Hallo,
ich möchte hier und heute meine Geschichte nicht erzählen. Würde auch absolut nichts bringen. Ich möchte aber versuchen, das Ganze etwas mehr zu versachlichen.
Für jeden Ausländer ist es schwer hier zu leben. Man erlebt meistens zum erstenmal eine fremde Kultur und deren Auswirkungen hautnah. Man erlebt die deutsche Frau, die man meint zu lieben, im Alltag und oft läuft der sehr viel anders als der Urlaub. Die Fremden versuchen sich anzupassen, das gelingt ihnen zum Teil. Sie akzeptieren die andere Lebensform. Beobachten sehr genau, was ihre deutschen Frauen machen. Es bleibt ihnen oft nichts anderes übrig, als es zu beobachten, denn sie wissen ja, daß es in Deutschland alles anders läuft als in Tunesien. Daß Frauen sich z.B. außerhalb der Ehe auch mit anderen Männern unterhalten etc. gilt hier als normal. Es kommt zu den ersten Streitereien wegen irgenwelchen ganz banalen Sachen. Dahinter steckt aber meistens etwas ganz anderes - etwas viel ernsteres. Der Streit um das Brot, das vergessen wurde einzukaufen, ist oft nur vorgeschoben. Man streitet, weil Erwartungen nicht erfüllt werden. Die Frau kommt aus ihrer Rolle nicht heraus und der Mann auch nicht. Die Männer leben zwischen den Kulturen und mühen sich ab, ihren Standpunkt zu finden. Die Frauen auch. Europäische Prägung auf der einen und arabische auf der anderen Seite. Wenn es nicht gelingt, genügend Toleranz für das Leben des anderen aufzubringen, kann man die Beziehung eigentlich schon vergessen. Alkohol begünstigt die Konfrontation noch, da man nicht mehr in der Lage ist, ruhig und mit klarem Kopf an die Problemlösung heranzugehen. Starke Einflüsse aus Tunesien bewirken, zumindest in meiner Ehe, immer wieder einen Rückschritt. Die Familie, die Freunde etc. üben ihren Einfluß aus und mein Mann wird so unsicher in seiner Meinung, daß er alles, was er bis dahin für seine Ehe akzeptiert hat, wieder ablehnt und anfängt von mir traditionelles tunesisches Frauenverhalten zu erwarten. Erst, wenn dieser Einfluß wieder aufhört, dann ist es wieder möglich Kompromisse zu finden. Man muß ständig das eigene Verhalten an den Maßstäben des fremden Landes reflektieren. "Was habe ich jetzt schon wieder falsch gemacht? Gegen welche Regeln seines Landes habe ich schon wieder verstoßen?" sind Fragen, die ich mir sehr häufig stelle, doch mein Mann stellt sie sich natürlich auch. Offene und ehrliche Gespräche, Verständnis für das bisherige Leben des Partners, die Geschichte und Tradition des jeweiligen Landes etc. und Toleranz sind meiner Meinung nach die einzigen Möglichkeiten, eine Problemlösung herbeizuführen. Schwierig wird es, wenn man einfach nicht mehr in der Lage ist, das permanent durchzuhalten. Es ist wahnsinnig anstrengend und nervenaufreibend und belastet die ganze Familie. Es ist richtig, wenn Ihr sagt "laß Dich nicht unterdrücken!" - natürlich, wer will schon in Unterdrückung leben? Doch sollte man nie vergessen die "andere" Seite auch zu sehen und in seine Überlegungen miteinzubeziehen. Vielleicht fühlt sich ja der Partner mit dem, was man macht, unterdrückt? Einen deutsch-tunesischen Weg in diesem ganzen Chaos von Traditionen etc. zu finden ist eine andauernde Auseinandersetzung mit dem Partner, in der man viel Geduld und Toleranz aufbringen muß, dessen sollte man sich bewußt sein und ich glaube mittlerweile, daß diese Auseinandersetzung nie enden wird, denn die tunesischen und deutschen Einflüsse sind immer wieder präsent. Man wird nie eine deutsche Ehe führen und der Mann wird auch nie deutsch werden. Man muß einen Mittelweg finden und das ist oftmals sehr schwierig - manchmal auch nicht durchführbar.
Anna