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BRÜDERLICHKEIT IM ISLAM #46312
26/02/2002 19:21
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Beatrice591 Offline OP
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Es folgen mehrere Beiträge von deutschen muslimischen Frauen aus der al-Nur Moschee in Berlin

Re: BRÜDERLICHKEIT IM ISLAM #46313
26/02/2002 19:25
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Beatrice591 Offline OP
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BRÜDERLICHKEIT IM ISLAM

Ich habe ausgerechnet dieses Thema für einen Vortrag gewählt, weil ich vor langer Zeit einmal das Buch "Das Elexier der Glückseligkeit" von Al Ghasali gelesen habe und er darin ein großes Kapitel den Pflichten der Freundschaft und Bruderschaft gewidmet hat, das mich sehr berührt hat. Es hat mich außerdem sehr betroffen gemacht, weil mir beim Lesen bewußt wurde, wie weit entfernt ich von echter Bruderschaft bin und wieviel man auf dem Weg zu echter Bruderschaft lernen kann. Ich werde mich bei diesem Vortrag auf dieses Buch stützen und es möglichst detailliert zusammenfassen. Al Ghasali sagt, daß es acht Pflichten der Bruderschaft gibt.

Beginnen möchte ich diesen Vortrag jedoch mit einigen Hadithen aus dem Bucharyy, die uns einen ersten und allgemeinen Eindruck davon geben sollen, was mit Brüderlichkeit gemeint ist:

2442 Abdullah Ibn Umar berichtete, daß der Gesandte Allahs, (sas) sagte: "Der Muslim ist des Muslims Bruder. Ihn darf er weder unterdrücken noch zugrunde gehen lassen. Wer seinem Bruder in der Not beisteht, dem steht Allah in seiner eigenen Not bei. Und wer einem Muslim eine Sorge abnimmt, dem nimmt Allah eine Sorge von den Sorgen am Tage der Auferstehung ab. Und wer einen Muslim nicht bloßstellt, den stellt Allah nicht bloß am Tage der Auferstehung."

2444 Anas berichtete: "Der Gesandte Allahs (sas) sagte: "Hilf Deinem Bruder, ob er Unrecht begeht oder unter Unrecht leidet!" Einer fragte: "Oh Gesandter Allahs, diesem helfen wir, wenn er unter Unrecht leidet. Aber wie können wir ihm helfen, wenn er selbst Unrecht begeht?" Der Prophet (sas) erwiderte: "Indem du seine Hände mit der Tatkraft vom Unrecht abhälst!"

6011 An-Nu’man Ibn Basir berichtete, daß der Gesandte Allahs (sas) sagte: "Gewöhnlich findest Du die Gläubigen in ihrer Barmherzigkeit, Zuneigung und Mitleid zueinander wie der Körper: Wenn ein Teil davon leidet, reagiert der ganze Körper mit Schlaflosigkeit und Fieber!"

6026 Abu Musa berichtete: "Der Prophet (sas) sagte: "Der Gläubige ist dem Gläubigen wie ein Mauerwerk: Ein Teil davon hält den anderen fest." Anschließend verschränkte er (demonstrativ) seine Hände ineinander.

6064 Abu Hureira berichtete, daß der Prophet (sas) sagte: "Hütet Euch vor Verdächtigungen; denn Verdächtigung ist die größte aller Lügen; sucht nicht mit Vorbedacht nach Euren Fehlern und spioniert einander nicht nach: Seid einander nicht neidisch und mißgünstig, wendet euch nicht von einander ab und seid Allahs Diener, brüderlich zueinander."

6077 Abu Ayyub Al-Ansaryy berichtete, daß der Gesandte Allahs (sas) sagte: "Es ist keinem Mann erlaubt, daß er seinen Bruder länger als drei Tage meidet, indem beide einander begegnen, und sich dabei der eine vom anderen abwendet. Der beste aber von den beiden ist derjenige, der zuerst mit dem Friedensgruß den anderen grüßt."

6951 Abdullah Ibn Umar berichtete, daß der Gesandte Allahs (sas) sagte: "Der Muslim ist des Muslims Bruder. Ihn darf er weder unterdrücken noch zugrunde gehen lassen. Wer seinem Bruder in der Not beisteht, dem steht Allah in seiner eigenen Not bei."

7072 Abu Huraira berichtete, daß der Prophet (sas) sagte: "Keiner von Euch darf auf seinen Bruder mit der Waffe zeigen; denn er weiß nicht, ob Satan die Bewegung seiner Hand so beeinflußt, (daß er seinen Bruder damit tötet) und selbst dadurch in eine Grube des Höllenfeuers fällt!"

7076 Abdullah berichtete, daß der Prophet (sas) sagte: "Die Beschimpfung eines Muslims ist eine Freveltat und gegen ihn zu kämpfen ist Unglaube."

Im Qur’an finden wir unter dem Thema Brüderlichkeit folgende Ayat:

2:178 Oh ihr die ihr glaubt! Es ist Euch die Widervergeltung vorgeschrieben für die Getöteten: der Freie für den Freien, der Sklave für den Sklaven, das Weibliche für das Weibliche. Doch wenn jemandem von seinem Bruder etwas vergeben wird, so soll der Vollzug auf geziemende Art und die Leistung ihm gegenüber auf wohltätige Weise geschehen. Dies ist eine Erleichterung von eurem Herrn und eine Barmherzigkeit. Wer nun von jetzt an (die Gesetze) übertritt, dem wird eine schmerzliche Strafe zuteil sein.

2:220 Sie befragen dich über die Waisen. Spricht: "Ihre Lage zu verbessern ist gut. Und wenn ihr ihre Angelegenheiten mit den euren zusammentut, so sind sie eure Geschwister." Und Allah weiß den Unheilstifter von dem zu unterscheiden, der Gutes tut. Und wenn Allah es gewollt hätte, hätte Er euch in Bedrängnis gebracht. Wahrlich, Allah ist Allmächtig, Allweise.

3:103 Und haltet insgesamt an Allahs Seil fest, und zerfallt nicht, und gedenket der Gnade Allahs gegen euch, da ihr Feinde waret, und Er eure Herzen so zusammenschloß, der ihr durch Seine Gnade Brüder wurdet; und da ihr am Rande einer Feuergrube waret und Er euch ihr entriß. So macht Allah euch seine Zeichen klar, auf daß ihr euch rechtleiten lassen möget.

9:011 Bereuen sie aber und verrichten sie das Gebet und entrichten sie die Zakah, so sind sie eure Brüder im Glauben. Und Wir machen die Zeichen klar für die wissenden Leute.

33:05 Nennt sie (Eure Adoptivsöhne) nach ihren Vätern. Das ist gerechter vor Allah. Wenn ihr jedoch ihre Väter nicht kennt, so sind sie eure Brüder im Glauben und eure Schützlinge. Und wenn ihr versehentlich darin gefehlt habt, so ist das keine Sünde von euch, sondern (Sünde ist) nur das, was eure Herzen vorsätzlich tun. Und Allah ist wahrlich Allverzeihend, Barmherzig.

33:18 Allah kennt wohl diejenigen unter euch, die (die Menschen vom Weg) abhalten, und diejenigen, die zu ihren Brüdern sagen: "Kommt her zu uns!" Und sie lassen sich nur selten in Kriege ein

49:10 Die Gläubigen sind ja Brüder. So stiftet Frieden zwischen euren Brüdern und fürchtet Allah, auf daß euch Barmherzigkeit erwiesen werde.

59:10 Und diejenigen, die nach ihnen kamen, sagen: "Unser Herr, vergib uns und unseren Brüdern, die uns im Glauben vorangingen, und laß in unsere Herzen keinen Groll gegen die Gläubigen. Unser Herr! Du bist wahrlich Gütig, Barmherzig."

Aus diesen Koranstellen erkennen wir erstens, wer unsere Brüder sind und natürlich auch, wie wir mit ihnen verfahren sollen. Im Islam sind wir untereinander alle Brüder und Schwestern und wir sollen immer gut mit einander verkehren, nicht schlecht über andere reden, nicht neidisch sein und den Geschwistern immer das wünschen, was wir für uns selber wünschen. Was nun jedoch das o. erwähnte Buch von Al Ghasali anbelangt, so spricht er von acht Pflichten, die uns die Bruderschaft und insbesondere die Freundschaft im Islam auferlegt.

Über das Freundschafthalten sagt Ghasali in seinem Buch, daß es eine Frucht guter Sinnesart ist, die Liebe und Einstimmigkeit bedingt. Böse Sinnesart hingegen bedingt Haß, Neid und Verfeindung. Man fragte den Propheten (sas) "Was ist das Beste, was dem Menschen gegeben ist?" Er sagte: "Die gute Sinnesart." Und weiter sagte der Prophet (sas): "Ich bin gesandt, um die gute Sinnesart zur Vollendung zu bringen." Abu Hureira frage: "Was genau ist die gute Sinnesart?", woraufhin der Prophet (sas) antwortete: "Daß du das Band knüpfst zu dem, der es zerreißt; daß du verzeihst dem, der dir Unrecht tut; daß du dem gibst, der dich beraubt." Die Freundschaft entsteht entweder zufällig, z. B. durch Nachbarschaft, Zusammensein auf der Schule oder auf der Reise oder aber willkürlich und ist somit Zweck eines Strebens. Nur über diese Art Bruderschaft soll hier gesprochen werden und wir verstehen unter ihr Zusammensein, Umgang pflegen und einander nahe sein. Ich hoffe, daß dies jetzt nicht falsch verstanden wird, denn wie oben bereits erwähnt, ist es unsere Pflicht, jedem Bruder und jeder Schwester gegenüber gut zu sein, jedoch verkehren wir nicht mit jeder Schwester regelmäßig oder so intensiv, daß es zu einer Freundschaft kommt. Ist die Beziehung aber freundschaftlich und in Gott, so sollen die folgenden Pflichten von ganzem Herzen wahrgenommen werden:

1. Die Pflicht der Hingabe von Hab und Gut für die Versorgung deines Bruders.

Hierbei wird zwischen drei Stufen unterschieden:

Die niedrigste ist die, daß Du Deinen Bruder von dem, was Du an "Überfluß" hast, abgibst, allerdings bevor er Dich darum bittet. Die zweite Stufe ist die, daß Du ihm die Hälfte Deiner Habe abtritts, also ihm den gleichen Stellenwert wie Dir selber einräumst und die dritte und edelste Stufe ist die, daß Du Deinen Bruder Dir selber voranstellst. Diese letzte Stufe wird als die bezeichnet, von der Allah im Koran spricht, wenn er sagt: "Und sie verrichten ihre Angelegenheiten in Beratung untereinander und geben hin von dem, was wir ihnen beschert haben."(Sure 42/36). Hierzu gibt es auch eine Begebenheit, bei der ein Mann zu Abu Hureira kam und sagte: Ich möchte dich gern zum Bruder in Gott haben. Da antwortete er: Kennst Du auch das Recht der Bruderschaft? Er sagte Nein, sage es mir. Abu Hureira erklärte ihm: Daß Du nicht mehr Anrecht auf deine Denare und Drachmen hast als ich. Da sagte der Mann: Diese Stufe habe ich noch nicht erreicht. So sagte ihm Abu Hureira: So gehe fort von mir. Eine andere Begebenheit erzählt, daß sie (die Brüder) Hab und Gut gemeinsam hatten und keiner sein Gerät von dem Gerät des anderen unterschied. Ja manche von ihnen nahmen den nicht zum Gefährten, der nur sagte "mein Schuh", weil er ihn damit als sein Eigentum bezeichnete. Und ein Muslim namens Fatch Al-Mausili kam einst zu der Wohnung eines Bruders, der nicht zuhause war. Da ließ er sich von der Sklavin die Geldkiste bringen und entnahm ihr soviel er braucht. Als die Sklavin dies ihrem Herrn mitteilte, rief er aus:" Wenn du die Wahrheit sagst, so bist du frei um Gottes willen!" So freute er sich über dieses Geschehen.

2. Die Pflicht der Hilfeleistung mit der eigenen Person

Unter dieser Pflicht wird verstanden, daß Du dem Bruder in seinen Angelegenheiten Dienste leistest, ehe du darum gebeten wirst und die Sorge für und um ihn der für dich selber vorangehen läßt. Auch hier gibt es wieder Stufen, wobei die niedrigste die ist, daß Du einem Bruder hilfst, wenn er Dich darum bittet, die folgende, daß Du ihm hilfst, bevor er dich darum bittet und mit dem gleichen Einsatz als gelte die Hilfe dir selber und die Hilfe, die du ihm gewährst bevor er dich darum bittet und wenn du ihm dankbar dafür bist, daß du ihm helfen darfst und diese Hilfe deinen eigenen Bedürfnissen voransteht. Wir müssen darauf achten, wann der Freund uns braucht, und sodann muß es uns ein Bedürfnis sein, ihm aus tiefem Herzen zu helfen, wobei wir für unsere Hilfe keine Gegenleistung erwarten dürfen und möglichst so helfen, daß es dem anderen nicht unangenehm ist, ja daß er vielleicht gar nicht bemerkt, daß du ihm hilfst. Der Prophet (sas) sprach: "Wenn du einen Menschen liebgewinnst, so frage nach seinem Namen und dem Namen seines Vaters und nach seiner Wohnung, besuche ihn, wenn er krank ist, und hilf ihm, wenn er Arbeit hat." Das Kennzeichen für echte fürsorgende Zärtlichkeit ist dies, daß der eine kein schönes Mahl und keine Fröhlichkeit genießen mag ohne den andern, sondern sich grämt, daß er allein ist und bekümmert ist über die Trennung von seinem Bruder.

3. Die Pflicht der Zunge, zu schweigen.

Die Pflicht der Zunge ist bald eine Pflicht zum Schweigen, bald eine zum Reden. Die Pflicht des Schweigens besteht darin, daß Du über die Fehler des Bruders schweigst, sei es in seiner Gegenwart oder in seiner Abwesenheit. Du sollst Stillschweigen über das, was der Bruder dir anvertraut, bewahren und niemandem jemals etwas darüber erzählen, auch nicht nach einem Bruch oder Zerwürfnis mit dem Bruder. Du sollst also jegliches Reden, das dem Bruder zuwider ist, unterlassen, es sei denn, daß du ihn in einer Sache zum Rechten mahnen und vom Unrecht ab halten mußt und dir das Gesetz nicht zu schweigen erlaubt. Ansonsten handelt es sich um üble Nachrede, wenn man über die Fehler eines anderen spricht und dies ist uns verboten. Wir sollten viel eher darüber nachdenken, welche Fehler wir selber haben, als über die der anderen nachzudenken. So müssen wir uns immer wieder in Nachsicht üben und dürfen ebenfalls nicht erwarten, daß ein Bruder Pflichten uns gegenüber erfüllt, die wir selber nicht gegen Gott erfüllen.

Wir sollen uns immer die guten Seiten der anderen vor Augen halten und für sie immer nach Entschuldigungen suchen und nicht nach ihren Fehltritten.

Nicht über die Fehler von anderen reden, bedeutet aber auch, nicht schlecht von den anderen zu denken. Es muß eine Sache des Herzens sein oder werden, immer das Beste vom anderen zu denken, nicht mißtrauisch zu sein oder ihn schlechter Dinge zu verdächtigen. In diesem Zusammenhang sagte der Prophet (sas): "Gott befiehlt, daß für den Gläubigen unverletzlich seien seines Bruders Gut und Blut und Ehre, und daß er nicht schlecht von ihm denken soll. Hütet Euch vor dem Verdach, denn der Verdacht ist das Lügnerischste, was dem Menschen seine Seele vorspiegelt. Spioniert nicht und spürt nicht nach, brecht nicht miteinander und kehrt euch nicht voneinander ab, sondern seid Gottes Diener als Brüder."

4. Die Pflicht der Zunge, zu reden

So wie es unsere Pflicht ist, zu schweigen, ist es ebenso unsere Pflicht, zu reden, und zwar das, was unserem Bruder angenehm ist. Das Schweigen dient sozusagen der Unterlassung von Kränkung, aber mit der Zunge bzw. der Sprache sollen wir unseren Schwestern sagen, daß wir sie lieben, uns nach ihren Erlebnissen und ihrem Befinden erkundigen, und ihr im Leid beistehen. Der Gesandte Allahs (sas) sagte: "Wenn einer seinen Bruder liebt, so soll er es ihm sagen." Wir sollen uns gegenseitig loben, ohne dabei zu übertreiben oder zu lügen, das ist ja klar. Wir sollen uns für das Gute, das uns durch unsere Schwestern widerfährt bedanken. Es ist außerdem unsere Pflicht, die Schwester in Schutz zu nehmen, wenn üble Nachrede über sie geführt wird oder wenn sie offen oder versteckt angegriffen wird. Der Beleidiger muß in aller Deutlichkeit zurechtgewiesen werden. So heißt es auch: "Sprich über deinen abwesenden Bruder nicht anders, als du möchtest, daß er über dich in deiner Abwesenheit spricht." Dafür haben wir zwei Prüfsteine: Stelle dir vor, das, was da über deinen Bruder gesagt wird, würde von dir selber gesagt und dein Bruder hörte es mit an. Was du dann wünschtest, daß dein Bruder sagen möchte, das mußt du selbst dem Ehrabschneider deines Bruders entgegnen. Oder aber stelle dir vor, dein Bruder stünde hinter der Wand und hörte alles, was du über ihn sagst, und glaubte, du wüßtest es nicht. Was dich dein Herz vor seinen Augen und Ohren zu seiner Verteidigung zu sagen treibt, das mußt du auch sagen, wenn er abwesend ist.

Weiterhin gehört es zur Pflicht des Redens, die Schwester zu ermahnen und zu belehren. Wenn man reich an Wissen ist, so muß man von diesem Überfluß ebenso abgeben wie von seinem Geld und seiner Habe. Du sollst sie auf ihre Fehler aufmerksam machen, allerdings dies nur unter vier Augen, so daß niemand davon erfährt. Vielleicht sagt sich jetzt einer: wenn ich dem anderen seine Fehler vorhalte, so verletze ich ihn doch. Wie kann das Pflicht der Brüderlichkeit sein? Hierzu sei gesagt: verletzen wird man den Bruder nur dann, wenn man von Fehlern sprichst, die er schon selber weiß; (wenn man weiß, daß sie einen Fehler selbst kennt, daß aber ihre Natur sie immer wieder dazu zwingt, so sollst du diesen Fehler nicht aufdecken, wenn sie ihn selbst geheim hält). Wenn du aber auf etwas aufmerksam machst, was sie nicht weiß, so ist das sorgende Zärtlichkeit und gewinnt die Herzen, d. h. die Herzen vernünftiger Menschen. Denn wenn Dich jemand auf eine tadelnswerte Handlung aufmerksam macht, die du begangen hast, oder auf eine tadelnswerte Eigenschaft, die dir anhaftet, damit du dich davon befreien kannst, der gleicht demjenigen, der dich auf eine Schlange oder einen Skorpion aufmerksam macht, der unter deinem Kleid sitzt und der dich sozusagen vor der Gefahr eines Bisses rettet.

Fehlt jedoch eine Schwester gegen uns, so ist es unsere Pflicht, das zu ertragen und zu verzeihen und zu übersehen, denn dagegen anzugehen, das gehört nicht zur Pflicht der Ermahnung. Wenn aber ihr Betragen derart ist, daß ihr Beharren darin zum Bruche zu führen droht, so ist immer vertrauliche Vorhaltung besser als Abbruch der Freundschaft, Andeuten besser als offen Sagen, Schreiben besser als Reden und Ertragen besser als alles andere. Denn die Absicht, die du bei der Freundschaft zu der Schwester hast, muß doch die sein, daß du dich selbst erziehst, indem du auf sie Rücksicht nimmst und die Pflichten gegen sie erfüllst und ihre Schwächen erträgst, nicht aber die, Hilfe und Liebesdienst von ihr in Anspruch zu nehmen. Abu Ali er-Ribati erzählt: "Ich begleitete Abdallah er Mervezi auf einer seiner Fahrten in die Wüste. Er sagte: "Entweder mußt du der sein, der zu befehlen, und ich der, der zu gehorchen hat, oder ich will befehlen und du mußt gehorchen." Ich sagte: "Du sollst der sein, der zu befehlen hat." Sprach er: "So hast du zu gehorchen." Ich sagte: Gut. Da nahm er einen Reisesack, legte unsere Vorräte hinein und lud ihn sich auf den Rücken. Ich sagte: "Gib ihn doch mir!" Er sagte: "Hast du nicht gesagt, ich solle befehlen? Also hast du zu gehorchen." Des Nachts wurden wir vom Regen überrascht. Da stand er bis zum Morgen und hielt mir mit seinem Gewand den Regen ab, und sobald ich etwas sagen wollte, sprach er: "Ich habe zu befehlen und du hast zu gehorchen." Da dachte ich bei mir: Wäre ich doch gestorben und hätte nicht gesagt: Du sollst befehlen."

5. Pflicht, die Fehltritte zu verzeihen

Der Fehltritt eines Freundes kann entweder in einer Sünde gegen Gott oder in einem Vergehen gegen dich durch Verletzung der Brüderlichkeit bestehen. Sündigt er gegen Gott und beharrt auf seiner Sünde, so sollst du ihn freundlich ermahnen und versuchen, das Krumme gerade zu richten. Ob man aber, wenn das nicht gelingt, die Pflicht der Liebe weiter erfüllen oder abbrechen soll, darin sind die Gefährten des Propheten und ihre Nachfolger verschiedener Meinung gewesen. Al Ghasali vertritt in seinem Buch die folgende Meinung: Die Treue verlangt, daß man den Freund nicht verläßt, wenn er in Not und Armut gerät; die Not am Heil der Seele ist schlimmer als die Not an Geld und Gut. Nun aber hat ihn ja ein Unheil getroffen, daß er Not am Heile der Seele leidet; darum mußt du ein Auge auf ihn haben und dich um ihn kümmern und ihn nicht verlassen, sondern ihm in unermüdlicher Güte zur Befreiung von dem Unheil helfen, das ihn getroffen hat. Denn die Freundschaft soll ja ein Rückhalt für die Unglücksfälle und Schicksalsschläge der Zeit sein, und dies ist doch das schlimmste Unglück, das einen Menschen treffen kann. Wenn ein Übeltäter einen frommen Mann zum Freunde hat und dessen unbeirrbare Gottesfurcht sieht, so wird auch er bald umkehren – insha allah – und sich seines eigensinnigen Tuns schämen.

Wenn aber ein Bruder seine Pflichten gegen dich verletzt und dich kränkt, so ist kein Zweifel, daß es sich dann geziemt, zu vergeben und zu ertragen. Ja was sich irgend zum Guten kehren und wofür sich irgendeine Entschuldigung finden läßt, sei sie auch noch so weit hergeholt, das zu entschuldigen und zum Guten zu kehren, ist Pflicht der Brüderlichkeit. Es wurde gesagt: "Du sollst für den Fehltritt deines Bruders siebzig Entschuldigungen erfinden." Wenn aber dein Herz die Entschuldigung nicht annehmen will, so kehre den Tadel gegen dich selbst und sprich zu deinem Herzen: Wie bist du doch so hart; dein Bruder entschuldigt sich mit siebzig Entschuldigungen und du willst es nicht annehmen! Wahrlich du bist des Tadels wert, nicht er." Wenn sich dein Freund bei dir entschuldigt, so nimm seine Entschuldigung an, gleichviel ob sie wahr oder erfunden ist.

Der Gesandte Gottes sprach: "Wer von seinem Bruder um Entschuldigung gebeten wird und die Entschuldigung ablehnt, den trifft dieselbe Schuld, die der Bruder auf sich geladen hat." Weiter sagte er: "Der Gläubige ist schnell zum Zorn und schnell zur Versöhnung." Er sagte nicht, daß er gar nicht zornig würde, und im Worte Allahs heißt es: "Die den Zorn unterdrücken"... Denn der Mensch kann es nicht dahin bringen, den Schmerz einer Verwundung nicht zu spüren, wohl aber ihn im Zaume zu halten und zu unterdrücken und anders handeln, als der Zorn es will.

6. Die Pflicht der Fürbitte

Du sollst Fürbitte für deinen Freund zu seinen Lebzeiten und nach seinem Tode tun um alles, was du dir selber wünschst und für seine Familie und seine Angehörigen. Und Du sollst so für ihn bitten, wie du für dich selber bittest und keinen Unterschied machen zwischen dir und ihm, denn deine Fürbitte für ihn ist in Wahrheit eine Fürbitte für dich selbst. Der Gesandte Allahs spricht: "Wenn ein Mann im Verborgenen für seinen Bruder Fürbitte tut, so spricht der Engel: "Und dir das Gleiche!"" Es heißt in der Überlieferung: "Bei der Fürbitte für den Bruder wird dem Manne das erhört, was ihm bei der Bitte für sich selbst nicht erhört wird." Es wird berichtet, daß der Gesandte Allahs (sas) gesagt habe: "Der Tote im Grabe gleicht dem Ertrinkenden, er klammert sich an alles an, um sich zu retten. Er wartet auf die Fürbitte von Sohn oder Vater oder Bruder oder Verwandten, und von der Fürbitte der Lebenden dringen Lichter wie Berge groß in die Gräber der Toten ein."

7. Die Pflicht der Treue und Aufrichtigkeit

Treu sein heißt beharren in der Liebe zum Bruder bis zu seinem Tode und in der Liebe zu seinen Kindern und Freunden nach seinem Tode. Denn die Liebe wird um der Ewigkeit willen gesucht; und wenn die Liebe vor dem Tod aufhört, dann ist das Tun unnütz und die Mühe verloren. So sagte der Prophet (sas): "Zu den Sieben, die Gott in seinem Schatten wird ruhen lassen, gehört das Paar der Freunde, die sich in Gott liebten und in gleicher Liebe zusammenkamen und voneinander schieden." Zur Brudertreue gehört auch, daß Du auch alle Freunde und Verwandte und was deinem Bruder gehört, ehrst, denn es gibt keinen klareren Beweis für die Größe der Liebe, als daß sie von dem Geliebten überströmt auf alles, was mit ihm zusammenhängt. Wenn aber die Treue in der Liebe aufhört, so freut sich der Satan. Er strebt mit aller Kraft danach, sie zu entzweien. So heißt es, daß wenn sich zwei in Gott verbrüdern und sich dann entzweien, so geschieht das stets nur infolge einer Sünde, die der eine begeht. Die dauernde Liebe ist allein die Liebe in Gott, denn die Liebe, die um eines Zweckes willen liebt, hört auf mit dem Fortfall des Zweckes. Die Liebe in Gott kennt keinen Neid und keine Mißgunst und zur Treue Deinem Bruder gegenüber gehört weiter, daß Du dich in Deinem Verhalten ihm gegenüber nicht veränderst, auch wenn du zu Rang und Würden erhoben und zu Macht und Ansehen gelangt bist. Zur Pflicht der Treue gehört natürlich nicht, daß du deinem Bruder in einem Unrecht gegen Gott beistehst. Hier besteht die Treue darin, daß Du dich ihm widersetzt. Wir dürfen nicht vergessen, daß zur vollkommenen Treue in der Liebe zum Bruder immer die Rücksicht auf die Rechte Gottes gehört.

Zur Treue gehört weiterhin, daß Du nicht auf das hörst, was die Leute über einen Freund und Bruder sagen und daß du nicht mit dem Feind deines Bruders Freundschaft hälst.

8. Die Pflicht, die Freundschaft leicht zu machen und alle Förmlichkeit und allen Zwang zu vermeiden

Diese Pflicht besteht darin, daß du dem Freund nichts zumutest, was für ihn lästig ist, sondern ihn in Ruhe läßt mit deinen Angelegenheiten und Sorgen, nichts von deinen Lasten auf ihn ablädst, weder Ehre noch Reichtum von ihm zu erlangen suchst, noch verlangst, daß er sich vor dir demütigt, sich um dein Ergehen kümmert und seine Pflichten gegen dich erfüllt; sondern du sollst bei deinem Lieben kein anderes Ziel im Auge haben als Gott, indem du den Segen der Fürbitte des Bruders hinnimmst, dich an dem Zusammensein mit ihm erfreust, dir von ihm auf dem Weg zu Gott helfen läßt und durch Erfüllung deiner Pflichten an ihm und die Fürsorge für ihn Gottes Nähe suchst.

Zum rechten Leichtmachen der Freundschaft gehört nun auch, daß du den Teppich des Zwanges zusammenrollst, so daß der Freund sich vor dir so wenig zu schämen braucht wie vor sich selber. Dazu einige Zitate: Ali sagte: "Der schlechteste Freund ist der, der dich mit Förmlichkeiten aufnimmt und dich zu Höflichkeiten nötigt und zur Entschuldigung zwingt. Dschafar es-Sadik sagte: "Der Bruder ist mir beschwerlich, der für mich Förmlichkeiten macht und bei dem ich mich in acht nehmen muß; der aber ist angenehm, bei dem ich so sein kann, wie wenn ich allein für mich bin."

Zum Leichtmachen der Freundschaft und Unterlassen des Zwanges gehört ferner, sie bei deinen Plänen zu Rate zu ziehen und auf ihren Rat zu hören und keinerlei Geheimnisse von ihnen zu haben.

Das sind all Rechte und Pflichten der Freundschaft. Wir haben sie bald kürzer, bald eingehender dargestellt. Die Grundbedingung bei allem aber ist die, daß du immer nur Pflichten für dich gegen die Brüder, aber nie Pflichten der Brüder gegen dich kennst, und daß du dich als ihren Diener betrachtest.

Nun können wir uns jeder für sich selbst überprüfen, inwieweit wir diesen Pflichten gerecht werden und wo wir ansetzen können, die Freundschaft füreinander zu verbessern und immer weiter auszubauen.


Re: BRÜDERLICHKEIT IM ISLAM #46314
27/02/2002 12:00
27/02/2002 12:00
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Gera
Claudia Poser-Ben Kahla Offline
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Claudia Poser-Ben Kahla  Offline
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Mitglied***

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Gera
Ich danke dir für deine Mühe, ich werde mir die Beiträge in Ruhe durchlesen.

Vielleicht teile ich sie auch denn es sind drei verschiedene Bereiche in einem Thema hast du etwas dagegen?

Claudia