Guten Morgen,

es ist aber doch richtig, daß wir hier in Deutschland ein anderes Rollenverständnis haben, als in den arabischen Ländern. Die meisten unserer Männer bzw. Freunde sind doch mit anderen Werten etc. aufgewachsen. Vielen wurden Dinge eingetrichtert, die hier kein Mann zu hören bekommt. Im Gegenteil viele Mütter versuchen, ihren Söhne beizubringen, daß sie nichts Besseres als die Mädchen sind. Den Müll genauso in die Mülltonne tragen müssen, oder beim Ausräumen der Spülmaschine mithelfen müssen. Wenn ich sehe, wie derartige Arbeiten in den mir bekannten tunesischen Familien erledigt werden, dann kann ich mir das ein oder andere Verhalten meines Mannes sehr gut erklären und habe wieder Verständnis dafür, daß er einige Zeit gebraucht hat, zu kapieren, daß er in unserer Familie genauso Hausarbeiten verrichten muß, wie ich. Man darf bei all den Diskussion nie vergessen, wo und wie die Männer, die dann hier in Deutschland landen, gelebt haben. Auch wäre es ein Fehler, zu erwarten, daß die tunesischen Männer hier in Deutschland ihr bisheriges Leben, ihre Kultur, ihre Erziehung etc. vergessen werden. Man muß einen Mittelweg finden zwischen beiden Lebensformen. Es ist verdammt schwierig, jedenfalls für mich, Teile meiner "Frauenrechte" hier in Deutschland aufzugeben. Für meinen Mann ist es aber auch schwierig von seinen arabischen Männerprivilegien etwas herzugeben und genau da gibt es eben immer wieder Konfrontationen, da ja jeder ständig versucht, seine Stellung in der Ehe wieder zu "normalisieren", also seinem Rollenverständnis anzupassen.
Jeder äußere Einfluß bringt wieder Bewegung in diesen sensiblen Prozeß, z.B. Kommentare von deutschen Freundinnen, die meinen, ich würde mich teilweise schon wie eine "Türkin" verhalten. Oder ein anderer beliebter Spruch: "wann setzt denn Du Dein Kopftuch auf...." Ich stehe über derartigen Bemerkungen, doch mein Mann reagiert äußerst sauer und versucht mir den Kontakt zu "solchen" Frauen zu verbieten. Genauso schwierig sind die Urlaube in Tunesien nur in der umgekehrten Verteilung. Die Familie und die Freunde meines Mannes versuchen Einfluß zu nehmen und regen sich über mein deutsches Verhalten auf und überzeugen ihn nach einer Weile. Er vergißt irgendwelche innerehelichen Absprachen und erwartet, daß ich mich wie eine Tunesierin verhalte. Das kann ich aber nicht. Genausowenig, wie er sich wie ein Deutscher verhalten kann. Man muß eben ständig Kompromisse schließen, mit denen beide leben können. In einer Ehe, in der beide Partner der gleichen Nationalität angehören, muß man das auch, doch lange nicht in dem Maße, wie in der binationalen Ehe. Es entstehen an Stellen Konflikte, wo man selber nie geglaubt hätte, daß es welche geben könnte. Mein Mann hat vor Kurzem gesagt, daß er keinem Tunesier empfehlen würde, eine Deutsche zu heiraten. Vielleicht hat er ja Recht?
Anna