Es ist vielleicht interessant zu vergleichen, wie die Integration von Tunesiern in Deutschland und von Deutschen in Tunesien läuft.
Schwierigkeit? Hindernisse? Herausforderungen ? Erfahrungen ? Erkenntnisse ?

Dali

Dali Herzlich Willkommen hier im Forum und viel Spaß hier beim lesen und schreiben.

Das Thema finde ich sehr interessant und wünsche mir eine sachliche Diskussion und einen guten Erfahrungsaustausch, da bei diesem Thema sicher viele verschiedene Ansichten geschrieben werden.

Claudia

Klar!
Ich bin der Meinung, es gibt in beiden Punkten einige sonnige aber auch einige dunklen Seiten.
Ich denke auch, dass nur wenn mann (frau) darüber offen und ehrlich redet, denn können die Sachen geklärt werden.
Als Anstoß:
1. Das Thema: Sprache
2. Religion/ Stellenwert der weltlichen Anschauung
3. (In)toleranz
4. Kindererziehung
5. Tunesien ist nicht nur Urlaub!
6. Falsche Erwartungen von beiden Seiten
7. etc...

Dali

Hallo Dali,

ich begrüße Dich ebenfalls bei uns im Forum und wünsche Dir viel Spaß.
Da Du einen sehr komplexen Themenbereich angeschnitten hast, denke ich, daß Du noch sehr viele Beiträge erhalten wirst. Ich sehe allerdings das Problem, daß man besser auf einzelne Punkte antworten kann, als auf alle. Ich fange jetzt einfach mal mit dem ersten von Dir genannten Punkt, der Sprache an:
Ich halte es für sehr wichtig, für jemanden, der in einem fremden Land lebt, daß er die Sprache einigermaßen beherrscht. Der Umgang mit der Sprache ist im täglichen Leben von imenser Bedeutung. Eigentlich ist von ihr alles abhängig. Das bedeutet für jemanden, der nach Tunesien geht, daß er möglichst Französisch und Tunesisch/Arabisch spricht und am besten auch schreiben bzw. lesen kann. Für jemanden, der nach Deutschland kommt, ist es genauso erforderlich, daß er Deutsch kann. Falls diese Kenntnisse nicht vorhanden sind, ist es unabdingbar, dies so schnell wie möglich nachzuholen. Ohne Sprachkenntnisse, ist meiner Meinung nach keine Integration möglich. Das geht beim Einkaufen los und hört bei den Jobs etc. auf. Man ist ohne Sprachkenntnisse total isoliert. Da die Sprachkenntnisse oft nicht ausreichend sind, landen viele der tunesischen Männer in Deutschland oft in Hilfsarbeiterjobs, die sie im Prinzip total unterfordern und dies führt dann zu ersten Frustrationserlebnissen. Umgekehrt ist es natürlich genauso, denn Frauen ohne entsprechende Französisch/Tunesischkenntnisse finden in Tunesien auch keinen Job, der ihrem beruflichen Niveau entspricht.

So, jetzt muß ich erstmal wieder arbeiten. Vielleicht habe ich später noch Zeit, zu einem anderen Punkt Stellung zu nehmen.
LG Anna

Ja, das ist mal ein sehr gutes und wichtiges Thema hier im Forum. Jetzt sind unsere Erfahrungsträger gefragt, sowohl in D als auch in TN.

Hallo,
habe leider momentan auch nicht so viel Zeit. Aber nur so viel: als ich damals zum Arbeiten nach Djerba bin, war die Sprache auch super wichtig. Am Anfang war ich kein richtiges Teammitglied (habe im Reitstall und spaeter an der Rezeption gearbeitet und hatte dabei viele tunesische Kollegen), da ich kaum Arabisch/Tunesisch konnte. Mein Franzoesisch war OK, so dass es nie Verstaendigungsschwierigkeiten hatte, aber um "dazu zu gehoeren" war es wichtig, zumindest einige wenige Brocken Tunesisch zu koennen. Danach lief alles einfacher. Wobei eine deutsche Frau als Reitlehrerin (der Beruf ist in TN meines Erachtens nicht sonderlich hoch angesehen) auch zu Problemen gefuehrt hat...

Ich kann auch nur etwas zur Integration in D schreiben, ich bin bezüglich der Sprachkenntnisse ganz Annas Meinung. Die Sprache ist ein sehr wichtiger Punkt. Wir haben leider im Bekanntenkreis ein Negativbeispiel gehabt...er meinte, dass er ja alles kann und nicht wieder die "Schulbank" drücken muss und ist seither (10 Jahre) nicht über Aushilfsjobs bei Mäc Doof u.ä. hinausgekommen. Das macht auf Dauer unzufrieden und es ist fast unmöglich ein einigermaßen geregeltes Leben aufzubauen.

Ein Problem ist allerdings, dass die richtig guten und kompakten Sprachausbildungen (Goethe-Institut u.ä.) richtig teuer sind und sich viele die in D überhaupt erst mal Fuß fassen müssen diese nicht bezahlen können (woher auch?), so ist schon direkt ein optimaler Start (nach all den anderen vorangegangenen Hürden) von vornherein schwierig.

Die Sprache ist auf jeden Fall sehr wichtig, denn sie ist das tor zur Welt. Die ist auch "das A und O" für eine reibungslose Integration in einer "fremden" Gesellschaft. Allerdings finde ich es sehr traurig, dass es in Deutschland z.B. keine staatliche Einrichtungen gibt, die umsonst die deutsche Sprache unterrichten. Die Sprache ist die Basis der Integration. Sogar in Volkshochschulen sind die Preise ziemlich hoch, für jemand der neu hier ist.

Hallo Dali,
Also solche Forderungen halte ich persönlich für total übertrieben.
Die VHS-Kurse sind doch eh zu 80% subventioniert...mein Mann hat hier in Berlin 4 Kurse a 3 Monate a 70 Euro gemacht...da war er vier mal die Woche von morgens bis 14.00 Uhr...also ich finde das preislich völlig ok.......
wenn ich nach Spanien, England, USA oder sonstwohin gehe, muss ich meine Kurse doch auch bezahlen....
LG
Katja

Die Kurse für 70 Euro sind längst Geschichte geworden. Man soll mit mindestens 250 euro pro Monat rechnen.
Ich bin der Meinung, dass ein Land, welches Immigranten braucht, die einen positiven Beitrag für das Land leisten sollen, muss sich im klaren sein, dass diese Leute sich zuerstmal in das Land integrieren sollen. Ohne die Sprache zu beherschen ist eine solche Integration sehr schwierig , wenn nicht unmöglich.
In Tunesien, Ägypten, Jordanien z.B. kann man umsonst Arabisch lernen. Es gibt Institutionen, welche sowas ermöglichen. Die Franzosen haben es auch verstanden. In fast alle "centres culturels francais" hat man alle Möglichkeit die französische Sprache zu lernen.
Es ist langsam Zeit, dass man hier in Deutschland endlich mal versteht, dass ein Land für sein Kultur verantwortlich sein muss. Dazu gehört, auf jeden Fall die Sprache des Landes.
Die Sprache zu lernen DARF kein Business sein. Das ist EIN TEIL DES KULTURS. Nur wenn ein Land keine Kultur hat, oder nicht stolz genug ein solche Kultur zu haben, denn kann auch verstehen dass Goethe, Victor Hugo oder Gibran Khelil Gibran zu Marketing-Artikel werden....

Ich meine "Das ist EIN TEIL DES KULTURGUTES."

Klar. Aber solche Kurse sind nur für 8 Studen / Woche...Das ist verdammt wenig. Man muss mindestens 5 Studen pro Tag, Kurse besuchen um die Sprache zu lernen. Genau das ist der Punkt: Mit solchen Kursen braucht man 5 Jahre um der Sprache mächtig zu sein.

fuer die integration sollten jedem, der in ein fremdes land kommt auch 250 euro nicht zu teuer sein. ( vhs preise liegen uebrigens bei ca. 80 euro)

Es ist ja schoen wenn sprachkurse in anderen laendern unentgeldlich angeboten werden.
Fuer die leutchen die mit wenig geld nach Deutschland kommen, waer das sicherlich eine gute sache.

Aber wer solls denn bezahlen??? Irgendwo musses doch aufhoeren.

gruss

Milena

du sprichst ja nicht nur in den kursen deutsch.
das gelernte praktizierst du dann zu hause/arbeit und in dem du mit freunden deutsch sprichst.

Hallo
Mein Mann besucht ebenfalls einen Sprachkurs in der VHS und einen Konverationskurs an der Tu.
VHS - um 80 Euro - nach einem Einstufungstest!!
TU - um 80 Euro für 2 Monate - 2 Termine pro Woche

Ich halte nichts von Crash - Kursen. Man braucht viel Zeit und Engagement um die Sprache in Schrift und im mündlichem Gebrauch zu erlernen. Wenn möglich sollte man sich die Zeit nehmen. Die VHS bieten flexible Kurszeiten an.
Wenn man gut sprechen kann - heisst das ja noch lange nicht, dass man die Sprache beherrscht!!!!!

danke Kristina. ..ich hatte keinen Bock, das zu korrigieren...

ein Monat VHS Kurs=25 Euro = 6 Schachteln Zigaretten, und das für 160 Stunden...ich finde das lächerlich, sorry...

Ich finde nicht, dass jedem Ausländer 250 Euro Sprachkurs vom Staat bezahlt werden soll...die VHS tut's auch (bezahlt eh der Staat)...wir sind finanziell nicht mehr im Wirtschaftswunder und VHS + Lernen + mit Deutschen deutsch plaudern, deutsch TV gucken (nix Schüssel!) wirkt Wunder...ich habe es bei meinem Mann erlebt...dazu gehört natürlich Eigeninitiative und INTERESSE daran, die SPrache gut zu erlernen...

PS: Dali: Darf ich fragen, wo man in Tunesien einen Sprachkurs umsonst bekommt?

LG
Katja

also 3 Stunden täglich, 5 mal pro Woche, für 3 Monate - würde ich nicht gerade als "Crashkurs" bezeichnen....

Ich muß auch noch sagen, daß die Praxis sehr viel ausmacht - wer auch zu hause gefördert wird, hat wahrscheinlich schellere Fortschritte zu verzeichnen, als jemand, der die Zähne nicht auseinander bekommt, weil er sich nicht traut, mal Piep zu sagen!

Man hört es immer nur von Außenstehenden, daß der Sprachfluß + die Grammatik immer besser werden und dieses Lob tut doch jedem gut und ruft doch nach dem nötigen Engagement!

In München ist es nur leider so, daß es sehr schwierig ist einen Platz an der VHS zu bekommen.

Es gibt einen Einschreibetag nur für Deutschkurse.
Um 09.00 Uhr bekamen wir eine Nummer über 1000 mit der Bitte nach 15.00 Uhr wiederzukommen.
In dem sehr großen Gebäude standen die Leute eng an eng gedrängt. Wohlgemerkt nur für die Einschreibung zum Deutschkurs

Mittlerweile kann man sich in München an der VHS auch online anmelden.

In Frankfurt ist es so, dass die Stadt an Ausländer mit einer längerfristigen Aufenthaltsperspektive an einem Projekt teilnehmen können. Dabei erhalten sie dann 6 (?) Schecks à 100 Std, die bei verschiedenen Sprachschulen eingelöst werden können. Kostenfaktor pro Std. 0,50 €.

Hallo,

nachdem wir jetzt eigentlich die wichtigsten Punkte zur Sprache geklärt haben, sollten wir vielleicht zu dem 2. genannten Punkt übergehen:

2. Religion/ Stellenwert der weltlichen Anschauung

Für mich persönlich war Religion nie wichtig. Ich versuche aber gläubige Menschen zu tolerieren, obwohl ich zugeben muß, daß mir das manchmal schon ganz schön schwer fällt. Probleme gibt es bei uns schon eher bei politischen Diskussionen, wie z.B. Irakkrieg, Palästina etc.

Die Einstellungen zu Religion sind sehr individuell, was man auch den vielen bisherigen Beiträgen zu diesem Thema entnehmen kann. Auf jeden Fall zeichnet sich hier ein Trend ab, dass die meisten Frauen , die mit arabischen Partnern in D leben, die religiös bedingen Lebensformen der Männer berücksichtigen und im Alltag umsetzen (müssen) und nicht ungekehrt. Da dies aber - je nach Strenge in der Ausübung der Regeln - das Zusammenleben stark beeinflussen kann, kann das zum Problem für die Integration werden, muss aber nicht, wenn man einen moderaten, für beide Partner akzeptablen Weg findet.

Kein Schweinefleisch, Beschneidung, usw. sind dabei unerheblich. Der einer isst kein Schweinefleisch, der anderer ist Vegetarier. Ein viel größeres Problem liegt aus meiner Sicht in der unterschiedlichen Mentalität sowie in falschen Erwartungen an das gelobten Land D. Die Konfrontation mit Disziplin, Pünktlichkeit, Verbindlichkeit, oft mit sturen, nicht nachvollziehbaren Vorschriften und ätzenden Vorgesetzten am Arbeitsplatz stellt diese Männer vor Situationen, die ihr ausgeprägtes Selbstbewusstsein ( in ihrem oft überzogenen, und hier nicht verstandenen Stolz ) in echte Konflikte bringt. Die Bereitschaft zum Lernen, ein wichtiger Faktor für solide Lebensbasis, ist hier scheinbar auch ein Problem. Dazu kommt die oft arrogante Einstellung der Deutschen gegenüber Ausländern, emotionale Kälte und Distanz, die zur Frust bis zu Überreaktionen führen und sicherlich für Temperamentsausbrüche verantwortlich sind, die uns, unterkühlten Deutschen dramatisch bis unakzeptabel erscheinen.

Aber auch bei gutem Willen zur Anpassung gibt es unzählige Hürden, wie z.B. Wohnungssuche und dann die Nachbarschaft!!!! Hier wäre doch sicherlich interessant, über Eure Erfahrungen zu lesen.
Außerdem habt Ihr noch kulturelle, durch unsere Erziehung, Bildung und Gewohnheiten geprägte, Interessen die für die Partner ein Neuland sind. Werden diese geteilt, außer in Disco oder ins Cafe mit tunesischen Freunden zu gehen?

Wie ist es Euch bei der Suche nach einer Wohnung ergangen?
Wie seid Ihr in der Hausgemeinschaft aufgenommen worden?
Wie sieht es mit der Kollegialität (Annahme des Partners) am Arbeitsplatz aus?

Bin wirklich neugierig, da es ja eine der wichtigen Säulen für die Integration wäre!

VG
Cosima