Hallo,
über Erfahrungen kann man nicht streiten, jeder macht seine eigenen. Man darf nur nicht den Fehler machen, nicht zu merken, daß andere eben auch andere Erfahrungen machen. Ich denke, daß Sandra alle, die eben noch keine Alltagserfahrungen in Tunesien gesammelt haben, davor warnen möchte, den Schritt der Auswanderung zu machen, ohne vorher Ihre Erfahrungen, zur Kenntnis genommen zu haben.
Meine Erfahrungen, die ich jetzt hier ein wenig schildern werde, sind eben auch nur meine Erfahrungen, die ich in der Gegend um Mahdia sammeln konnte und sind deshalb auch nur subjektiv: als ich frisch verheiratet war, hatte ich nichts anderes mehr im Kopf, als ganz schnell nach Tunesien auszuwandern - es war mein damaliger Traum. Ich informierte mich über alles, was man wissen sollte und stellte u.a. fest, daß es absolut keine adäquate Schule für meine beiden deutschen Töchter gab und somit war für mich das Thema erledigt - zumindest bis zum Schulabschluß meiner Kinder. Im nachhinein kann ich nur sagen: zum Glück! Denn die praktischen Erfahrungen, die ich dann die nächsten Jahre machte, zeigten mir, daß ich dort, zumindest in meiner derzeitigen Situation, nicht für immer leben könnte. Es beginnt mit der Tatsache, daß man mit einem Tunesier verheiratet ist und anders leben muß, als man es vom Urlaub her gewöhnt ist. Überall wird darauf geachtet, daß man die Ehre des Mannes und der Familie nicht verletzt und das tut man schon, wenn man ohne Erlaubnis des Mannes Kaffeetrinken geht. Die Familie hat überhaupt einen riesengroßen Einfluß auf das Eheleben. Es wird zwar akzeptiert, daß man nicht wie eine Tunesierin ist, aber irgendwann wird es halt doch von einem erwartet, sich wenigstens so zu benehmen. Doch dazu bin ich nicht in der Lage. Ich könnte mich in diesen tun. Familienalltag nicht integrieren. Ich bin es gewöhnt, selbständig zu denken und zu handeln und das wäre in Tunesien für mich absolut unmöglich.
Dann kommen die Alltagsprobleme hinzu. Dazu gehören z.B. das Bezahlen der Arzt-, Strom-, Telefonrechnungen usw., das Einkaufen bei meist niedrigen Löhnen und die im Verhältnis hohen Preise, die Sprache, evtl. Schulprobleme der Kinder (in T werden Kinder in der Schule häufig noch geschlagen - auch wenn es von staatlicher Seite verboten ist), Meinungsverschiedenheiten über Erziehungsmaßnahmen mit der gesamten Familie, die Art der Freizeitgestaltung (Männer gehen ins Café und die Frauen treffen sich meistens mit Frauen aus der Familie) usw.usw. Dazu gehören auch noch die Regelung der Kranken- und Rentenversicherung.
Bei den meisten Berufen ist es einer europäischen Frau nicht möglich, ihren erlernten Beruf weiter auszuüben, da ihr in der Regel die benötigten Sprachkenntnisse fehlen. Es gibt oft Probleme mit der Arbeitsgenehmigung. Nicht jede darf arbeiten gehen. In vielen Familien ist es so, daß die Frauen zuhause bleiben müssen. Die Ansprüche ans Kochen sind ganz andere als hier in D. Stellt mal Euren Männern einige Tage nur Miracoli etc. auf den Tisch, weil Ihr es zeitlich nicht schafft, richtig zu Kochen. Das gibt hier in D vermutlich schon Probleme, aber in T ist es undenkbar!
Falls man dann tatsächlich zu den Glücklichen gehört und einen Job bekommt, kann man sich gleich mal auf ein ganz anderes Berufsleben einstellen. Man muß z.B. fragen, ob man auf die Toilette gehen darf, wenn man noch Vorgesetzte über sich hat. In Positionen, in denen man dann nicht mehr fragen muß, kann man sich gleich mit einem ganz anderen Problem anfreunden: die Unzuverlässigkeit. Termine werden oft nicht eingehalten und das ist ganz schön nervend, wenn man an deutsche Zuverlässigkeit gewöhnt ist.
Dann kommt die von mir schon so oft erwähnte Doppelmoral, mit der ich nicht auf Dauer leben könnte. Es ist nicht, weil es nicht sein darf und es ist trotzdem.
Ich denke, wenn man genügend Geld in D hat, ein Haus weit weg von der Familie hat und nicht mehr arbeiten gehen muß und einen Mann hat, der an das europäische Leben gewöhnt ist, dann kann es vielleicht klappen, aber so, wie sich die meisten hier ein Leben in Tunesien vorstellen, wird es wohl oftmals scheitern. Funktionieren könnte es auch, wenn Ihr Jobs im Tourismus hättet und nicht verheiratet seid. Ich bin mir darüber im Klaren, daß jetzt viele über mich herfallen werden - besonders die, die in ihren Urlauben andere Erfahrungen gemacht haben. Doch ich erwähnte ja schon am Anfang dieses Posts, daß es meine subjektiven Erfahrungen sind und da man über Erfahrungen ja nicht streiten kann, dürfte es ziemlich sinnlos sein. Ich habe es in T so erlebt und daran könnt Ihr leider nichts ändern.
Diese Erfahrungen ändern aber auch nichts daran, daß ich Tunesien liebe, aber eben immer nur für eine bestimmte Zeit. Eine Zeit, die ich überblicken kann. Ich fühle mich in T zuhause und bin glücklich, wenn ich in Monastir lande - auch wenn ich dann gleich danach schon mit einer weiteren lästigen tunesischen Unart konfrontiert werde: dem Zoll und der ganzen Behördenwillkür, die eine ganz andere Dimension hat, wie unsere hier in Deutschland.
LG Anna