Ein Artikel aus dem Deutschen Ärzteblatt, in dem es u.a. auch um Tunesien geht:
Hymenorrhaphie in TunesienÜber die Häufigkeit der Hymenorrhaphie gibt es noch keine sicheren Daten. Doch in Tunesien ist sie bereits ein aktuelles Gesprächsthema, vor allem unter jungen Frauen und Männern. Etliche Frauen haben die Operation selbst erwogen. Fast alle befragten Personen kennen eine Frau, die sich hat operieren lassen.
Tunesien gilt als das liberalste der Maghrebländer. Gegenwärtig ist unabhängig vom politischen Klima jedoch ein Rückzug vieler Frauen zu traditionellen und strengeren religiös fundierten Rollen und Strukturen zu verzeichnen
( 9 ) . Dies drückt sich auch im rechtlichen und gesellschaftlichen Umgang mit der Jungfräulichkeit vor der Ehe aus: Eine Frau, die bei der Eheschließung kein intaktes Hymen aufweist, ist in Tunesien juristisch nicht zu belangen, allerdings wird der ärztliche oder durch Hebammen erstellte Nachweis der Jungfräulichkeit häufig gesellschaftlich gefordert. Für die Durchführung der Hymenorrhaphie wiederum kann ein Arzt nicht verklagt werden. Jedoch führen die meisten öffentlichen Krankenhäuser die Operation nicht durch. Daher vermuten die Autorinnen, dass die Rekonstruktion des Hymens ein tabuisierter Eingriff ist, der nicht selten abseits öffentlicher Kliniken vorgenommen wird.
Erste Gespräche mit Psychologen und Ärzten ergaben im Wesentlichen drei Gruppen von tunesischen Frauen, die sich operieren ließen:
- Gebildete Frauen, die aufgrund der Ausbildung und Berufstätigkeit bereits älter sind, erhöhen ihre Chancen auf eine baldige Hochzeit und somit auf Nachwuchs, wenn sie angeben können, noch nie Geschlechtsverkehr gehabt zu haben.
- Frauen in einem traditionellen Umfeld, die heiraten wollen. Diese handeln aus dem sozialen Druck heraus und möchten die drohende „Schande“ für die eigene Familie verhindern, wenn sie aufgrund des fehlenden „Bluts auf dem Laken“ nicht sicher als Jungfrau zu identifizieren sind.
- Außerdem gibt es Frauen, die ihrem Partner das Bild von „wahrer Liebe“ vermitteln wollen und zeigen möchten, dass sie in Zeiten der Liberalisierung und Modernisierung ganz zu ihrem Mann stehen und sichergehen wollen, in der Hochzeitsnacht zu bluten.
Die tunesischen Ärzte werden ihrerseits bei der Entscheidung zu operieren von verschiedenen Faktoren beeinflusst. So verdient man mit einer Hymenorrhaphie circa 400 Tunesische Dinar, was dem monatlichen Gehalt einer Grundschullehrerin entspricht. Es liegt daher ein nicht zu unterschätzender finanzieller Anreiz für die Ärzte vor. Daneben stehen die Mediziner in einem kulturellen Spannungsfeld: Aus religiöser Sicht wird zwar keine einheitliche Position vertreten, allerdings gibt es laute Stimmen gegen den Eingriff. Die Inhalte des Medizinstudiums sind dagegen stark durch westliche Lehren geprägt – einem Gesundheitsverständnis, das sich an der Definition der Weltgesundheitsorganisation orientiert, in der neben dem physischen auch das psychische und soziale Wohlbefinden beachtet wird..............
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