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Re: "Tunesier sucht Europäerin - zwecks Heirat"
#100037
22/02/2006 13:46
22/02/2006 13:46
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Joined: Aug 2003
Beiträge: 66 Zürich
AmorBenHamida
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Beiträge: 66
Zürich
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Hallo alle zusammen
es geht um ein fiktive erzählung, einen roman über zwei menschen (fathi und claudia), eingebettet in diese business-landschaft. sie aber wollen eigentlich von alle dem nichts wissen, sie haben das gleiche alter in etwa, also keinen grund, ums "verrecken" einen partner oder eine partnerin zu suche... die geschichte dieser zwei basiert auf beobachtungen und erfahrungen.
ihr kampf aber im alltag mit der religion, der kultur, dem arbeitsalltag etc. beschreibe ich so, dass (hoffentlich!) viele betroffene frauen verstehen, wieso sich ihr partner so verhält - weil er ja nie offen darüber redet...
jedenfalls ist es eigentlich eine kleine tragödie, aber mit vielen romantischen, lieben, hoffnungsvollen elementen...
OK? :-)
Leseprobe:
Nach ein paar Tagen setzte er sich im ersten besten Café an einen Tisch und schaute sich um, schüchtern, fast verängstigt. Das also, dachte er bei sich, sind die Touristen, die zu uns kommen und denen ich alles andrehen konnte, von ’alten’ Münzen bis zu Stoffkamelen.
Als die Bedienung ihn fragte: „Was dörf si?“, ahnte er die Frage nur und antwortete: „Un café, s’il vous plaît“. Auf die Rückfrage „Es kafi greme?“, antworte er unsicher: „Oui, oui“.
Er schaute der Serviererin noch lange nach. Dabei lächelte er bei dem Gedanken, dass er gar nicht erst nach Frankreich gehen müsste. Mit dieser attraktiven jungen Frau könnte er sich auch eine Zukunft vorstellen. Wenn er darauf aus wäre. Aber er war überzeugt: „Ich gehe nach Frankreich, so Gott will, werde dort hart arbeiten, Geld sparen und dann nach Hause zurückgehen. Ich werde ein Häuschen bauen, ein kleines Projekt lancieren, meine Cousine heiraten, die nach meiner Mutter schauen wird. Das mit den Kindern wollen wir mal nicht überstürzen.“
Er musste an das krasse Beispiel denken, das ihm Slim beim Abschied noch geschildert hatte: „Hör zu, mein Freund, wenn du die Chance kriegst, in der Schweiz oder in Frankreich eine Europäerin zu heiraten und dort zu bleiben, dann zögere ja nicht. Mach’s wie Jamel! Er ist nach Deutschland gegangen, weil ein Touristenpaar ihn für zwei Wochen Ferien eingeladen hat. Aber dort gingen ihm schnell die Augen auf: Innerhalb von zehn Tagen hat er Kontakt zu einer jungen Deutschen geknüpft und es geschafft, sie zu heiraten. Er lebt heute noch in Deutschland!“
Ihm fiel das überdimensionale Kreuz am Hals der Serviererin auf. Was ihn dabei störte, war, dass sie ein derart freizügiges Decolleté hatte, dass man ihre – wenn auch schönen – Brüste fast zur Hälfte sehen konnte. Er fragte sich innerlich, ob er wohl der Einzige sei, dessen Blick unweigerlich auf diese Brust gelenkt wurde. Es war ihm peinlich, als sie es bemerkte, aber er konnte nicht anders! Er musste hinsehen, so etwas kannte man in Zarzis nicht. Er fragte sich denn auch kurz: Warum trägt
diese Frau ein solches Kreuz? Ist es nur Schmuck? Sollte sie mit dem Kreuz ihren festen Glauben an Jesus Christus bezeugen wollen, dann passt aber dieser Ausschnitt schon gar nicht.
Er erinnerte sich an seinen Religionslehrer. In Zarzis ging es natürlich hauptsächlich um die Islamlehre. Trotzdem zitierte ihr Lehrer gelegentlich aus der Bibel. So hatte er auf die Frage eines jungen Mädchens, warum denn die Christinnen nicht so zurückhaltend seien, in ihrer Bekleidung, in ihrem Auftritt gegenüber Männern, wie muslimische Frauen, geantwortet: „Christinnen haben fast dieselben Auflagen wie muslimische Frauen, sie halten sich aber einfach nicht mehr daran. So heißt es in der Bibel beispielsweise: ’Euer Schmuck soll nicht äußerlich sein wie Haarflechten, goldene Ketten oder prächtige Kleider, sondern der verborgene Mensch des Herzens im unvergänglichen Schmuck des sanften und stillen Geistes: Das ist köstlich vor Gott. Denn so haben sich vorzeiten auch die heiligen Frauen geschmückt, die ihre Hoffnung auf Gott setzten und sich ihren Männern unterordneten, wie Sara Abraham gehorsam war und ihn Herr nannte; deren Töchter seid ihr geworden, wenn ihr recht tut und euch durch nichts beirren lasst.’“ Er erinnerte sich noch an die anschließende Diskussion zwischen den Jungen und Mädchen. Erstere hatten kichernd gesagt: „Siehst du, auch als Christin müsstest du mich ’Herr’ nennen!“
Er konnte dieses Bild nicht einordnen: Eine junge Frau zeigt freizügig Brüste, trägt aber ein Kreuz. Es kam ihm so unpassend vor, wie wenn eine Muslimin den Schleier trägt, dazu aber einen Minirock.
Im Café schrieb er seinem Cousin und Freund Béchir einen Brief:
Mein lieber Cousin Béchir,
Du glaubst nicht, was ich allein in diesen paar Tagen in der Schweiz erlebt habe. Was für eine Welt! Eine hoch zivilisierte, reiche, schöne Welt. Möglicherweise erreichen wir diesen Stand eines Tages, in vielleicht dreihundert Jahren! Aber wo werden sie dann sein? Auf dem Mond? Soll ich dir etwas sagen? Es ist keineswegs so klar. Diese Welt ist so anders als unsere, sie ist voller Widersprüche. Ich sah eine
junge Frau auf eine ältere zugehen und ihr anbieten, auf dem Weg ein Stück mit ihr zu gehen und ihr die Einkäufe zu tragen. Aber es tat mir weh, diese alte, einsame Frau allein zu sehen, mit ihrem Stock, unsicheren Schrittes. Hatte sie denn gar keine Verwandten mehr? Stell dir vor, bei uns würde irgendjemand für diese Frau einkaufen gehen, oder? Diese Welt ist so sauber, Béchir. Wehe, du wirfst irgendetwas weg, du bekommst sofort ein schlechtes Gewissen, denn alle hundert Meter ist ein Abfalleimer aufgestellt. Und was sie da wegwerfen! Bei uns könnten wir einen solchen Kübel ausleeren und die Hälfte davon noch verwenden.
Und die Menschen sind so was von sauber! Es scheint mir als duschten sie jeden Tag mehrmals. Sie duften, ihre Haare sind gepflegt. Ich habe einen Mann beobachtet, der neben mir saß im Café, ich sage dir, seine Fingernägel waren sauberer als die einer Braut bei uns. Und ihre Zähne sind so weiß und auch im Alter alle noch da. Wenn ich an unsere Großmutter denke, die mit sechzig Jahren nur noch zwei Zähne hatte, die dabei so dunkel waren, dass man sie kaum erkannte. Unser arme Großmutter! Wenn sie wüsste, wie schön Zähne auch im Alter sein können.
Weißt du noch, wie wir dachten, dass alle Touristen einen Schönheitstest bestehen müssten, damit sie zu uns kämen. Alle waren sie schön und gepflegt, unsere Touristen. Auch die Alten. Aber glaub mir, die sind hier alle schön und gepflegt und reich. Wenn du eine Ausnahme zu finden glaubst, dann ist es ein Araber oder sonstiger Ausländer …
Zur Sauberkeit muss ich dir noch etwas sagen: Ich war vorhin auf dem WC in diesem Café. Ich schwöre dir, es ist sauberer als die Küche meiner oder deiner Mutter!
Aber die Frauen, Cousin, die Frauen tun mir Leid. Ich habe immer zu Hause gehört, dass sie hier emanzipiert und fortgeschritten und vor allem gleichberechtigt sind. Aber du glaubst nicht, wie die Frauen hier misshandelt werden. Natürlich nicht physisch. Ich glaube, jeder Mann riskiert hier Gefängnis, wenn er sich an einer Frau vergreift. Aber sie werden missbraucht: Auf jeder Illustrierten siehst du sie, oben ohne. Auf Plakaten werben sie mit ihren nackten Körpern für irgendein Produkt. Das Verrückte ist, sie werben nackt für Männerprodukte.
Weißt du noch, in Tunesien, als diese moderne, hier lächerlich erscheinende Werbung eine Frau mit ganz wenig nackter Haut zeigte, da boykottierten alle ihre Produkte, Männer wie Frauen! Die Frauen hier haben sich endgültig verkauft. Glaub mir, es gibt keinen Weg mehr für sie, ihre Würde zurückzugewinnen. Stell dir vor, ein Mann geht nach so einem Plakat mit einem perfekten Frauenkörper zu seiner normalen Frau heim … Und das Schlimmste kommt noch: Sie hängen vor ihren ***-Kinos ganz schlimme Plakate auf, wo eine Frau gleichzeitig von drei Männern … du weißt schon! Und keiner regt sich auf. Ein solches Kino wäre bei uns abgebrannt.
Aber eins muss ich dir noch sagen: Wenn du je dachtest, wir Araber seien gute Handelsleute, dann täuschst du dich. Wenn du hier in einen Laden kommst und einen Kaugummi willst, wirst du behandelt, wie bei uns Onkel Salem, wenn er einen ganzen Monatseinkauf macht.
Und noch etwas: Bei uns hören doch die Touristen so gerne dem Muezzin zu, wenn er zum Gebet ruft. Kein Wunder, denn hier läuten ständig die Kirchenglocken. Das ist ein Getöse! Diese Glocken machen mich fertig! Ich kann mich an ihren Klang nicht gewöhnen. Eine Frau lachte mich aus, als ich in der Nähe eines ihrer Gotteshäuser die Ohren zuhalten musste …
Weißt du? Erzähl das bitte nicht weiter, aber ich war in einem ihrer Gotteshäuser, einer Kirche, nur aus Neugier. Sie ziehen die Schuhe nicht aus! Männer und Frauen beten nebeneinander. Einige kommen auch nur so, zum Schauen, ich glaube, sie gehen hier in die Kirchen wie in die Museen. Das Gotteshaus ist prunkvoll mit Bildern und Skulpturen, Gold und vielen Kreuzen dekoriert. Wenn sie auch nicht unseren Glauben haben, Cousin, sie sind gläubig und gottesfürchtig. Und vor allem – im Gegensatz zu uns – ehren sie auch ihre Toten. Der Friedhof hinter der Kirche ist besser gepflegt als der Gar- ten unseres Gouverneurs. Bäume, unendlich viel Schatten, Ruhe und Frieden. Ich bin nicht dort hineingegangen, aber ich sah es am Tor. Die Wege sind markiert und gepflastert, kein Besucher trampelt über die Gräber …
Oh, zum Schluss noch eines: Ich war heute Morgen mit meinem Onkel auf einer Bank. Stell dir vor, meine erste Drehtür, die habe ich bis dahin nur in Filmen gesehen. Was muss ich lächerlich ausgesehen haben … Jedenfalls herrscht eine extreme Disziplin in diesen Instituten; kein Gedrängel, keiner, der dir über die Schultern schaut, wenn du am Schalter Geld abhebst. Der junge Mann hinter dem Schalter hatte ein Namensschild anstecken. Weißt du, unsere Angestellten würden so was nie tun, denn wir wüssten dann endlich den Namen, den wir bei der Direktion anschwärzen könnten. Jedenfalls lief alles wie am Schnürchen und unglaublich schnell. Mein Onkel nannte den Betrag, den er abheben wollte, und eine Minute später kam das Geld aus einem Rohr hervor. Exakt auf den Fran- ken genau entsprach es dem Betrag auf der Quittung, und die war nicht mit einem blauen Kugelschreiber, wie bei uns, geschrieben! Weißt du, wie oft wir die Bündel zählen mussten, die der Bankbeamte aus seiner Schublade haufenweise hervorholte? Mann, Cousin, ich glaube, diese Welt werden wir nie erreichen! Ich glaube, sie sind uns Jahrhunderte voraus.
Ich melde mich wieder aus Frankreich, In Scha’ Allah.
Ich lasse dich nun. Ich hoffe, dieser Brief erreicht dich in bester Gesundheit.
Grüße alle von mir.
Fathi klebte den Brief zu und zündete eine Zigarette an. So- fort wurde er auf einen kleinen, für den Tunesier unsichtbaren Aufkleber am Rand des Tisches hingewiesen. Er traute seinen Augen nicht, als er feststellte, dass zwei Tische weiter ein Mann genüsslich an seiner Zigarette zog. Er dachte schon an Diskriminierung, an Rassismus und Fremdenhass, als ihn eine Handbewegung der Kellnerin beruhigte: Er solle sich doch bitte in den Raucherteil des Cafés umsetzen, bedeutete sie ihm. Er konnte nicht glauben, dass im selben Café die Raucher nur einem Tisch von den Nichtrauchern getrennt saßen.
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