Fortschrittlich bei Frauenrechten
Tunesier feiern "50 Jahre Unabhängigkeit" ihres Heimatlandes

Vom 17.11.2006
Am Mittwoch hat der Verein tunesischer Familien in Rüsselsheim im Landrat-Harth-Heim die 50-jährige Unabhängigkeit und gleichzeitig 50 Jahre Frauenrechte in der tunesischen Heimat gefeiert.
Von
Mario Andreya
Neben Stadtverordnetenvorsteherin Renate Meixner-Römer (SPD)hatte der Verein den tunesischen Generalkonsul Naoufel Labidi eingeladen. Labidi kam der Einladung nach, um die Feierlichkeiten bei Kaffee, Kuchen und einer Diskussion um die Frauenrechte, in der Heimat mit seinem Fachwissen zu unterstützen.
So war bei einem Einführungsvortrag über die Geschichte der Frauenrechte zu erfahren, dass selbst die Frau des Propheten Mohamed eine Tätigkeit als selbstständige Kauffrau ausübte. Nachdem die Rechte der Frauen bis zum Jahr 1946 faktisch nicht vorhanden waren, wurde von diesem Jahr an alles anders. So legte man das "Gesetzbuch für Persönlichkeit" auf.
Mit der Unabhängigkeit des Landes im Jahre 1956 wurden die Gesetze modernisiert. So wurden mit dem neuen Personenstandsgesetz die Abschaffung der Polygamie, zivilrechtliche Scheidungen sowie ein Mindestalter für die Heirat festgesetzt. Frauendiskriminierende Gesetze wurden gestrichen oder korrigiert.
Aufgrund dieser Entwicklungen wurde aus dem islamisch-arabischen Land innerhalb kürzester Zeit ein Musterbeispiel für die Integration von Frauen in die Gesellschaft. So sind mittlerweile mehr als die Hälfte aller Studenten in Tunesien Frauen, was den Bildungsstand im Land steigen lässt. Von der Bildungselite kommen jährlich 30 Personen in die Bundesrepublik, um an weiterführenden Studiengängen teilzunehmen, wie es vom Generalkonsul zu erfahren war.
Nicht nur um Bildung ging es hingegen Iris Bergmiller von der Volkshochschule. Sie sieht ihre Einrichtung vielmehr als Treffpunkt der Kulturen. Ihr Credo: "Dialog statt Barrieren". Rückblickend bemerkte sie, dass in der VHS schon viele multikulturelle Freundschaften geschlossen wurden.
Bei 114 verschiedenen Nationalitäten in Rüsselsheim sei dies ein gelungenes Beispiel für ein friedliches Miteinander. Auch Labidi lobte das Integrationsmodell Deutschlands und bezeichnete es als vorbildlich.
Wer der Meinung ist, die aktuelle Politik-Debatte um das deutsche Anti-Diskriminierungsgesetz ergebe weit reichende Änderungen, sollte einmal nach Tunesien schauen. Frauen erhalten in diesem Lande denselben Lohn wie Männer für ihre Arbeit.
Überhaupt besäßen die Frauen in der tunesischen Gesellschaft einen hohen Stellenwert, wie auch die Vorsitzende des tunesischen Familienvereins, Janina Ben-Fadhel, bestätigt. Teilweise liege Deutschland in Sachen Gleichberechtigung noch hinter ihrem Heimatland zurück.




Tunesier reflektieren 50 Jahre Unabhängigkeit
Jubiläumsfeier: Familienverein beleuchtet Frauenrechte und Integration – Generalkonsul als Gastredner



Ein halbes Jahrhundert lang ist Tunesien ein unabhängiger Staat. Genauso lange sind auch die Frauen dort rechtlich unabhängig von ihren Männern, Brüdern oder Vätern. Dies feierte der tunesische Familienverein in Rüsselsheim am Mittwochabend unter dem Titel „50 Jahre Unabhängigkeit Tunesiens; 50 Jahre Frauenrechte in Tunesien – Integration tunesischer Frauen in Rüsselsheim“ unter anderem mit Vertretern der Stadt und verschiedener Vereine und Organisationen in locker-familiärer Atmosphäre .
Naoufel Labidi, Generalkonsul der tunesischen Republik und der Hauptredner der Veranstaltung im Landrat-Harth-Heim, gab eine kurze Übersicht über die Entwicklung der Frauenrechte in seinem Heimatland. Vieles, was der Koran den Frauen schon seit Jahrhunderten zusichre, spiegle sich nicht in der weltlichen Gesetzgebung wider, stellte er eingangs fest. Der Umschwung für die weibliche Bevölkerung Tunesiens sei mit der Unabhängigkeit 1956 gekommen. Eine Eheschließung erfordere nun die Zustimmung der Braut, die dem Mann rechtlich gleichgestellt sei. Auch die zivilrechtliche Scheidung wurde gestattet. Besonders betonte Naoufel Labidi, dass die Tunesierinnen wesentlich früher das Wahlrecht erhielten als so manche Europäerin. Tunesien sei ein emanzipiertes Land, dessen Parlament, ähnlich dem Deutschen Bundestag, zu 27 Prozent aus Frauen bestehe. Die neuen Gesetzgebungen änderten das soziale Leben maßgeblich, schilderte der Generalkonsul vor rund 30 Zuhörern. „Denn die Frau ist die Quelle. Sie ist die Mutter, die Schwester, die Tochter, die Geliebte.“ Und auf seine Frage, wer wirklich die Welt regiere, waren sich die anwesenden Frauen schnell einig, verständigten sich mit den männlichen Zuhörern dann aber auf ein diplomatisches „beide Geschlechter gleichberechtigt“.
Er sehe kein gravierendes Integrationsproblem in Deutschland, sagte Labidi. Vor allem Rüsselsheim sei ein gutes Integrationsmodell mit einer Erfolgsgeschichte. Die Vereine seien gut organisiert und strukturiert und böten erstklassige Anlaufstellen für Einwanderer. Auch der Kontakt zwischen Vereinen und Konsulaten sei gut. Damit spielte Labidi auf sein freundschaftliches Verhältnis zu Janina Ben-Fadhel an, Vorsitzende des Tunesischen Familienvereins und des Stadtverbands der ausländischen Vereine in Rüsselsheim und seit über dreißig Jahren in Deutschland. „Manchmal schwärmt sie so sehr von Deutschland, dass ich sie daran erinnern muss, dass sie eigentlich Tunesierin ist“, lachte Labidi.
Iris Bergmiller, Betriebsleiterin der Volkshochschule, beschrieb in ihrem Referat die VHS als wichtige Stütze der Integration. Gerade in Rüsselsheim, wo Bürger aus 114 Nationalitäten lebten, seien Deutschkurse unentbehrlich und würden daher für alle Altersgruppen angeboten. Diese Kurse seien oft der Einstieg in das weitere Programm. Als besonders erfolgreich hob Bergmiller ein Austauschprogramm zwischen Frauengruppen aus Tunesien und Deutschland hervor.


EL TUNSIA