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Re: Deutsch-arabische Hoeflichkeit
#149567
16/06/2004 00:07
16/06/2004 00:07
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Joined: Jan 2002
Beiträge: 1,414 Planet Erde
Jens
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Joined: Jan 2002
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Planet Erde
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Hallo Ayscha, das ist doch mal endlich wieder ein interessantes Thema. Wird das jetzt die Doktorarbeit? Naja, viel mitreden kann ich da nicht, denn ich kenne außer denen, die ich im Urlaub getroffen hatte, persönlich keine Tunesier. Aber ich bin gespannt auf die Diskussionen, die hier folgen werden. Zitat: viele Diskussionen aber wenig Streit!!
Vergiss es! Du bist bei Tunesien.com und nicht im Forum der barmherzigen Schwestern (Scherz!)
Was ich hier so im Forum beobachtet habe: Manche Tunesier gehen sehr schnell in die Luft, wenn Kritik an ihrem Land bzw. ihrer Religion geäußert wird und reagieren dann oft sehr emotional. Sie empfinden eine solche Kritik deshalb sicherlich als unhöflich. Auch erkennen viele keine Ironie oder eine bestimmte Art von Humor (siehe das Beispiel "Der Tunesier" im Thread, der leider etwas ausgeartet ist) und werten so etwas als Angriff, auch wenn es gar nicht so gemeint ist. Das gilt allerdings nicht für alle. Wenn ich z.B. an Mabrouk oder Soly Z. denke (die im Moment hier nicht aktiv sind), so scheinen die recht gut mit der deutschen Mentalität umgehen zu können. Also wie immer: Jeder Mensch ist anders, allgemeine Regeln "die Tunesier so, die Deutschen so" gibt es nicht (Gott sei Dank!)
P.S.: Ich bin mir fast sicher, dass sich auch manch ein Tunesier durch meinen Satz "Auch erkennen viele keine Ironie" angegriffen fühlt. Der ist natürlich nicht abwertend gemeint, sondern soll nur ausdrücken, dass der deutsche Humor manchmal etwas deftiger ist, was jemand aus einem anderen Kulturkreis vielleicht negativ werten könnte.
Puh, war das jetzt politisch halbwegs korrekt?!
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Re: Deutsch-arabische Hoeflichkeit
#149569
16/06/2004 00:58
16/06/2004 00:58
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Joined: Jan 2002
Beiträge: 1,414 Planet Erde
Jens
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Joined: Jan 2002
Beiträge: 1,414
Planet Erde
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Stimmt, in der Rubrik Religion hat das Thema eigentlich nichts zu suchen. Hallo Jannah, siehste, schon das erste Missverständnis (dabei habe ich mir so viel Mühe gegeben!) Ich habe ja nicht gemeint, dass Deutsche humorvoller seien (das kann ich gar nicht beurteilen), sondern dass ihre Art von Humor nicht von jedem verstanden wird, genau das was du gerade gesagt hast. Unter deftiger verstehe ich grober und vielleicht auch etwas respektloser (wobei man das natürlich auch nicht verallgemeinern kann, zwischen Loriot und Harald Schmidt liegen Welten). Ich kenne den arabischen Humor leider nicht gut genug, um da jetzt große Vergleiche anstellen zu können. Aber interessieren würde mich das schon, wie andere das sehen.
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Re: Deutsch-arabische Hoeflichkeit
#149571
16/06/2004 07:01
16/06/2004 07:01
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Joined: Jan 2004
Beiträge: 294 Maintal
christasha
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Joined: Jan 2004
Beiträge: 294
Maintal
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Hallo Jens, damit Du gar nicht lang überlegen musst ![[Winken]](images/icons/wink.gif) , ich bin selbst Deutsche mit allem drum und dran - sprich Wurzeln, Pass, Wohnort etc., aber wenn ich hier so manche Diskussion verfolge, sind es in diesem Forum nicht nur die Tunesier, die hier sehr "emotionell" diskutieren, es gibt hier viele Deutsche, die genauso drauf sind - leider! Jeder hier hat irgendetwas mit Tunesien zu tun, viele sind mit Tunesiern liiert, aber Rücksicht auf das Temperament sind nur wenige bereit zu nehmen. Das ist etwas, das ich sehr schade finde. Und gibt leider oft das Bild wieder, das mir überall auf der Welt von den Deutschen vorgehalten wird.
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Re: Deutsch-arabische Hoeflichkeit
#149575
16/06/2004 09:15
16/06/2004 09:15
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Anonym
Nicht registriert
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Anonym
Nicht registriert
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Zitat: Anredeformen: Duzen/Siezen, Anreden mit dem Vornamen/Nachnamen/bestimmte Anredeformen (Sidi, ...)
In Tunesien werden Touristen mit Monsieur/Madame/Mademoiselle angesprochen. Als ich einige Monate dort arbeitete nannten mich die Kollegen Mademoiselle+meinen Nachnamen. Freunde/Bekannte und Familie nennen sich beim Vornamen. Also mir kam das ähnlich vor wie in Deutschland das Siezen und Duzen. Außer, dass hier das "Fräulein" ein kritisches Thema ist (siehe Emanzipation).
Zitat: - Vorstellen mit dem Namen (Das ist Tom)/ Vorstellen als Teil einer Gruppe (Das ist meine Cousine)
In meinem Bekanntenkreis in TN werden Fremde immer der Gruppe vorgestellt, mir ist es noch nicht passiert, dass ich nicht vorgestellt wurde... Ich denke das ist nicht unbedingt kulturabhängig, sondern wird in TN wie in Deutschland als höflich empfunden.
Zitat: - Gespraechsunterbrechungen (nicht zu Ende sprechen lassen/Pausen,...)
Es passiert oft, dass im Eifer des Gefechts einfach eine Person unterbrochen wird, ich denke das hat weniger mit der Kultur zu tun - da muss man nur mal unsere Politiker in den Diskussionsrunden anschauen
Zitat: - Ansprechen bestimmter Themen (Islam, Benennung als Mohammedaner)
Die Religion ist in Tunesien ein ganz sensibles Thema, was im Koran steht ist Fakt und man sollte es unterlassen daran zu rütteln und nach Beweisen dafür zu fragen. Man würde auf Unverständnis stoßen. Ist mir jedenfalls so gegangen. Das Christentum wird am höchsten angesehen, vom Judentum ganz zu schweigen und der Buddhismus ist ein rotes Tuch. Da ist man in Deutschland schon aufgeschlossener.
Zitat: - Komplimente machen
Damit ist man dort zu Lande sehr verschwenderisch
Zitat: - Nonverbal: Koerperabstand (Distanz beim Sprechen), Koerperkontakt (Intimitaeten in der Oeffentlichkeit), Mimik (direkt anschauen)
Wenn ein Mann Interesse an einer Frau zeigt, dann rückt er ihr schon stark zu Leibe, für uns Europäer ist das unangenehm. Genauso wie das "in-die-Geschäfte-ziehen" der Touristen an ihren Klamotten in den Souks... Intimitäten in der Öffentlichkeit sind nicht gerne gesehen, sprich Rumknutschen etc. Da ist dann schnell die Polizei zur Stelle und will einen mitnehmen.
Das ist mir soweit dazu eingefallen.
LG Sena
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Re: Deutsch-arabische Hoeflichkeit
#149576
16/06/2004 10:47
16/06/2004 10:47
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Joined: Jan 2002
Beiträge: 1,414 Planet Erde
Jens
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Joined: Jan 2002
Beiträge: 1,414
Planet Erde
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Hallo Christasha, widersprichst du dir da nicht selbst, wenn du sagst, dass Deutsche Rücksicht auf das tunesische Temperament nehmen sollten, umgekehrt aber viele Deutsche genau so emotional diskutieren wie Tunesier? Man reagiert ja nicht absichtlich emotional, sondern weil sein eigenes Temperament das so "will". Im Grunde hast du doch gesagt, dass Deutsche und Tunesier sich in dieser Beziehung gar nicht so unterscheiden oder sehe ich das falsch? Deine Aussage klang jetzt etwas wie "Tunesier können ja nicht anders, deshalb muss ein Deutscher darauf Rücksicht nehmen". Vielleicht habe ich dich aber auch falsch verstanden, deshalb frage ich nochmal nach. Nein, aber was ich meinte, war in erster Linie Kritik am jeweiligen Land. Tunesier haben meiner Erfahrung nach mehr "Nationalstolz" (das Thema hatten wir ja schonmal) und reagieren auch auf harmlose Aussagen über ihr Heimatland empfindlicher (das ist nur eine Beobachtung hier im Forum und hat keine wissenschaftliche Grundlage). Allerdings ist das nicht nur bei Tunesiern so und dieses Forum ist sicherlich auch nicht repräsentativ, weshalb ich jetzt besser mal still bin und die echten Experten zu Wort kommen lasse ![[Winken]](images/icons/wink.gif)
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Re: Deutsch-arabische Hoeflichkeit
#149579
18/06/2004 13:48
18/06/2004 13:48
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Joined: Jul 2002
Beiträge: 442 Deutschland
cosima
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Joined: Jul 2002
Beiträge: 442
Deutschland
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Hallo Ayscha, wo doch jetzt etwas Ruhe einkehrt, der Kopf wieder frei ist, schließe ich mich gerne Deinen Überlegungen an. Die Definierung von Höflich oder Unhöflich ist schon in sich ein Missverständnis, weil wir in unterschiedlichen Kulturkreisen unterschiedliche Definitionen darüber haben, was höflich zu sein bedeutet, z.B. -ich empfand das als unhöflich, wenn mich T-Männer (nicht diejenigen allerdings, die schon lange im touristischen Gebieten sind) beim Sprechen nicht anschauten. Dabei ist das für tunesische Verhältnisse ein Ausdruck von Zurückhaltung, Rücksichtsname und sogar Respekt. - uch kann so "wundebar" unkontrolliert dem Anderen ins Wort fallen, hier krieg ich halt meinen "Speck weg", dort wird das geduldet, weil es dem Anderen wichtiger ist selber höflich zu bleiben als mich zu ermahnen. - Ich fand es unhöflich, wenn Termine, Vereinbarungen etc. nicht eingehalten worden sind. Und in T war die Tatsache, dass ich mich darüber so geärgert habe nicht nachvollziehbar, aber mein Verhalten als unhöflich aufgenommen. Man hat es mir aber wegen der besagten Höflichkeit nicht gesagt. Was mich aber echt verblüfft hat, ist, dass meine Gesprächspartner öfter als ich (leider) es versucht haben, nachzuvollziehen, warum ich so oder so handele und argumentiere und damit eine Art von Rechtfertigung und Verständnis für mein Handeln zeigten, auch wenn es nicht immer für sie vom Vorteil war. Und dieses Verständnis gab mir das Gefühl, dass der andere irgendwie ruhiger und reifer ist, da er mehr den Blick für "Ursache und Wirkung" hatte und es auch wunderbar und ruhig erklären konnte.. Daraus habe ich echt gelernt, z.B. auch in Konflikten. Diese Art ist echt entwafnend! Und nun zu Ironie und Humor. Den hat wohl jede Nation, und ich konnte dort herzlich lachen und auch ironische Gespräche führen. Aber auch Humor hat Grenzen und zwar da, wo er verletzend wird. Und diese Grenze verlieren wir immer mehr ohne dies zu merken. Harald Schmitd, Stefan Raab und viele andere in den Medien lösen Tabus auf und wir verlieren die Sensibilität für diese Grenzen, übrigens nicht nur beim Humor. Und das ist dann die Art vom Humor, wo wir uns auf die Schenkel klopfen und dem anderen erstarrt das Lachen im Gesicht vor Verlegenheit. Dann gibt es noch eine Menge gesellschaftlicher Verstöße, in die eine Europäerin wie 'ne blinde Kuh hinein tappt, aber da ein/e gut erzogene/r T die Gründe zu verstehen versucht (s. o.) wird meistens Nachsicht geübt. In einer Beziehung heißt es dann voller Verzweifelung und Resignation (Originalsprache): wärest Du eine T wird ich Dich jetzt umbringen , aber Du kannst es nicht wissen, also was soll ich machen…..Und Frau versteht gar nichts, die war ja nur höflich, auch zu anderen Männern, die sind ja schließlich auch Menschen VG Cosima
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Re: Deutsch-arabische Hoeflichkeit
#149581
18/06/2004 15:04
18/06/2004 15:04
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Joined: Nov 2001
Beiträge: 679 München
Ayscha
OP
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Schoen, dass ihr wieder alle mehr Ruhe findet und meine Fragen beantwortet Wenn ihr uebrigens nicht wollt, dass ich eure Statements kommentiere, sagt bitte Bescheid. Dann lasse ich es - auch das ist ein Zeichen von Hoeflichkeit - zumindest in unserem Kulturkreis. Jepp, Hoeflichkeit ist kulturabhaengig. Deswegen untersuche ich ja auch Unterschiede in der deutschen Kultur (dabei gibt es wiederum Subkulturen mit unterschiedlichen Hoeflichkeitsformen...) Also stelle ich lieber weitere Fragen und warte ab, ob ihr Erklaerungen fuer bestimmte Verhaltensformen wollt oder nicht. Ist es euch aufgefallen, dass sich Menschen bei Diskussionen ins Wort fallen? Wie habt ihr das empfunden? Was ist passiert, wenn ihr bestimmte Dinge kritisiert habt? Wie seht ihr das Verhaeltnis Mann-Mann in Tunesien? Ist es euch aufgefallen, dass Maenner sich direkter, laenger anschauen als in Deutschland (man koennte hier von Anstarren sprechen)? Ist euch schon aufgefallen, dass der Koerperkontakt haeufiger ist? Dass man enger beisammen ist, der Koerperabstand zum Gespraechspartner ein anderer ist? Wie empfindet ihr es, dass Maenner haeufiger Haendchenhaltend durch die Gegend ziehen? Wie empfindet ihr es, dass sich bei der Begruessung auf die Wange gekuesst wird? Habt ihr schon erlebt, was passiert ist, wenn ihr als Frau einem Mann die Hand zur Begruessung gegeben habt? Ich habe das einmal bei einem offiziellen Gespraech getan und es kam eine ganz komische Stimmung auf... ...
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Re: Deutsch-arabische Hoeflichkeit
#149586
19/06/2004 17:39
19/06/2004 17:39
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Joined: Nov 2001
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Ayscha
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@Annegret Nochmals zurueck zum Thema Humor bzw. Ironie. Zitat: Ist doch eigentlich logisch, dass ein Fremdsprachler derartige Feinheiten nicht versteht, oder? Doch passiert es mir z.B. immer wieder, dass ich ironische Kommentare von mir gebe und nicht mehr daran denke, dass diese ein Verständigungsproblem darstellen. Das Ergebnis ist dann meistens ein Streit um Nichts.
Ich denke auch, dass Humor/Ironie nicht ohne weiteres in eine andere Kultur uebertragbar und von dieser zu verstehen ist. Mir geht es im Ausland auch immer so, dass ich denjenigen, der den Witz/witzige/ironische Aeusserung geaeussert hat, nur verstaendnislos angucke... Gleich verhaelt es sich auch allgemein mit der Hoeflichkeit. Die kann man nicht einfach wie eine Grammatik lernen. Auch kann man nicht pauschal sagen, das ist hoeflich und das nicht - sondern das haengt vom Ko- und Kontext ab. D.h. von der Kultur (Tunesier/Deutsche, Bayer-Koelner) und vielen anderen Dingen. Deswegen finde ich das Thema ja auch so spannend ![[Winken]](images/icons/wink.gif)
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Re: Deutsch-arabische Hoeflichkeit
#149589
19/06/2004 18:01
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Joined: Nov 2001
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Ayscha
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Zu letzt noch zu Sena, Cosima,... danach seid ihr wieder dran - hoffe ich zumindest :-) Zitat: Da kann ich mich Cosima anschließen. Besonders was das Verhalten gegenüber anderen Männern angeht. Es kommt nicht immer gut, dem männlichen Gesprächspartner während des Gesprächs in die Augen zu schauen. Hier zu Lande zeugt dies von Selbstbewusstsein und es gehört sich so. In Tunesien wird es als (unverschämte) Interesseäußerung verstanden. Eine "gute" Frau soll den Blick senken, wobei das nicht überall so ist. Mit den Freunden meines Mannes rede ich ganz normal "Auge in Auge" sozusagen.
Das mit dem Nicht-in-die-Augen-gucken, Abstand halten zwischen Mann und Frau wird in der Theorie damit erklaert, dass der Mann nicht dazu gebracht werden soll, sich eifersuechtig zeigen zu muessen (das sieht man als Gesichtsverlust aufgrund unerwuenschter emotionaler Aeusserungen). Ich habe zu Beginn meiner Arbeit in Tunesien auch allen Maenner direkt ins Gesicht geguckt, aber mittlerweile finde ich es viel angenehmer, auch mal auf den Boden gucken zu duerfen. Ich habe eine tuerkische Bekannte, die in Deutschland abundan aus eigener Entscheidung den Schleier traegt, damit sie nicht "angeglotzt" wird. Wobei ich auch Unterschiede bemerkt habe bei der "sozialen Distanz". D.h. wenn ich mit tunesischen Freunden meines Freundes gesprochen habe, konnte ich sie auch direkt angucken.
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