Auf breite Zustimmung bei Lehrern und Schulleitern stößt die Entscheidung des Hamburgischen Verwaltungsgerichtes zur Beteiligung islamischer Mädchen am Sexualkundeunterricht. Die Richter entschieden, dass auch streng islamische Eltern ihre Kinder nicht vom Unterricht fern halten dürfen.
Immer wieder mussten Hamburger Lehrer in der Vergangenheit Überzeugungsarbeit bei strenggläubigen Eltern leisten. Nun sehen sie sich auch rechtlich abgesichert. Ernst Lobischer (61), Leiter der Gesamtschule Kirchdorf,: "Auch bei uns gab es Eltern, die nicht wollten, dass ihre Töchter am Sexualkundeunterricht teilnehmen. Wir haben ihnen klar gemacht, dass dieses ein Fach ist wie jedes andere. Sexualkunde dient der Aufklärung und Emanzipation. Das ist in der heutigen Zeit eine Selbstverständlichkeit."
Olaf Pahl (37), Leiter der Schule Kerschensteinerstraße (Harburg), hat ebenfalls schon häufiger derartige Gespräche mit muslimischen Eltern geführt, die ihre Kinder zwar nicht vom Sexualkundeunterricht, aber vom Fach Religion befreien wollten. "Wir stellen dann klar, dass der Unterricht nicht konfessionsgebunden ist, sondern dass wir die verschiedenen Religionen vorstellen." Auch Gerd Basler (50), Leiter der Schule Arnkielstraße in Altona-Nord, findet das Urteil richtig: "Einige Eltern lehnen den Unterricht komplett ab, andere wollen lediglich erreichen, dass der Sexualunterricht getrennt nach Geschlecht gegeben wird. Ich versuche die Eltern in Gesprächen zu überzeugen. Schließlich ist die Sexualkunde Teil des ganz normalen Unterrichts. Wenn die Eltern ihren Kindern die Teilnahme weiterhin verbieten wollen, erinnere ich an die Zensur." Auch führende Islam-Vertreter äußern Zustimmung zu der Gerichts-Entscheidung. Ahmet Yazici (39), Vorsitzender des Bündnisses der Islamischen Gemeinden in Norddeutschland: "Ich persönlich finde es richtig, dass in der Schule objektiv über Sexualität aufgeklärt wird. Die Schule ist der richtige Ort, sonst erfahren die Jugendlichen zu viel durch Getuschel."
Hintergrund des Gerichts-Entscheides: der Antrag einer Wilhelmsburger Mutter, die ihre Töchter (14 und 15) aus Glaubensgründen vom Biologie-Unterricht fern halten wollte, wenn es dort um Sexualität geht. Das Gericht lehnte den Antrag ab, weil die Schulaufsicht des Staates in diesem Fall schwerer wiege als das Recht der Eltern auf die Erziehung und die Religionsfreiheit. Die Richter: "Eine verantwortungsvolle Schulerziehung darf nicht übersehen, dass die Kenntnis der menschlichen Sexualität Voraussetzung ist für ein verantwortungsbewusstes Verhalten sich selbst, seinem Partner, der Familie und der Gesellschaft gegenüber." Die Mutter der Mädchen gab vor Gericht an, dass ihre Töchter durch die Vorführung von Bildern und anderem Anschauungsmaterial in "schwere Gewissenskonflikte gebracht" würden. Wenn dem tatsächlich so sei, konterten die Richter, müsse die Mutter dafür sorgen, dass der religiös geprägte Druck in der Erziehung gemindert werde. (jel/gen/har)
http://www.abendblatt.de/daten/2004/01/20/253013.html