Hallo Anna,
ich will mal versuchen auf deine Fragen zu antworten.
geschichtlich gesehen fungierte Tunesien als Begegnungsraum fuer Viele Voelker: Phoenizier, Roemer, Vandalen, Berber, Araber, Tuerken, Spanier und Franzosen. Auch wenn der Tunesier eine Mischung aus diesen Voelkern ist, die Verhaltens- und Denkweisen werden durch die arabisch-islamische Kultur, die das Land am laengsten und am tiefsten beeinflusst hat, substanziell gepraegt, unabhaengig davon ob man den Islam praktiziert oder nicht.
Daraus resultieren der grosse Stellenwert, den man dem Familiensinn beimisst, die Opferbereitschaft und Solidaritaet, die man systematisch von klein auf entwickelt und foerdert. Fuer Tunesier ist es daher unbegreiflich, dass Grosseltern oder Elternteile ins Altersheim abgeschoben werden, das gilt als schwerer Verstoss gegen die familiaeren Pflichten und entspricht nicht ihren Moralvorstellungen.
Der Tunesier ist grundsaetzlich sozial und emotional, betrachtet sich als Teil des Ganzen, Erfolg und Misserfolg, Freude und Leid des Einzelnen betrifft in gleicher Weise alle uebrigen Familienmitglieder, das schliesst auch die Nachbarschaft mit ein.
Der Tunesier kann den westlichen Individualismus nicht nachvollziehen, er fuehrt zwar zum materiellen Wohlstand -was fuer die Tunesier nicht im Vordergrund steht-sondern auch und vorallem zur Vereinsamung und Isolation, die manche dann durch den vermenschlichten Umgang mit Tieren ueberwinden wollen . Ein Leben als Single waere fuer einen Tunesier unvorstellbar.
Es kommt selten oder fast gar nicht vor, dass ein Tunesier einen Verdaechtigen zur Polizei fuehrt, passiert dagegen ein Unfall dann eilen alle dahin und bieten ihre Hilfe an.
Der Tunesier versprachlicht seine Gedanken anders, er kommt nicht gleich zur Sache sondern versucht den gesamten Kontext zu ergruenden um zu einem tieferen Sinn zu gelangen, die Sache an sich hat eine zweitrangige Bedeutung, wichtig ist der Mensch, alles was gesagt wird hat zunaechst eine ornamentale Funktion - der Tunesier wird nicht muede zu fragen, wie es einem und seiner Familie geht.
Der Tunesier kann seine Gedanken verstecken, manchmal unterdruecken, er kann sich aus Hoeflichkeit oder Ruecksicht von einer Sache begeistert zeigen, in seinem Inneren jedoch sieht es total anders aus.
Tunesier finden es nicht tragisch , von anderen -Freunden oder sogar Fremden- beeinflusst zu werden, und lassen sich aus reiner spontaner Sympathie umstimmen, wohlwissend dass keine Entscheidung unwiderruflich ist.
Der Tunesier ist grundsaetzlich nicht nachtragend.