Tunesien Informationsforum ARCHIV Tunesien Informationsforum ARCHIV
Jawhara FM Mosaique FM
Dieses Forum ist nur als Archiv nutzbar.
Popular Topics(Zugriffe)
1,652,811 Magic Life Club
1,231,651 Islamische Fragen
TunesienCom Galerie
Der Flughafen Enfidha/Hammamet - Bilder von Walter
Hammamet Fotos von Walter
Djerba Fotos von Walter
Impressum
Impressum
Datenschutzerklärung

Kontakt E-Mail
Previous Thread
Next Thread
Print Thread
Bewerte Thread
Buch-Empfehlung #99008
27/04/2005 00:14
27/04/2005 00:14
Joined: Apr 2005
Beiträge: 15
Düsseldorf
Ostfriesische Tunesier Offline OP
Junior Member
Ostfriesische Tunesier  Offline OP
Junior Member

Joined: Apr 2005
Beiträge: 15
Düsseldorf
Hallo Freunde,
ich habe euch ein kleiner Vorgeschmack von meinem Buch DER OSTFRIESISCHE TUNESIER ausgesucht. Viel Spaß beim lesen. Wer Fragen hat kann sich ruhig melden: mekki.zammit@tiscali.de

TEIL II ... DIE PASSAGE NACH MARSEILLES

Nun war meine Mutter dran. Denn die Gute hatte immer und für alles eine Lösung. Sie würde bestimmt keine Wunder vollbringen, aber zumindest ihren Trost brauchte ich.
Damals war es so, dass die Mutter die erste Bezugsperson des Sohnes war. Also, die Jungs gingen mit ihren Gefühlsproblemen zur Mutter und nicht zum Vater.
Zu meiner Verwunderung wusste sie von meinem Weltuntergang mehr als mir lieb war. Meine gute jüngere Schwester Fathia, die meine Liebesbriefe überbracht hatte, berichtete ihr jede Menge Zeug über mein „zerstörtes“ Leben.

Mittlerweile war ich achtzehn. Samir und Fayda, so jung sie auch waren, er dürfte zwei Jahre älter als ich gewesen sein, hatten eine offizielle Verlobung gefeiert, und der Hochzeitstermin stand schon fest. Ich fühlte mich so mies. Meine große und weite Pfadfinder- und Künstlerwelt war zusammengebrochen und wurde mir von Tag zu Tag enger.
Bis ich dann einen Entschluss fasste und meiner Mutter berichtete, dass ich es in diesem Land nicht mehr aushalten konnte.
Ich konnte mir kein Leben ohne Fayda vorstellen. . .

. . .Meine Mutter erkannte die Gefahr in der ich mich befand. Ich war kurz davor mir irgendetwas anzutun.
Die Ärmste musste ihre gute Singer- Nähmaschine verkaufen, um mir eine Schiffspassage nach Marseille zu finanzieren.
Diese Nähmaschine hatte zu unserem bescheidenen Familienglück sehr viel beigetragen. Nun hatte sie meine Mutter wegen mir zwar verkaufen müssen, das empfand ich damals aber nicht als so tragisch wie mein Verlust von Fayda.
Ungefähr um die einhundertundfünfzig tunesische Dinare kostete die Reise. Dazu der Zwangsumtausch von fünfzig Dinare in französische Francs und all die warmen Klamotten. Ein Paar schicke Schuhe mussten auch dabei sein, die ich für Frankreich brauchte. Das war sehr viel Geld und hätte meine Familie eine Zeit lang ernähren können.
Ich musste meiner Mutter versprechen, mein Abitur in Frankreich nachzuholen und irgendwann, als guter Anwalt zurückzukommen.

Der Abschied war alles andere als lustig. . . Bei jeder Kleinigkeit, die meine Mutter und meine Schwestern für meine große Reise vorbereiteten, flossen bei ihnen die Tränen in Strömen, denn bald sollte der geliebter Bruder sehr weit weg sein. Weiß Gott, ob er jemals wiederkommen sollte.
Da ich das schon einmal, beim Abschied meines älteren Bruder Abdelkader erlebt hatte, als er Ende der sechziger Jahre, von den Emder Thyssen Nordsee- werken nach Deutschland mitgenommen wurde, grauste es mir davor und ich hoffte, dass die letzten Momente des Abschieds nicht allzu lange dauern würden.
Ich sah ungern meine Mutter weinen. Sie war so hübsch und gütig. Nichts war mir lieber als sie immer glücklich zu sehen.
Bei mir waren die Gefühle sehr gemischt. Einerseits würde ich meinem Liebeskummer entfliehen, anderseits dachte ich daran, ob ich überhaupt noch ohne Fayda leben könnte, aber die Neugier, die weite Welt zu entdecken, lenkte mich ab.
Schmerzhaft war es aber, meine Mutter wegen des Abschieds von einen weiteren ihrer Söhne, nochmals leiden zu sehen.
Großmutter Fattouma sagte mir, dass ich über Wüsten, vielen Flüssen, hohe Berge und großen Seen, unterwegs sein würde, ehe ich bei den „Gauris“ (Europäer) ankäme. Früher nannte man einen Europäer allgemein Roumi, was Römer bedeutet, oder eben Gauri. Sie riet mir noch, ich sollte mich vor ihnen in Acht nehmen und mich nach dem Umgang mit ihnen waschen, denn diese Leute wuschen sich nach dem Toilettengang nicht und sie rochen nur deshalb so gut, weil sie sich mit Lux- Seife wuschen. Es war in der Tat bekannt, dass in den Toiletten der Franzosen nie Wasser zum waschen da war!
Großmutters Misstrauen gegenüber allen Eindringlingen, besonders den Soldaten, ob es nun Franzosen oder Deutsche waren, war wohl begründet. Sie musste meine Mutter, als diese noch klein war, immer vor den Soldaten verstecken, denn sie bevorzugten kleine süße Mädchen für ihre Missbräuche.
Den dicken Holzklotz in meinem Hals bekam ich dann, als ich meinen Vater anblickte. Er hielt sich stets im Hintergrund, denn er litt am meisten. Schlimmer noch, er durfte oder wollte es nicht zeigen. Vielleicht schämte er sich auch so, dass meine Mutter für mich ihre Nähmaschine verkaufen musste.
Mine kleinen Geschwister listeten mir ihre Wünsche auf, denn alle, ob groß oder klein, wussten nur, dass in Europa Milch und Honig fließen sollten.

Am Tag vor meiner Abreise war das Haus voll. Ich hatte seit ein paar Tagen nicht mehr geschlafen und war trotzdem nicht müde. Reise- und Impfpässe sowie Devisen hatte mir meine Mutter mit einem Koranzettel zusammen gebündelt. Das wichtigste für sie war, dass ich genügend warme Unterwäsche mitnahm.
Mein Koffer mit der Kleidung war schon seit ein paar Tagen fertig. Nur die Reisetasche für Proviant und anderes Zeug für unterwegs, wurde noch an dem letzten Abend gepackt.
Da die Fähre nach Marseille um sechs Uhr abends auslief, musste ich den Zug um fünf Uhr nehmen. Natürlich würde ich nach Tunis allein reisen müssen, denn für eine Begleitung bis zum Fährhafen, reichte das Geld nicht.
Um kurz vor vier Uhr morgens begann dann der schlimmste Teil des Ganzen. Es hatte meiner Mutter und meinen Schwestern nicht gereicht, dass sie die ganze Nacht durch geweint hatten, sie wurden lauter und ließen mich solange nicht los, bis ich dann auch meine Tränen nicht mehr zurückhalten konnte. Ich war fast froh, dass mein Vater noch nicht vom Beten zurückgekommen war. Selbst all die anderen Frauen schlossen sich unserem Weinkonzert an.
Nachdem ich mich von meinen Leute losgerissen hatte, zogen wir mit etwa zehn Personen zu Fuß in Richtung Bahnhof von Sfax. Ich brauchte Nichts tragen und bekam noch die letzten Adressen ausgehändigt. Telefonnummern hatten wir damals nicht, und jeder, der einen, wenn auch weit entfernten Verwandten, in Frankreich hatte, gab mir alle Ratschläge, die er mir geben konnte.
Wie ich es geahnt hatte, wartete mein Vater schon am Bahnhof auf uns. Er fragte mich zuerst, wie es Mama bei dem Abschied erging. Seine Sorgen um sie waren sehr wohl begründet, denn es gibt nichts schlimmeres für meine Mutter als eins ihrer neun Kinder zu verabschieden. Und da mein alter Herr meine Mutter abgöttisch liebte, und das machte uns neun Kinder am glücklichsten, konnte er die Abschiedsszenen nicht ertragen.
Ich sagte ihm, das was sie mir sagen wollte, war schwer zu verstehen, und dass sie mich gesegnet hatte.
Mein armer geliebter Vater zog mich an sich, umklammerte mich mit seine starken Armen und sagte mir mit ganz heiserer Stimme:
"Pass auf dich auf, mein Sohn. Halte dich von schlechten Menschen fern, tu nur Gutes für dich und die anderen und denke daran, dass du immer die Bräuche der Menschen, in deren Land du Gast bist, respektieren musst. Gott sei mit dir und er möge dich erleuchten und dich uns bei bester Gesundheit wiederbringen".
Ich sah meinen Vater zum ersten Mal weinen. Das war für mich das allerschlimmste, denn ich gab mir dafür die Schuld.
Als ich im Zug war, suchte ich mir einen Fenster das sich öffnen ließ und verabschiedete mich noch einmal von allen. Mein Vater hatte sich hinter den anderen versteckt. Ich wusste, dass er seine sehr starken Emotionen verbergen wollte.
Es war eine große Befreiung, als der Zug losfuhr. Ich hatte genügend Zeit zum nachdenken, bis ich in Tunis angekommen war. Meine Sorgen um meine Eltern die sich um mich sorgten, hatten in meinem jungen Herzen einen Platz neben meiner Trauer um Fayda eingenommen.
In Tunis ging es dann weiter mit der TGM, das ist eine Straßenbahn aus der französischen Koloniezeit, die zwischen Tunis, la Goulette und la Marsa pendelte.

Ich nahm in der Touristenklasse des Schiffs einen Fensterplatz ein. Eine nette alte Dame hatte ihren Sessel neben mir. Da sie auch meine Sachen im Auge behielt, konnte ich sorglos auf Entdeckungstour gehen.
Auf dieser Fähre begann schon für mich die Neue Welt.
Das Schiff hieß „Le Rousillon“ und hatte eine französische Flagge. Als die Gläser anfingen zu zittern, war es schon so weit. Das Schiff lief aus.
Am Oberdeck sah ich, wie die Küste Tunesiens langsam verschwand, und alles, was aus meiner Sicht verschwand verkörperte, sich in Fayda. Ich mochte auch nicht an die Zeit nach ihr denken.
. . . Zum Glück waren da auch andere, die die Seereise so gut wie ich vertrugen. Ich habe dann schnell ein paar „Belotte“ Spieler gefunden. Das Spiel ist ähnlich wie der deutsche Skat. Es wird immer mit vier Mann gespielt, ähnlich wie beim Doppelkopf.
Je näher wir dem europäischen Kontinent kamen, desto unruhiger wurde die See.

Ich stand in Marseille mit einer Adresse, die mir meine Mutter mitgegeben hatte. Sie hatte sie von irgendeiner Nachbarin oder Tante bekommen.
Schnell musste ich feststellen, dass ich noch sehr viele Kilometer mit dem Zug bis Lille im Norden Frankreichs fahren musste, und schon war fast mein ganzes Reisebudget aufgebraucht.

Es war Winter und der Tunesier, zu dem ich gehen sollte, war unter der Adresse nicht zu finden!
Von nun an begann für mich, und das mit erst achtzehn Jahren, der Ernst des Lebens.
Ich war in einem fremden Land, in einer riesengroßen Stadt und hatte kaum Geld. Es reichte ja aber bis Belgien, denn dort hatte ich Freunde aus meiner Pfadfinder- Zeit, die bei uns in Tunesien zu Gast waren. Ich dachte mir, wenn ich den einen nicht finde, dann werde ich eben den anderen finden.
Ich stieg in mehreren Bahnhöfe um, bis ich in Braquegnie, einem Dorf nahe La Louviere, ankam. Ich ging dann direkt nach Jules Huard. Er war der Priester der belgischen Pfadfinder- Gruppe. Weil er am nettesten und gütigsten war und ich die Korrespondenz mit ihm aufrechterhalten hatte, ging ich zu ihm.
Er erklärte mir, dass er sein Zölibat abgelegt hatte und bald heiraten würde. Ich verstand damals natürlich nur das mit der Heirat, aber ich hatte endlich ein richtiges warmes Bett und reichlich Essen.
Jules war so gut, dass er mich Schweinefleisch verschonte. Freitags gab es Fisch.
Als Jules und ich allein waren heulte ich mich bei ihm über mein gebrochenes Herz. Jules und die anderen Pfadfinder kannten nämlich Fayda, die ich ihnen damals in Tunesien mir viel Freude und stolz vorstellte. Das war als meine Mutter und meine Schwestern die ganze belgische Pfadfinder-Gruppe zu Kaffee und tunesischem Essen eingeladen hatten. Er tröstete mich und sagte mir, dass ich noch ein sehr großes Herz hätte, in dem noch viel mehr Platz für Glück, Freude und Liebe war. Ich mochte diesen Mann, vor allem, weil er es immer schaffte die Leute zu trösten und die Moral zu heben.
Mir war es von Anfang an klar, dass ich bei ihm nicht bleiben konnte. Er hätte mich niemals loswerden wollen, aber ich wollte sein junges Glück nicht stören und habe aber auch gemerkt, dass andere meine Anwesenheit störte.
Kurz vor seiner Hochzeit, nach fünf Tagen, reiste ich dann ab. Natürlich nach Lille, denn das war die einzige Stadt, die ich in Europa kannte, und wenn auch nur das Bahnhofsviertel davon, aber vorher wollte ich mein Glück noch bei einem anderen Freund in Luxemburg versuchen.
Die Fahrkarte nach Lille über Luxemburg hatte Jules bezahlt.

Robert, ein Luxemburger, war auch ein Pfadfinder- Freund, mit Nachnamen hieß er Kleint oder Klein. Seine Adresse habe ich noch heute im Kopf: 119 Route d´Esch – Hollerich – Luxemburg. Ich hatte auch die Telefonnummer seiner Eltern.
Während ich im Zug saß, überlegte ich, was ich sagen sollte, wenn ich mich telefonisch anmeldete. Eines war sicher, keiner dürfte merken, dass ich in der Klemme war. Also sagte ich, ich sei auf der durchreise nach Lille, und hoffte natürlich, dass sie mir von sich aus sagen würden, dass ich solange bei ihnen bleiben konnte, bis ich irgendwelche Perspektiven gefunden hatte.
Bei Roberts Eltern war es so schön luxuriös und groß. Sein Bruder Guy, den ich auch kannte, war beim Militärdienst. Er hatte eine bildhübsche Schwester, die mich vom Bahnhof abholte. Ihr Name fehlt mir jetzt nicht mehr ein, aber damals konnte ich sie eine Zeitlang nicht vergessen. Hübscher war nur meine Fayda.
Seine Eltern waren nett und gastfreundlich. Ich sah dieser Familie an, dass sie glücklich waren. Sie versüßten meine Europaträume.
Familie Klein war deutschsprachig, eine Sprache, die mir völlig fremd war, aber sie waren alle so gütig und tolerant und haben in meiner Anwesenheit nur französisch gesprochen, mit etwas Akzent, aber das kannte ich schon von Robert und den Anderen.
Also, ich genoß diese seltene Gastfreundschaft in vollen Zügen. Ich bekam ein weiches Bett in Roberts Zimmer. Wir beide konnten uns bis zum frühen Morgen unterhalten. Ich vergesse nicht dass er ein großer Fan von Nana Muskuri war, weil ich sie damals bei ihm zum ersten Mal hörte und ihr Bild auf die Hüllen der LPs sah. Später erkannte ich sie immer mit ihrer markanten Brille wieder. Sie war damals neben Demis Roussos und Wickie Leandros die bekannteste Griechische Sängerin. Und so erinnerte mich diese Dame immer wieder an mein Freund Robert und seine nette Familie.
Ich erzählte Robert noch, dass das Bild, das er mir in Tunesien gemalt hatte, noch bei meinen Eltern hing. Robert war nämlich wie sein Vater ein Kunstmaler.
Schon am zweiten Abend ging er mit mir zu einem feinen Lokal. Dort sah ich zum ersten Mal, wie Getränke aus Hähnen gezapft werden und nicht so wie in Tunesien aus der Flasche kamen. Das machte bei mir einen Eindruck des Reichtums und Überflusses.
Ich habe an dem Abend etliche Panaches‘ (gemichtes) getrunken. Später erfuhr ich, warum dieses Getränk ein etwas herben Geschmack hatte und ich mich dadurch happy fühlte. Ein Panache‘ ist nichts anders als ein Alsterwasser.
Alles war dann wie ein süßer Traum. Ich hatte zum ersten Mal ein berauschtes Gefühl. Ich war sehr glücklich und glaubte sogar, ich hätte mein Ziel erreicht und es gäbe nichts mehr, was ich noch erreichen wollte. Wäre da nicht Fayda, die noch in meinem Leben existierte. Ich wünschte, sie wäre an diesem wunderschönen Abend bei mir gewesen.
So sentimental wie mich dieses Getränk machte, habe ich Robert noch ein paar Verse aus meiner französischen Poesie zitiert.
Bis heute bin ich Fayda noch dankbar für meine Dichtkunst. Meine allerersten Gedichte hatte ich für sie geschrieben und das erste von ihnen fing so an:
Fayda je t àime mon enge
Et je n`aime que toi
Fayda l`amour est etrange
Et j`ai vu ca grace a´toi . . .
Fayda ich liebe dich mein Engel und ich liebe nur dich. . .

Am nächsten Morgen am Frühstückstisch der Familie Klein fühlte ich mich so, als ob ich auf einem anderen Stern wäre. Ich genoss das Glück dieser Familie mehr als den Kaffee aus der Schale. Ich weiß nun nicht, ob das die luxemburgische Art ist, Kaffee aus der Schale zu trinken. Ich kann mir aber bei diese wunderbaren Menschen durchaus vorstellen, dass sie es wegen mir getan taten.
Die ganze Familie machte dann mit mir eine Autotour durch ganz Luxemburg. Ohne den Papa, denn der musste arbeiten.
Wir haben Guy, Roberts Bruder am Schloss vom Großherzog, wo er als Soldat Wache hielt, besucht. Wir lachten herzhaft darüber, wie wenig Soldaten das kleine Land Luxemburg hatte. Zu der Zeit waren es sage und schreibe dreihundert Stück!

Ich bekam plötzlich die große Sorge, wie ich das alles wieder gutmachen könnte? Was kann ich ihnen denn geben? Ich fühlte mich bei ihrer Güte tief in ihrer Schuld.
Zum Glück hatte ich einen Birnous, einen arabischen Umhang, mitgebracht. Ich wusste, dass er für sie was Exotisches war. Also gab ich ihn Robert als Mitbringsel.
Alle waren so glücklich über mein Geschenk, und das machte mich noch glücklicher. Robert wiederholte mehrmals, dass er mit diesem Birnous das allerbeste Kostüm für das kommende Karnevalsfest haben würde.
Es war im Winter des Jahres 1974 - 75. Zu meinem Leidwesen herrschte in Europa noch eine Wirtschaftskrise. Robert hatte mir nebenbei erzählt, wie problematisch es zu der Zeit mit den Portugiesischen Gastarbeitern war, denn sie waren für das kleine Land einfach zu zahlreich.
Anfangs waren es Italiener, Spanier und Portugiesen, die zu den reichen Ländern Europas wie Frankreich, die Benelux-Staaten, Deutschland und so weiter als Gastarbeiter kamen. Diese Volksgruppen integrierten sich dann sehr gut, so dass sie nach nur einer oder zwei Generationen, zu den Einheimischen zählten. Später kamen dann die Anderen, wie Türken, Nordafrikaner, Slawen und so weiter dazu.
Wegen der schweren Zeiten damals, wollte ich dieser allzu guten Familie nicht vor eine große Peinlichkeit stellen. Ich entschied mich daher Weiterzuziehen, so Leid es mir auch tat.
Natürlich haben mich alle dann zum Bahnhof begleitet.
Als Roberts Mutter mich fragte, ob ich noch im Zimmer nachgesehen hatte, ob ich etwas vergessen hätte. Ich sagte ihr: “Madame, je vais oublier mon coeur dans votre maison!“ - Ich werde mein Herz in ihrem Haus vergessen!
Auf dem Weg zum Gleis waren meine Beine wie Blei. Meine Gedanken waren damit beschäftigt, ob ich jemals wieder so glückliche Tage erleben würde?
Kurz vor der Abfahrt gab mir einer von ihnen einen Umschlag. Er bat mich, diesen erst nach dem Anfahren zu öffnen.
Diesen Umschlag werde ich den Menschen, die ihn mir gaben, nie in meinem Leben vergessen. Ich habe geheult, als ich ihn aufmachte. Darin war nicht nur ein schöner Brief, sondern auch viel Geld, es waren 4.000 belgische beziehungsweise luxemburgische Francs darin. Meine Tränen waren Tränen der Freude und der Traurigkeit. Familie Klein hatte mit Sicherheit gemerkt, dass ich dieses Geld sehr nötig haben würde.
So etwas, meine Lieben Leser, kann man nicht mit all dem Geld der Welt wieder gutmachen, denn es hängt nicht davon ab, mit wie viel, sondern wann und wie. Sollten diese guten Menschen eines Tages mein Buch lesen, dann sage ich ihnen hiermit mein aufrichtigsten Dank und dass sie das Geld damals in die allergrößte Nächstenliebe investiert haben.

...Ein Plan muss her, sofern ich etwas zu planen hatte. Ich bin sehr, sehr weit von meinen Leuten und meiner Heimat entfernt, es ist saukalt und ich habe kein Dach über dem Kopf.
Ich hatte gar keine Ahnung, wie lange mich das Geld, das mir Familie Klein mitgegeben hatte, über Wasser halten würde.
Das erste Gebot war, mich nicht beklauen zu lassen, denn im Bahnhof wimmelte es nur von merkwürdigen Gestalten. Es war aber schön warm in den Warteräumen, das war für einen wie mich aus dem Süden lebenswichtig.
Um drei Uhr morgens wurden dann alle Menschen, die sich dort aufhielten um draußen nicht zu erfrieren, von der Bahnpolizei aus dem Bahnhof geworfen. Es waren fast alle Landstreicher, die sich mit Alkohol das Leben erträglicher machten.
Eigentlich war das nicht so schlimm, wie ich vorher gedacht hatte. Als aber dann der Proviant von meiner Mutter gesegneten Händen ausging, setzte ich mich zuerst auf Diät, dann machte ich mir meine Sandwichs hinter den Bahnhof selbst.
Ich kaufte mir für einen Franc eine Baguette, das ich mit einer kleinen Dose Thunfisch und etwas Harissa, scharfe tunesische Sauce auffüllte, dazu eine Flasche Milch und somit war das Problem der Nahrung gelöst.
So kann es nicht weiter gehen. Alles wurde mir viel zu eintönig und ich gab zu, dass ich die Schnauze voll hatte. Ich sehnte mich nach all dem, was ich früher gehabt hatte, besonders nach Fayda.
Ich wünschte mir aus meiner tiefsten jungen Seele, dass sie bald einsehen würde, dass ich der Richtige für sie war.
Ich hatte in Belgien noch andere Pfadfinder- Freunde, sogar in Brüssel und Lüttich.
Isabelle Termotte aus Brüssel, hatte mit mir vor kurzem an einem Chantier international, einer internationalen Baustelle, teilgenommen. Das waren Bauprojekte für verschiedene Kulturstätten und Wohlfahrtshäuser.
Es hatte Verpflegung und Unterkunft für die Teilnehmer gegeben, die meisten waren Pfadfinder aus aller Welt, und jeder hatte dafür freiwillig acht Stunden täglich am Bau des Projektes gearbeitet.
Isabelle war mit ihren zwei jüngeren Brüdern dabei. Also machte ich mich wieder auf den Weg nach Belgien, zum Glück war die Entfernung nicht allzu groß.
Am Telefon meldete sich eine mir unbekannte Person. Später erfuhr ich, dass es die Gouvernante war, denn Isabelles Vater war ein reicher Industrieller und hatte keine Frau.
Die Gouvernante holte mich in Begleitung von Yves, Isabelles kleinem Bruder, vom Bahnhof Bruxelle – Midi ab.
Als es dunkel wurde, kam dann Isabelle endlich und stellte mich ihrem Vater, der die ganze Zeit im Haus war, vor.
Ein weiteres Dienstmädchen bat zu Tisch und ich fühlte mich nicht wohl in meiner Haut, denn alles war für mich hammermäßig. Allein das Eßzimmer, und wie der Tisch gedeckt war! Die Servietten, die in silbernen Ringen steckten. Ich wusste nicht, ob man so etwas Schönes anfassen durfte. Es lagen mindestens drei leere Teller aufeinander, und das viele Besteck für jede einzelne Person. Und dabei hatte ich zu der Zeit nicht die geringste Ahnung, dass der Stuhl, auf dem ich saß, so viel wie das Schlafzimmer meiner Eltern oder gar noch viel mehr gekostet hatte.
Außer dem, was ich in den Kinofilmen gesehen hatte, wusste ich so gut wie gar Nichts über europäische Tischmanieren. Bei Jules und Familie Klein fühlte ich mich nicht so fremd und war auch geborgen, was ich aber wegen der Blicke des Herrn Termotte nicht im geringsten spürte und das machte mich noch nervöser.
Nachdem er mir die unangenehmsten Löcher in den Bauch gefragt hatte, kamen dann diese leckeren gefüllten Maccaronis (Ravioli). Möge Gott mir beigestanden haben, denn ich wusste nicht, was in diesen übergroßen quadratischen Nudeln als Füllung steckte. Ich hatte aber Hunger und ich wusste, dass uns der liebe Gott in solch schwierigen Momenten sogar das Schweinefleischessen nicht übel nimmt.
Merkwürdig war für mich auch, dass man, nachdem man sich den Bauch mit Suppe und guten Nudeln voll geschlagen hatte, noch Platz für Käse und Weißbrot haben musste.
Als die demoralisierende Rede des Herrn Termotte über die belgische Krise, die nur schlimmer würde, wenn noch mehr Ausländer ins Land kämen, zu Ende war, durften wir vom Tisch.
Ein Stockwerk höher war Isabelles Reich. Sie war nicht nur hübsch, sie war auch ein Engel und ich merkte ihr an, dass sie wie ich darunter gelitten hatte, wie ihr Vater zu mir geredet hatte. Ich sagte ihr später am Bahnhof, dass unsere Freundschaft so stark sei, dass sie sich von Nichts zerstören ließe. Sie war so glücklich, dass ich nicht nachtragend war und ich ließ sie es mir nicht anmerken, dass mich ihr Vater doch zutiefst verletzt hatte.
Ich war froh, dass ich schon vorher bei Jules und Familie Klein gewesen war, denn dieser Monsieur Termotte, machte jeden Gedanken von mir, einem weiteren Freund in Belgien zu Besuchen, zunichte.
Ich bin dann am selben Abend mit dem letzten Zug nach Lille zurückgefahren. Der Bahnhof von Lille war für mich das einzige, was ich mein Zuhause nennen konnte.

......

...Im gelobten Land Deutschland war ich von der Sauberkeit und Ordnung fasziniert. Ich konnte meinen Augen nicht glauben, dass alle Taxis, die ich hier sah, immer nur diese Traumautos, die man Mercedes nannte, waren.
Es dauerte sehr lange, bis ich mich traute das erste Mal ein Taxi zu nehmen. Das Gefühl war herrlich. Es war, als säße ich in einem Wohnzimmer!
Deutschland gefiel mir so gut, dass ich mich entschied, so schnell wie möglich die deutsche Sprache zu lernen.
Mein Bruder sprach sie perfekt. Er hatte sich soweit integriert, dass viele ihn für einen Ostfriesen hielten. Er brachte mir ständig Wörter bei. Dann Sätze. Dann mußte ich seine Lieblingslieder, lustige Lieder, immer wieder mitsingen. Eins davon war: "Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad". Diese Methode, Deutsch zu lernen, war gar nicht mal so schlecht. Ich sang mit meinem Bruder, so gut ich konnte, Sätze, die ich nicht verstand, dann lernte ich mit der Zeit den Sinn der einzelnen Wörter, dann den des ganzen Satzes, bis ich dann wusste, was ich sang.
Er mutete mir viele Erledigungen zu und sagte mir immer, dass es ihm egal wäre wie, aber klappen musste auf jeden Fall.

Einmal schickte mich Abdelkader zum Schlachter, um ein Kilogramm Rinderfleisch zu kaufen. Vorher brachte er mir den ganzen Satz, den ich beim Schlachter sprechen musste bei.
Auf dem Weg zum Schlachter, wurde ich etwas abgelenkt, dann versuchte ich, den ganzen Satz zu wiederholen.
„Öööh!....Ich möchte öh! Ein Kilo! Öööh! Wie war das noch? Ich möchte ein Kilo Rinder. . . Ööh!. . . Fleisch bitte. Ich hatte es dann endlich, bis ich dann vor einer bildhübschen Verkäuferin stand. Als sie mich so süß und nett fragte, was ich haben wollte, verging mir fast alles!
„Öh! Ich möcht ein... öh, ein Kilo, öööh... Bitte!“
„Ein Kilo was, bitte?“
Sie zeigte mir die große Auswahl an Fleisch in der Theke.
„Ein Kilo!“
Ich zeigte ihr mit dem Finger das Bild eines Schweins und sagte
„Nicht diese!“
„Sie möchten ein Kilo was, bitte?“
Plötzlich hatte ich es wieder.
„Ein Kilo Kinderfleisch bitte!
Auf einmal war alles still in dem Laden und alle guckten mich fragend an. Dass man mich als Fremder etwas merkwürdig anschaute, war ich ja gewohnt, aber dieses Mal war es intensiver. Dann beugte sich die Verkäuferin vor Lachen, rief ihre Kollegin zu sich und sagte:
„Der junge Mann hier möchte gerne Kinderfleisch!“
Die gerufene Verkäuferin drehte sich zu mir und sagte lachend:
„Wir haben kein Kinderfleisch!“
Mir war das ganze so peinlich, und ohne zu zögern deutete ich mit meinen zwei Zeigefingern auf meinem Schädel zwei Hörner an und rief:“ Muuuuh! Ein Kilo! Bitte!
Alle Anwesenden platzten bald vor lachen und ich lachte auch mit, ohne zu wissen ob sie wegen meiner Darstellung gelacht hatten, oder weil sich alle freuten, dass sie mich verstehen konnten.
Ich bekam dann mein Fleisch und ging, sehr von dieser Verkäuferin beeindruckt, weil sie durch das Lachen noch viel schöner geworden war.
Meine palästinensischen und libanesische Freunde, ein paar von ihnen arbeiteten bei meinem Bruder, waren lange vor mir nach Deutschland gekommen. Sie brauchten für mich nur die ersten Monate alles zu übersetzen. Ein paar Monate später kam ich dann fast immer allein zurecht.
Etwa ein halbes Jahr später habe ich sie dann alle übertroffen. Ich hatte alles gelesen, was ich in die Hände bekam, auch wenn ich so gut wie nichts davon verstand. Dafür hatte ich einen Duden für Deutsch und Französisch und meinen Bruder.

Meine Leidenschaft und meine Stellung als Bruder und Stellvertreter des Chefs vom Disco–Club, so hieß der Laden, bescherten mir eine Vielzahl an Liebesabenteuern. Vielleicht zum Glück sorgte die Präsenz meines älteren Bruders dafür, dass ich es nicht allzu bunt trieb.
Ich hing zu der Zeit mit Petra, ein sehr verspieltes Mädchen, aber auch süß, herum. Ich wusste, dass sie leicht von dem einen zu dem anderen sprang. Deswegen war meine Interessen an der süßen Kleinen am Tresen, sehr groß.
Ich verließ also dem Billardtisch gerne als Verlierer und begab mich hinter dem Tresen. Ich sagte ihr: „Ich muss dir und deiner Freundin einen ausgeben, weil ich beim Billard verloren habe“, sie fand das gut. Ihre Freundin guckte nur so fragend, denn sie hatte unseren Blickkontakt nicht mitbekommen.
An dem Abend tanzten wir bis in die Morgenstunden. Dann brachten ich und mein Bruder sie nach Hause in Loppersum, einem kleinen Dorf ein paar Kilometer außerhalb von Emden. Danach kam sie fast jeden Abend zum Disco - Club.
Sie war achtzehn und in einem Reformhaus, wo sie ihre Lehre absolvierte, beschäftigt. Nach nur ein paar Tagen sagte sie mir, dass sie mich liebte. Das überraschte mich nicht, aber irgend etwas war für mich verfrüht! Mir schien es, als würde ich mich selbst verraten, wenn ich ihr die Wahrheit sagen würde. Ich wusste zu der Zeit noch nicht, was ich mit einer echten Liebe anfangen sollte, und das war Beweis genug dafür, dass ich noch nicht fähig war, jemanden wie einst Fayda von ganzem Herzen zu lieben. Ich hoffte aber, dass dies nur eine Einbildung war, weil mir Marlies keinesfalls gleichgültig war.
Die Kleine faszinierte mich nach wie vor so sehr wie am ersten Tag. Sie war lustig und ich hatte lustige Leute immer gemocht. Sie war sehr sauber und gebildet. Alle mochten sie, weil sie es immer schaffte, die Leute zum Lachen zu bringen. Sie war keines- falls ein Clown, nein, sie hatte eine sehr gemütliche Seele und kannte die witzigsten Sprüche. Sie war auch süß.
Mein deutsch war damals noch nicht so gut, um ihr von meiner Liebesenttäuschung mit Fayda berichten zu können. Es war auch gut so, dass ich ihr nichts davon sagte.
Es dauerte nicht lange und Marlies gehörte schon zum festen Bestandteil unserer Kommune. Sie half mir, wenn sie Zeit hatte, hinter dem Tresen und wir verbrachten somit viel von unserer Zeit miteinander.
Bei mir trat dann das ein, was ich nicht für möglich gehalten hatte. Ich gewann Marlies lieb, denn so eine Person konnte man nur lieben, und jeden weiteren Tag spürte ich in meinem Inneren, wie meine Liebe zu ihr größer wurde. Viele waren sogar neidisch auf mich.
Sie verstand es auch sehr gut, mich in der Liebe zu gewinnen. Bald überraschte sie mich sogar mit tunesischem Essen, das sie für mich gekocht hatte. Schnell hatte sie sich irgendwo ein tunesischen Kochbuch extra dafür besorgt! Und obwohl sie zwei Jahre jünger als ich war, die größte Vernunft in unserer Beziehung kam von ihr. Abdelkader fand auch, dass ich bei ihr gut aufgehoben war und gab uns seinen Segen.

Es gab dann große Komplikationen, was meine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland anging. Ich sollte eventuell wieder nach Frankreich zurück, weil mein Visum ablief und nicht mehr verlängert werden konnte.
Erst gab es Geheule. Dann entschieden wir uns, dass sie mich erst ihren Eltern vorstellen und eine mögliche Heirat andeuten sollte.
Als Marlies ihrer Mutter meinen Besuch ankündigte, sagte sie ihr, dass ich kein Deutscher sei. Sie bekam daraufhin einen Schreck. Erst als sie mich dann sah, war sie wieder etwas beruhigt. Sie sagte mir, sie hätte einen Schwarzen erwartet, weil immer wenn man über Ausländer redete, sie nur an schwarze Hautfarbe dachte!
Als Marlies Verwandtschaft von unseren Heiratsplänen hörte, spaltete sich die Familie. Der Einzige, der mit Leib und Seele zu mir stand, war Opa Richard, Marlies Vater. Er war als Flüchtling aus Ostpreußen gekommen und hatte selbst genug Diskriminierung erlebt!

Wir bestellten das Aufgebot. Herrn Dehahn, der Standesbeamter, war ein ganz lieber.
Wir reservierten in Loppersum für etwa zweihundert Personen den Festsaal der Gaststätte von Rosi Jungmöln, was Jungmühle bedeutet, mit einem Abendessen und Getränken sowie eine Musikband.
Das kostete dreitausendfünfhundert Mark. Das waren zu der Zeit mehr als zwei Monatsgehälter. Dann bat Marlies ihre Chefin um Hochzeitsurlaub. Diese machte sie so fertig, indem sie ihr erzählte, ich würde sie mit nach Tunesien nehmen, um dort an einem Puff zu verkaufen! Gleich darauf kündigte Marlies ihren Job bei ihr, fristlos!
Letztendlich kamen zu der Hochzeitsfeier nur ihre Eltern, ihre einzige Schwester von Mamas erstem Mann, deren Mann und ihre zwei Kinder Dorothe und Mattias, und ein paar Nachbarn und Freunde von uns beiden.
Da der Saal halb leer war, holte mein Bruder seine gesamte Kundschaft aus der Diskothek. Dann konnten wir richtig Hochzeit feiern.
Marlies und ich gingen den heiligen Bund der Ehe ein, somit konnten wir weiter zusammen bleiben und unsere gemeinsames junges Glück genießen. Ich bekam dann eine reguläre Aufenthaltserlaubnis und durch den Arbeitsvertrag, den mein Bruder mit mir abgeschlossen hatte, bekam ich auch meine Arbeitserlaubnis.

.....

Während meiner Kindheit war der Tod für mich nicht fremd, denn mein Vater gehörte zu einer Gruppe von Männern, die Leichen bestatteten und das ohne Entgelt. Sie haben das immer aus nächsten Liebe getan. Ich habe mich öfter mit dem Tod beschäftigt, besonders wenn jemand starb, den ich kannte. Ich sagte mir immer wieder, wenn mein Papa eines Tages sterben sollte, dann will ich auch gleich sterben! Zum Glück ging es meinem Vater, als ich die Heimat verließ, gut.

....Im November 1986 war ich in der Werkstatt eines mittelständischen Betriebs beschäftigt, als plötzlich der Meister aus seinem Bürofenster laut rief: „Telefon für Mekki!“ Das traf mich ruckartig mitten ins Herz.
Es kann nur die Direktion sein und das bedeutet nichts Gutes, dachte ich mir. „Deine Frau ist am Apparat, Mekki“, sagte der Meister.
Meine Frau? Großer Gott! Sie hatte mich noch nie auf der Arbeit angerufen! Während ich auf dem Weg zum Telefon war, dachte ich nur an das allerschlimmste. Plötzlich sagte ich mir: Meine Kinder! Oh Gott! bitte! Bitte, Bitte Gott! Alles, nur nicht meine Kinder. Dabei dachte ich nur an meine kleine Welt, die nur aus mir und meiner Frau und meinen Kinder bestand. Schreckensbilder von Unfällen gingen mir durch den Kopf.
Ich stellte mich auf das aller schlimmste ein, nahm mit sehr zitternder Hand den Hörer und bat Marlies, sofort und schnell zu sprechen.
„Ja, Mekki, es tut mir leid, deinem Vater geht es nicht gut.“
Als sie nichts weiter sagte, konnte ich mit dem, was sie mir gesagt hatte, nichts anfangen, und meine Gefühle sagten mir schlimmeres.
„Marlies, wer hat mit dir gesprochen?-
„Zed“
„Dann ruf ihn wieder an und vergewissere dich, wie ernst die Sache ist, danach rufst du mich wieder an, damit ich sehe, ob ich was unternehmen muss. Ich warte solange.“
Karl der Meister sagte, ich könnte am Telefon bleiben, bis sie wieder anruft und ging. Mehrere Anrufe waren betriebsintern und jedes Mal, wenn es klingelte, traf es mich wie ein Stromschlag. Dann war sie endlich dran
„Oh Mekki! Ich habe es vorher nicht übers Herz gebracht, dir diese schlimme Nachricht zu sagen, denn ich weiß, wie sehr du deinen Vater liebst.“ Dann sagte sie weinend:“Mein herzliches Beileid, Mekki, dein Vater ist von uns gegangen“.
In meinem Inneren verweigerte ich mich, diese Nachricht als Tatsache zu akzeptieren. Ich wollte sie fragen, ob vielleicht ein Irrtum vorläge, aber dann legte ich auf und es war, als hätte mir jemand mein Gehirn herausgerissen.
Es war eine totale Leere. Ich weiß nur noch, dass ich allen sagte: „Stellt euch mal vor, mein Vater soll gestorben sein!“ Als ob so etwas nicht passieren dürfte.
Zwei Kollegen brachten mich nach Hause, einer musste ja mein Auto fahren. Scheinbar waren sie der Meinung, dass ich nicht in der Lage war, Auto zu fahren.
Zu Hause hatte Marlies alles in Bewegung gesetzt, um mir den nächstmöglichen Flug nach Tunesien zu buchen, denn wegen der Hitze in Tunesien werden die Toten schnell beerdigt. Ich musste mich beeilen, wenn ich meinem geliebten Vater die letzte Ehre erweisen wollte.
Die nächstbeste Möglichkeit war Morgens um sieben Uhr vom Frankfurter Flughafen aus.
Ich kann mich an keine einzige Minute von dieser Reise erinnern. Es ist wie ein schwarzes Loch in meinem Leben.
Um einundzwanzig Uhr traf ich in Sfax ein, da war mein Vater schon unter der Erde.
Meine Brüder meinten, es wäre an der Zeit, sie hätten nicht mehr warten können. Es war auch besser, ihn so lebendig in Erinnerung zu behalten.
In mir war immer noch diese Leere, keine Reaktionen, als ob ich keine Tränen besäße! Bis wir dann am nächsten Morgen zum Beten an sein Grab gingen. Da platzte mein Schockzustand. Ich bekam einen Weinanfall, wie ich ihn noch nie hatte.
Alle machten sich Sorgen um mich, aber ich bat sie, mich mit meiner Trauer allein zu lassen.

Ich sah die kurze Zeit von achtzehn Jahren, die ich mit diesem wunderbaren Vater und Menschen verbracht hatte, vor meinen Augen wieder. Mein Herz schmerzte mich, weil ich keine Gelegenheit hatte, mich mit ihm von Mann zu Mann mal richtig zu unterhalten.
Mein Gott! Er ging mit nur fünfundsechzig Jahren von uns. Zu früh, geliebter Vater und Idol! Zu früh hast du mich verlassen mein Heiliger! An wen soll ich mich jetzt bei weltlichen und himmlischen Fragen wenden, du weiser Mann? Und meine arme Mutter, die du mit so viele Liebe, Herz und Hand geschützt hast! Mit deiner Liebe und Treue zu ihr blühte sie ihr Leben lang wie eine Blume. Oh geliebter Vater, das Paradies wird nur noch schöner mit deiner Präsenz. Auf Wiedersehen, geliebter Vater, auf Wiedersehen, du gütiger und gottesfürchtiger, auf Wiedersehen im Paradies, mein Baba, inschallah (so Gott es will).. . .

Re: Buch-Empfehlung #99009
26/04/2005 21:53
26/04/2005 21:53
Joined: Dec 2004
Beiträge: 36
Köln
A
AfroArabicStyle Offline
Member
AfroArabicStyle  Offline
Member
A

Joined: Dec 2004
Beiträge: 36
Köln
Hallo
Ich muss wirklich sagen, dass mich dieser Abscnitt des Buches wirklich berührt hat. Es ist sehr einfach geschrieben. Aber ich kann mich in jede Situation hinenversetzten. Es ist schön. Möchte wissen was als nächstes passiert. Vieles lief parallel zu meinen Lebenserfahrungen, obwohl ich in Deutschland geboren wurde. Vielleicht gehöre ich bald zu einem Käufer dieses Buches.
Wie heisst der Autor von "Der ostfriesische Tunesier"? Handelt es sich bei dieser Erzählung um Ereignisse aus wahrer Begebenheit?

Grüße
msd

Re: Buch-Empfehlung #99010
28/04/2005 11:44
28/04/2005 11:44
Joined: Apr 2005
Beiträge: 15
Düsseldorf
Ostfriesische Tunesier Offline OP
Junior Member
Ostfriesische Tunesier  Offline OP
Junior Member

Joined: Apr 2005
Beiträge: 15
Düsseldorf
Hallo,

ich bin der Autor dieses Buches und mein Name ist Mekki Zammit die ISBN Nummer 3-86516-199-5 es ist überall erhältlich und weil es noch ganz neu ist, würdest du es bestimmt erst bestellen. So viel ich weiß, der Verleger liefert binnen 24 Stunden.

Es ist die Geschichte meines Lebens, von Geburt an und etwas früher. Alles ist wirklich geschehen und wahrscheinlich wird ein zweiter Teil folgen.Die geschichte ist von mir geschrieben worden, obwohl ich die deutsche Sprache nie in einer Schule gelernt habe, Deshalb ist es einem sehr einfachen Deutsch geschrieben. Jeder der etas lesen kann hat keine Probleme meine Geschichte zu verstehen.

Solltest du noch mehr Fragen haben, dann melde dich unter: mekki.zammit@tiscali.de

Danke

Mekki Zammit

Re: Buch-Empfehlung #99011
30/04/2005 18:12
30/04/2005 18:12
Joined: May 2001
Beiträge: 44,033
Gera
Claudia Poser-Ben Kahla Offline
Moderatorin
Claudia Poser-Ben Kahla  Offline
Moderatorin
Mitglied***

Joined: May 2001
Beiträge: 44,033
Gera
Könnte man sich über dieses Buch auch im ersten Thema weiter unterhalten und nicht immer neue Themen aufnehmen. Wir haben sehr viele Buchtipps im Forum stehen und ich denke ein Thema reicht immer aus.

Danke

Claudia

Re: Buch-Empfehlung #99012
20/08/2005 11:51
20/08/2005 11:51
Joined: May 2001
Beiträge: 44,033
Gera
Claudia Poser-Ben Kahla Offline
Moderatorin
Claudia Poser-Ben Kahla  Offline
Moderatorin
Mitglied***

Joined: May 2001
Beiträge: 44,033
Gera
Hier eine Buch-Empfehlung vielleicht interessiert es ja einige.

Claudia