hallo verzweifelte,

deine geschichte erinnert mich sehr an meine und ich möchte es dir kurz erzählen:

mein mann und ich haben uns vor 22 jahren bei einer tour nach tamanrasset, die ich organisiert habe kennengelernt. nach 3 jahren waren wir verheiratet, er lebte in london und arbeitete frisch nach dem studium dort als biologe in einer forschungsabteilung für tropische krankheiten.

nach unserer hochzeit lebten wir in deutschland und er hatte eine für ihn sehr befriedigende arbeitsstelle dort bekommen. unser erstes kind wurde geboren und wir waren sicherlich das, was man als glücklich und erfüllt bezeichnen kann. liebevoll kümmerte er sich um die - in der zwischenzeit - zwei kinder, wir teilten uns die aufgabe der kinderbetreeung, ich arbeitete auch wieder ein bisschen und ging immer wieder auf reisen, beruflich oder privat.

sein bekanntenkreis bestand aus menschen sämtlicher nationen, er hatte ein gutes und freundschaftliches verhältnis zu seinen kollegen. es gab kein geklüngel mit anderen arabern.

die wende kam, als ein entfernt verwandter aus tunesien hier her kam. von heute auf morgen verwandelte sich mein mann in einen pascha ohnegleichen. plötzlich hatten wir die wohnung voll mit laut debattierenden arabern, die kinder haben sich beschwert, weil sie nicht mehr schlafen konnten bei der lautstärke des ständigen gequatsches, ich sollte die herren bedienen mit getränken, essen usw. und mich ansonsten unsichtbar machen im eigenen haus. die sache spitzte sich zu, ich sollte nicht mehr reisen alleine, nicht mehr arbeiten, nicht mehr alleine durch die stadt und zum einkaufen gehen. warum? keine antwort von ihm auf die frage, bis auf die eine: das schickt sich nicht. zu gefährlich. seine freunde könnten mich sehen.

und darin liegt der springende punkt. sein verwandter war entsetzt darüber, wie wir leben, hat ihn aufgewiegelt, aufgehetzt. was seine eltern denken würden, wenn sie das sähen, was seine arabischen bekannten darüber denken, usw. für mich war es der blanke neid, denn keiner dieser menschen war damals einigermassen zufrieden oder glücklich in einer partnerschaft oder ehe.

zerstörerische kräfte waren am werk. er bekam anrufe von seinen sog. freunden, die mich angeblich knutschend irgendwo gesehen haben, mit mehreren oder ständig wechselnden männer in einschlägigen lokalen beobachtet hätten, usw.

eine eheberatung lehnte er kategorisch ab, man redet nicht mit fremden über solche dinge!!! grade er, der bei seinen forschungen mit viele menschen über die intimsten details ihres lebens reden muss.

nachdem seine tollen freunde jeden tag bei uns die ganze wohnung belegten, meine kinder kein rückzugsgebiet für hausaufgaben usw. mehr hatten (es ist immer wieder erstaunlich, unter welchen bedingungen die kinder in tunesien ihr lernpensum bewältigen, das können meine nicht), gespräche völlig fruchtlos waren, habe ich meine sachen gepackt und bin gegangen. nach ca. einem halben jahr haben wir nochmal einen versuch gestartet, leider jedoch wieder nach wenigen tagen genauso erfolglos. das schlimmste und entwürdigendste für mich kam, als ich wieder schwanger wurde und er mir ständige zweifel an seiner vaterschaft vorhielt.

das allerletzte ist für mich ein mensch, der einem anderen menschen vorschreiben will, wie er zu leben und zu denken hat. das ist das entwürdigendste auf dieser welt und ich bin wieder sehr schnell ausgezogen. damit auch seine freunde verstehen, dass wir kein paar mehr sind (sie meinten auch noch nach meinem auszug ein anrecht zu haben und ich wurde genauso beobachtet und gegängelt, sie versuchten die kinder aufzuhetzen, usw) habe ich mich scheiden lassen.

über die jahre jetzt kann ich ihn etwas besser verstehen. der kulturbruch hat ihn überrollt, nachdem er ein so frisches und starkes stück "tunesien" durch seinen verwandten hierher geliefert bekam und er hat sich unsicher machen lassen durch solche sätze wie: du bist kein mann mehr, schäme dich, pantoffelheld usw. in der arabischen sprache hat sich das noch krasser angehört. zermürbt durch die ständige bearbeitung hat er schliesslich sich für die "alte" welt und weltvorstellungen entschieden.

heute ist er wieder glücklich verheiratet. mit seinen damaligen freunden hat er keinen kontakt mehr und ist wieder der liebevolle partner und vater zu seiner neuen frau, wie ich ihn anfangs unserer ehe auch erlebt habe.

für uns gab es keine chance mehr, die versuchte unterdrückung meinerseits durch sein verhalten hat meine liebe zu ihm getötet. zu unseren gemeinsamen kindern hat er häufigen und liebevollen kontakt und ich habe ein gutes verhältnis zu seiner neuen frau. unsere geschichte kennt sie und hatte anfangs ein bisschen angst, dass es wieder passiert, aber nun mit 52 jahren ist er in sich gefestigter und sieht auch, dass man niemanden so bevormunden darf.

ich kann dir nur eines raten: lass dich keinesfalls unterdrücken, oder dir vorschreiben, was du tun darfst. die erste, grosse, alles verzeihende liebe verliert sich im alltag und kann unter druck niemals zu einer dauerhaften, vertrauten und festen beziehung heranwachsen, die den liebesrausch irgendwann ersetzen muss. und du wirst irgendwann vor dem spiegel stehen und dich dafür hassen, dass du dieses spiel mitgemacht hast. früher oder später wirst du dir fragen stellen, deren beantwortung dir schwer fällt und dich an dir zweifeln lässt. tu dir das nicht an!!!

grüsse