 10. Entwicklungsplans im Zeitraum 2002/2006 verwirklicht werden. Hier liegen die Prioritäten bei der Reduzierung der Arbeitslosigkeit (derzeit nach offiziellen Angaben14,9%; Schaffung von 380.000 Arbeitsplätzen), der Modernisierung der Wirtschaft und dem Aufbau einer Wissensgesellschaft bei gleichzeitiger Festigung der wirtschaftlichen und sozialen Errungenschaften. Das Wirtschaftswachstum soll in diesem Zeitraum durchschnittlich 5,5% betragen. Das Pro-Kopf-Einkommen soll 2006 4.098 TND (rd. 3.100 EUR) erreichen. Für die Realisierung des 10. Plans veranschlagt die tunesische Regierung 44 Mrd USD (davon 34 Mrd Investitionen). Das Land will den größten Teil (72%) selbst aufbringen, nicht zuletzt durch die Steigerung der nationalen Sparleistung von 68% auf 72% mit Hilfe eines optimierten Banken- und Versicherungssystems. Das Haushaltsdefizit soll 2006 2% betragen (2002: 2,6%, 2001: 3,3%). Gleichzeitig zielt der Plan auf die Mobilisierung von ausländischem Kapital in Höhe von 12,5 Mrd USD (3,6 Mrd USD in Form von ausländischen Investitionen, 4,3 Mrd USD in Form von Zuschüssen und Vorzugskrediten sowie 4,6 Mrd USD in Form von Bankkrediten und Anleihen).

Tunesiens Zugang zu den internationalen Kreditmärkten wird von internationalen Beobachtern positiv eingeschätzt. Das Land beantragte bislang weder eine Fristverlängerung für die Rückzahlung von erhaltenen Krediten noch eine Umschuldung. Die Auslandsverschuldungsrate lag 2001 bei 52,4% (2000: 51,7%). Der Schuldendienstkoeffizient betrug nach Angaben der tunesischen Zentralbank 2001 13,3% (2000: 19,4%, 1999: 15,5%). Für 2002 wurden 16,7% prognostiziert. Die Zahlungsbilanz wies 2001 ein Plus von 374 Mio TND (281 Mio EUR) aus, 2000 ein Minus von 333 Mio TND (250 Mio EUR).

Das Kreditrating beträgt bei Standard&Poors BBB (Jahre 2000/2001/2002), bei Moody’s Baa3 (2000/2001/2002) und Fitch IBCA BBB (2000/2001; 2002: BBB-). Das Handelsbilanzdefizit konnte daher bislang durch internationale Kreditaufnahme kompensiert werden.

Das Jahr 2002 stellte für Tunesien allerdings erstmals eine ökonomische Herausforderung dar. Eine seit über drei Jahren anhaltende Dürre mit Einbrüchen in der landwirtschaftlichen Produktion um bis zu zwei Drittel, die stagnierende Weltkonjunktur sowie die Terroranschläge am 11. September 2001 in den USA und auf Djerba am 11. April 2002 mit negativen Auswirkungen auf Handel, Transport und Tourismus (der Tourismus hat einen Anteil von 7% am tunesischen BIP mit 340.000 Arbeitsplätzen) reduzierte die Wachstumserwartungen 2002 auf 1,7%. Tunesien hofft jedoch, diesen konjunkturellen Einschnitt durch neue wirtschaftliche Dynamik im Jahr 2003 kompensieren zu können. An erster Stelle der Bemühungen stehen die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Verbesserung der Wettbewerbs- und Exportfähigkeit der tunesischen Wirtschaft (Reformen im administrativen, rechtlichen und finanziellen Bereich, Privatisierung, Gründung von Unternehmungen, aber auch Förderung von beruflicher Bildung sowie von Wissenschaft und Forschung).

Die ausländischen Direktinvestitionen betrugen im Jahr 2000 1,138 Mrd TND / rd. 855 Mio EUR, im Jahr 2001 718,3 Mio TND / rd. 540 Mio EUR (-36,9%) und im Jahr 2002 1,056 Mrd TND / rd. 812 Mio EUR (+47,0%).

Rohstoffe
Tunesien ist ein relativ rohstoffarmes Land. Im Jahr 2001 wurden etwa 3,4 Mio t Erdöl produziert; damit verringerte sich die Produktion um 8,6% gegenüber dem Vorjahr. Die Erdgasproduktion betrug im Jahr 2001 2,25 Mio cbm und lag damit um 13,6% über dem Vorjahr.Tunesien verfügt über große Phosphatlagerstätten (2001 wurden 8,5 Mio t Phosphat produziert); es ist viertgrößter Weltproduzent von Phosphaten und zweitgrößter Exporteur von Phosphatdüngern. Im Landwirtschaftsbereich ist Tunesien weltweit der drittgrößte Olivenöl-Exporteur (infolge der Dürreperiode rückläufig).

Wirtschaftssektoren
Wichtigste Wirtschaftszweige ( 2001, Anteil am Bruttoinlandsprodukt in %) sind:

Dienstleistungssektor
- Tourismus
- Transport und Telekommunikation
- sonstige Dienstleistungen
7,1%
9,7%
36,3%
Landwirtschaft/ Fischerei 13,5%
(1/3 aller Beschäftigten)
Industrie
- verarbeitende Industrie
- nicht verarbeitende Industrie
21,1%
12,2%

Investitionsbedingungen
Das Investitionsklima in Tunesien ist gut. Ausländische Investoren schätzen die politische, wirtschaftliche und soziale Stabilität des Landes, außerdem die geographische Nähe zu Europa. Ein Investitionsgesetz, das seit 01.01.1994 in Kraft ist, sowie weitere Förderinstrumente stellen zusätzliche Investitionsanreize in Aussicht.

Die Tunesische Förderagentur für ausländische Investitionen (FIPA) weist insbesondere auf Investitionsmöglichkeiten in den Bereichen Privatisierung (bis 2001 wurden 159 Unternehmen privatisiert), Konzessionierung, internationale technologische Partnerschaften und ein breites Spektrum von Sektoren hin (Elektrik, Elektronik, Kfz-Zulieferindustrie, Textil, Leder, Agrar-Business, Pharma, Verpackung, Informationstechnologie sowie Tourismus).

Ende 2001 waren 2.339 ausländische Firmen oder Joint-Ventures in Tunesien aktiv, mit 215.300 Beschäftigten. 85% der ausländischen Firmen exportieren 100% ihrer Produkte. Der Anteil der verarbeitenden Industrie stieg von 18% im Jahr 1996 auf 33% im Jahr 2001.

Zwischen Deutschland und Tunesien bestehen ein Investitionsförder- und –schutz- sowie ein Doppelbesteuerungsabkommen.

Siehe hierzu auch die Informationen der Deutsch-Tunesischen Industrie- und Handelskammer Tunis.
Informationen zu Messeaktivitäten/Ausschreibungen finden Sie dort ebenfalls:

Tel.: 00216-71-785 910
Fax: 00216-71-782 551
E-Mail: info@ahktunis.org
www.ahktunis.org

Außenwirtschaft und Außenhandel
Die außenwirtschaftlichen Beziehungen Tunesiens sind stark auf die EU ausgerichtet. Nach Angaben der tunesischen Zentralbank betrugen die tunesischen Exporte in die EU 2001 7,586 Mrd TND (5,704 Mrd EUR) gegenüber 6,393 Mrd TND (4,807 Mrd. EUR) im Jahr 2000 (+18%); die EU hatte am tunesischen Gesamtexport 2001 einen Anteil von 79,9%, davon Frankreich 28,9%, Italien 23,2% und Deutschland 11,7%. Die tunesischen Importe aus der EU betrugen 2001 9,674 Mrd TND (7,273 Mrd EUR) gegenüber 8,270 Mrd TND (6,218 Mrd EUR) im Jahr 2000 (+17%); die EU hatte an den tunesischen Gesamtimporten einen Anteil von 70,6%, davon Frankreich 26,3%, Italien 19,1% und Deutschland 9,6%.

Wichtigste Ausfuhrgüter sind Textilien, Erdölprodukte, Phosphatprodukte (Düngemittel), Phosphate und elektromechanische Güter. Landwirtschaftliche Exportprodukte (insbesondere Olivenöl, Datteln und Zitrusfrüchte) sind zwar in absoluten Zahlen von nachgeordneter Bedeutung, spielen aber eine große arbeitsmarktpolitische Rolle. Wichtigste Einfuhrgüter sind Maschinen, Textilien, Kraftfahrzeuge, Erdölprodukte und Getreide.

Mitgliedschaft in Wirtschaftsgruppierungen
Weltbank und IWF (14.4.1958), GATT/WTO (vorläufig beigetreten 21.05.1960, Vollmitglied seit 29.03.1995), Assoziationsabkommen mit der EU (unterzeichnet 1995).

http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/laenderinfos/laender/laender_ausga be_html?type_id=12&land_id=175